Previous Page  38 / 52 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 38 / 52 Next Page
Page Background

Rund ums Dorf

Seite 38

November 2017

Neues vom Chronistenteam

Weiterer Bericht von Andreas Schneider, vlg. Leita

Ando, mit Genehmigung seiner Tochter Gerlinde - be-

reits einmal veröffentlicht im Jahre 1987

Schon im ersten Volksschuljahr lernte man das schö-

ne Volkslied: „Es klappert die Mühle am rauschenden

Bach“. Leider klappern sie heutzutage in Obertilliach so-

wie in anderen Dörfern des Tiroler Gailtales nicht mehr

oder nur ganz selten. Wenn man sie klappern hört, dann

nur zum Zwecke der Fremdenverkehrsattraktion. In den

früheren Zeiten standen an größeren Bächen eine oder

mehrere Mühlen, die durch die Wasserkraft des Baches

angetrieben wurden. Darin wurde sämtliches Getreide

der Bauern zu Mehl vermahlen. Die Müllerszeit dauer-

te in der Regel vom Herbst bis knapp vor Weihnachten.

Jenes Getreide, das im kommenden Anbau von der Saat

übrig blieb, wurde im Frühjahr vermahlen. Während der

Mahlzeit waren sämtliche Mühlen im Betrieb und man

hörte sie, besonders abends und bei Nachtzeit, weithin

klappern.

Für das Dorf Obertilliach standen dieMühlen amRodarm-

bach, Mühlboden und am Eingang des Dorfertales. Für

die Fraktionen Leiten in Leiten am Gailfluss und in Ber-

gen in Bergen am Hubenbach. Der Rodarmbach betrieb

seinerzeit fünf Mühlen, wovon eine schon seit mehreren

Jahrzehnten abgetragen ist (es war die vlg. Huitermüh-

le). Eine (vlg. Anderer) wechselte den Besitzer und wurde

vor Jahren zur Ferienwohnung umgebaut. Dazu wäre zu

sagen, dass diese gegenüber den anderen Mühlen durch

eine Wasser-Turbine betrieben wurde. Die übrigen drei

(vlg. Bucher, Winkler und Hisler) sind dem Verfall preis-

gegeben.

Am Mühlboden standen die dreigängige Hofmühle und

zwei oder drei Gemeinschaftsmühlen, die vom Gailfluss

betrieben wurden. Weiters befand sich dort die zweigän-

gige Unterwöger-Mühle, die vom Dorfertalbach angetrie-

ben wurde. Am Taleingang standen die sogenannten Höll-

mühlen, ebenfalls zwei oder drei, und weiter taleinwärts

die Nafler-Mühle. Sie wurden alle vom Talbach betrieben.

Alle diese Mühlen sind vor Jahren abgetragen oder durch

Hochwasser zerstört worden. Der Name dieser Mühlen

wird von den Einheimischen teilweise als Geländebe-

zeichnung benützt. Zum Beispiel: „Bei den Höllmühlen

hab ich ihn das letzte Mal gesehen!“ Der Antrieb dieser

Mühlen erfolgte durch ein großes Oberwasser-Holzrad

im Durchmesser von ca. 2 Meter. Unter einem solchen

Rad versteht man, dass das Wasser durch eine Rinne

(Uisch genannt) von oben auf die Holzschaufeln des Ra-

des fiel und dieses dadurch in Bewegung gesetzt wurde.

Die Mühlen am rauschenden Bach

Es ist durch vier starke Holzstreben (Speichen) an einem

Ende eines starken runden Baumes (Wellbaum) befestigt.

Im Innern der Mühle, und zwar am anderen Ende dieses

Baumes, war ein Zahnrad, im Durchmesser von ca. 1 m

angebracht. Dieses Rad (Kamprad) hatte die Zähne (Kam-

pen) auf der Seite und trieb damit den sogenannten Riggl.

Darunter versteht man ein hochstehendes spulenartiges

Gerät mit starken Holzsprossen, in dem sich innen das

sogenannte Langeisen befand. Mit diesem Eisen wurde

der bewegliche Mühlstein betrieben.

Zum Mahlen gehören zwei Mühlsteine und zwar ein fest-

stehender und ein beweglicher, bzw. rotierender. Durch

die sogenannte Rittelgosse, die zur Aufnahme des Getrei-

des diente und durch den Mühlmechanismus betätigt

wurde, gelangte das Korn zwischen die Mühlsteine und

wurde vermahlen. Anschließend rutschte das Mahlgut in

dem im Beutelkasten angebrachten Beutelsack, wo durch

die Schütteltätigkeit des Beutelsackes das Mehl von der

Kleie ausgeschieden wurde und in den besagten Kasten

fiel. Von diesem konnte dann das fertige Mehl entnom-

men, in Säcke gefüllt und nach Hause geführt werden.

Bei manchen Getreidearten wurde die im ersten Mahl-

gang ausgeschiedene Kleie einem zweiten Mahlgang

unterzogen. Dieses ausgeschiedene Mehl mit minderer

Qualität hieß Nachmehl. Fast in jeder Mühle befand sich

ein kleines Stübchen für den Müller, das ihm für kürzeren

oder längeren Aufenthalt zur Verfügung stand, musste er

doch Tag und Nacht auf das Mahlen achten. Als Werkzeug

dienten dem Müller verschiedene Geräte wie Walger,

Hebeisen, Holzschaufel und Bille. Letzterer wurde zum

Schärfen der Mühlsteine verwendet.

Als Müller fungierte in den meisten Fällen der Bau-

er selbst. Es war für ihn ein besonderer Auftrag, das im

Herbst geerntete Getreide zu Mehl vermahlen zu können.

Er genoss in dieser Eigenschaft eine gehobene Stellung

und bekam von der Bäuerin auch das bessere Essen als

die übrigen Hausangehörigen. Es mussten ihm dies von

den Hausleuten in die Mühle gebracht werden. Zu die-

ser Tätigkeit wurden meistens Schulkinder verwendet. Ich

kann mich erinnern, dass auch ich zum Essentragen ange-

stellt wurde. Von diesem Essen habe ich unterwegs, ohne

Wissen des Müllers, eine Kleinigkeit gekostet. Gescholten

wurde ich dieserwegen von ihm nie, obwohl er es viel-

leicht vermutet hatte. Die Tätigkeit des Müllers ist längst

vorbei. In der Fraktion Leiten bei Obertilliach wird fallwei-

se zur Schau in einer alten Mühle Korn gemahlen. Weiters

befindet sich eine solche Mühle zwischen den Nachbar-

gemeinden Untertilliach und Maria Luggau. Ob in dieser