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Historisches
heim zu gehen, um sich umzu-
kleiden, damit sie rechtzeitig zum
Spätamt zur Kirche kommen.
„Bleibt nur da, eine Messe halt
ich euch“ spöttelte der ältere, et-
wa sechunddreißigjährige Kärnt-
ner. Die beiden Kartitscher Bur-
schen ließen sich jedoch nicht
abhalten und gingen ihrer Sonn-
tagspflicht nach.
Die beiden Kärntner jedoch trie-
ben ihr Gespött weiter und beson-
ders der Ältere versündigte sich
an der frevelhaften Nachäffung
der Messfeier. Währenddem fiel
er plötzlich um und war tot.
Kreideweiß und am ganzen Kör-
per schlotternd kam der jüngere
Kärntner, selbst noch ein Bub in
die Küche und erzählte der Wir-
tin, was vorgefallen war: „Eine
Messe hat er halten wollen, ich
musste ihm ministrieren, und als
ein Pferd gefetzt hat, hielt er eine
Haferschale darunter und als er
bei der Wandlung die Schüssel
mit der Lacke aufhob und die
Worte sagen wollte, die der
Geistliche bei der Wandlung sagt,
ist er auf einmal umgefallen und
hat keinen Rührer mehr getan.“
Natürlich war auch die Wirtin
zutiefst erschrocken und zornig
ob dieses Frevels auf ihrem Hof.
Der Wirt war vor zwei Jahren
verstorben, die beiden Söhne wa-
ren noch zu jung und die Verant-
wortung von Hof und Gastwirt-
schaft lastete somit allein auf ihr.
So gab sie den beiden Töchtern,
die soeben von der Frühmesse
kamen, die Weisung, nach einem
Priester zur Krankensalbung und
dem Arzt von Sillian zu sehen.
Der Priester, ein zur Aushilfe in
Kartitsch weilender Primiziant
betete für den Verstorbenen, die
Krankensalbung konnte er nicht
mehr spenden und bald brachte
ein Pferdegespann den Arzt von
Sillian, der den Mann nach dama-
ligem Standart untersuchte und
Herzschlag als Todesursache kon-
statierte. Dies wurde später auch
im Totenbuch angeführt.
Nun musste der Tote bestattet
werden, doch die Wirtin und wei-
tere Bauern in der Nachbarschaft
wollten mit einem so Verstorbe-
nen nichts zu tun haben. Erst der
siebte Nachbar - der Petererbauer
ließ den Toten aufbahren, damit
für ihn nach alter Tradition zwei-
mal täglich gebetet würde, denn
für ihn wäre das Gebet vielleicht
notwendiger als für manch ande-
ren. Am dritten Tage wurde er in
St. Oswald bestattet, er erhielt ein
kirchliches Begräbnis und der
Wiener Primiziant hielt den Kon-
dukt, die Bestattung und Toten-
messe.
Die Grabstätte wurde nordseitig
im Winkel zwischen Kirche und
Turm errichtet, ein Friedhofplatz,
der früher vermutlich selten und
später nie mehr belegt wurde.
Nun mag die Glaubwürdigkeit
dieses merkwürdigen, an Blas-
phemie grenzenden Vorfalls, wie
ihn Oswald Sint in seinem Buch
„Buibn und Gitschn mitnándo is
ka Zoig“ erzählt, angezweifelt
werden und in der Tat scheinen
auch einige genannte äußere Um-
stände eher fragwürdig. So etwa,
dass bereits 1911 beim Rauchen-
bachwirt zum Straßenbau Pferde
eingestellt waren, bisher wurde
nämlich angenommen, mit dem
Straßenbau hätte man 1911 in
Tassenbach begonnen. Inzwi-
schen weiß man aber, dass
1911/12 tatsächlich in Kartitsch
gearbeitet wurde und das Straßen-
stück Monegge erst 1913 gebaut
wurde. Auch weiß man, dass tat-
sächlich um den 25. Juli 1911 der
Wiener Neupriester Josef Hruby,
Sohn eines Bahnbeamten, in Kar-
titsch seine Primiz feierte und
dann in der Seelsorge aushalf.
Oswald Sint war beim Begräbnis
des oben Genannten dabei, als
damals 11-Jähriger war er aber
für abnorme Wahrnehmungen
selbstverständlich zu jung. Der
Vorfall blieb jedoch über Jahr-
zehnte Dorfgespräch und Sint re-
cherchierte erst im Erwachsenen-
alter, gewissenhaft und genau,
kontaktierte die Hausleute und
Augenzeugen, einen damals 24-
jährigen Nachbarn, den Sargma-
cher, der - wie es damals üblich
war, den Toten auch einsargte
und sichtete das Totenbuch der
Pfarre. Soweit die Fakten.
Allerdings wurden im Dorftratsch
auch von einigen doch recht son-
derbare Einzelheiten erzählt und
von Zeitzeugen und Befragten
auch bestätigt, die Oswald Sint
zur Befürchtung verleiteten, der
tote Kärntner könnte womöglich
als nur scheintot beerdigt worden
sein, denn: „Erstens hätte er ange-
fangen zu schwitzen, zweitens sei
bei ihm keine Leichenstarre ein-
getreten und drittens war der Kör-
per kohlschwarz geworden“.
Letzteres behauptete nachdrück-
lich auch der Sargleger.
Noch zwei weitere Begebenheiten
führt Sint an: Beim Friedhofein-
gang sei der Sarg immer schwerer
geworden, die vier Sargträger,
erwachsene Burschen, hätten ihn
beinahe nicht mehr hineintragen
können und der Priester hätte sich
nachher geäußert, wenn er vor
dem Begräbnis das gewusst hätte,
was er nachher wusste, hätte er
ihn nicht im geweihten Friedhof