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Heilkräuter sind die älteste

Grundlage medizinischen Wis-

sens und so auch die Wurzeln

der Medizin unserer Tage. Der

chinesische Arzt und Herr-

scher Shing-Nong schrieb 3700

v. Chr. im wohl ältesten Heil-

kräuterbuch: "Die Kraft dei-

nes Körpers liegt in den Säften

der Kräuter." Auf Tontafeln

wurden um 2500 v. Chr. in

Assyrien 250 Heilpflanzen beschrieben. Sowohl der große

römische Arzt Galenus, als auch der berühmte altgriechi-

sche Arzt Hippokrates vertrauten auf die ordnende Kraft

der Kräuter. Von letzterem stammt auch die Forderung:

"Eure Nahrungsmittel sollen eure Heilmittel und eure

Heilmittel eure Nahrungsmittel sein." Schließlich waren es

Benediktinermönche, die abend- und morgenländisches

Wissen gesammelt und aufgeschrieben haben. Vieles von

dem, was wir ganz selbstverständlich anwenden, danken

wir solchen Niederschriften. Heute sind etwa 3000 Heil-

kräuter bekannt und beschrieben. Davon werden unge-

fähr 500 zur Arzneimittelherstellung genutzt.

Die Pharmaindustrie interessiert sich zunehmend wieder für

die biologischen Schätze der Natur. Dies vermutlich deshalb,

weil immer mehr "synthetische Wunderwaffen", wie etwa

Antibiotika, wirkungslos werden, ihre Risiken und Nebenwir-

kungen nicht mehr zu übersehen sind und weil Forschung und

Entwicklung neuer Medikamente enorme Summen kosten.

Die wenig erforschten Winkel Afrikas und Asiens werden der-

zeit nach Heilpflanzen durchforstet, in der Hoffnung, natürli-

che Wundermittel zu entdecken. Dabei konzentriert man sich

allerdings auf die Isolierung von Einzelsubstanzen und mis-

sachtet zum einen die geheimnisvolle Zusammensetzung und

Ganzheit der Pflanze und ihrer Lebensenergie und zum ande-

ren den soziokulturellen Zusammenhang, in dem die Heil-

pflanze dort angewendet wird und wirkt. Während etwa das

Schlangenholz in Indien, wo es beheimatet ist, als ganzes

Kraut seit 4000 Jahren bei hohem Blutdruck, Schlaflosigkeit

und Angstzuständen nebenwirkungsfrei selbst bei Kindern

Verwendung findet - es wurde auch von Mahatma Ghandi täg-

lich getrunken - wurde der daraus isolierte Hauptwirkstoff

Reserpin hier in Europa, zuerst als Wundermittel gegen hohen

Blutdruck beworben, bald aber wieder vom Markt genommen,

wegen seiner besorgniserregenden Nebenwirkungen.

Das Ganze ist eben wirksamer als seine einzelnen Bestandtei-

le.

Es scheint, dass die vielen, zum Teil auch schwerwiegenden

Nebenwirkungen synthetischer Medikamente und die

Erkenntnis, dass Chemie eher lebenshemmend als lebensför-

dernd ist, den "Umdenkungsprozess" sowohl in der Ärzte-

schaft, als auch bei den Patienten beschleunigen und sie der

Kräuterheilkunde wieder näher bringen. Jedenfalls bietet

"Mutter Erde" Ärzten und Patienten ihre heilenden und ord-

nenden Kräuter wie eh und je an - zur gegenseitigen Hilfe.

Pflanzenheilmittel entfalten nicht bei jedem Menschen die

gleiche Wirkung, sie sind nicht grundsätzlich nebenwirkungs-

frei, und vor Überschätzung soll gewarnt werden. Auch kön-

nen nicht alle Krankheiten mit Heilpflanzen geheilt und

notwendige Eingriffe mit ihnen nicht verhindert werden. Die

Verwendung von Heilkräutern schließt die Inanspruchnahme

des Arztes nicht aus.

Neben den individuellen Umständen, wie etwa Unverträglich-

keiten und Allergien, kann auch die Dosierung nicht standardi-

siert werden, weil ein Heilmittel immer dem kranken

Individuum angepasst werden muss. Besondere Beachtung gilt

auch der Einnahmedauer eines Heilkrautes.

Pflanzen lassen sich einordnen nach den in ihnen enthaltenen

Wirkstoffen, wie Alkaloiden, Flavonoiden, Saponinen, Bitter-

stoffen, Glykoside, Schleimstoffe und anderen. Allerdings

muss auch gesagt sein, dass sich die Wirkkraft der Pflanzen

natürlich nicht auf eine Substanz oder mehrere Wirkstoffe

reduzieren lässt. Das sind Ergebnisse einer stofflichen Analy-

se, hinter der ein materialistisches Weltbild steht, welches das

"Geistartige" unsichtbare nicht berücksichtigt. Die Pflanze ist

mehr als ein Behältnis für chemische Stoffe. Sie ist ein Lebe-

wesen mit Seele. Die Wirkkraft der Pflanzen beruht auf dem

lebendigen Ganzen, das mehr ist als die Summe seiner Teile.

"Die Idee, Pflanzen verdankten ihre Wirkung einer einzigen

Verbindung ist schlichtweg falsch", sagt der Harvard-Profes-

sor Andrew Weil, und Jean Marie Pelt, Professor für Botanik,

ergänzt: "…die höchste Komplexität einer lebenden Substanz

kann man nie ganz erforschen, geschweige denn synthetisie-

ren."

"Das Leben ist das, was im Reagenzglas verschwindet".

Pflanzen sind als Lebewesen zu betrachten, und wir sollten

"eine Ahnung davon bekommen, was für zauberhafte Persön-

lichkeiten sich im schlichten Grün verbergen", empfiehlt der

Pflanzenethnologe Wolf-Dieter Storl. Und Hildegard von Bin-

gen verehrte die "Viriditas", die "Grüne Kraft", die sich im fri-

schen Lebensgrün offenbart: "….es ist eine Kraft aus der

Ewigkeit, und diese Kraft ist heilsam."

Freundschaftlicher und dankbarer Umgang mit Heilpflanzen

setzt mehr Heilkräfte frei als ihre bloße "Anwendung", ja, er

vollbringt wahre Kräuterwunder.

Unsere "unwissenschaftlichen" Vorfahren setzten zur Beurtei-

lung und Auswahl ihrer Heilkräuter neben der Überlieferung

einerseits Intuition und andererseits die Beobachtung von

Merkmalen, von "Signaturen" ein. Die Form der Blätter etwa

oder die Farbe und Form der Blüten erlaubten ihnen Rük-

kschlüsse auf die Wirkkraft der Pflanze. So zeigte sich ihnen

z.B. das Schöllkraut etwa als Lebermittel durch seine an die

Leber erinnernden lappenförmigen Blätter, die beim Zerquet-

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06/2018

Die Kraft der Kräuter

Die Seite für die Gesundheit

mit Doktor Adelbert Bachlechner

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