Mai 2017 Dölsacher Dorfzeitung Seite 29
Zum 50. Todestag
der Volksschriftstel-
lerin Fanny Wibmer-
Pedit (1890-1967) er-
arbeitete die Osttiro-
ler Theatergruppe
„FrauenART“ wohl
ihr wichtigstes Werk
„Die Pfaffin“ für die
Bühne.
Hexenwahn und He-
xenverfolgung führten
in Tirol vom Beginn
des 15. Jahrhunderts
bis zum Ende des 17.
Jahrhunderts zu He-
xenprozessen,
bei
denen ungefähr 300
Menschen wegen an-
geblicher Hexerei hingerichtet wurden. Besonders grau-
sam und erschütternd ist das Schicksal der Osttirolerin
Emerenzia Pichlerin und ihrer Kinder. Dank vollständi-
ger Prozessakten sind wir über den abgeführten Prozess
und dessen Ausgang authentisch und im Detail unter-
richtet. Nach genauem Quellenstudium verewigte Fanny
Wibmer-Pedit das Schicksal der Emerenzia Pichlerin in
ihrem 1934 erschienenen Roman „Die Pfaffin“. Der
Roman spielt in den Jahren um den Dreißigjährigen
Krieg. Die Halbwaise Emerenzia wird wie ihre Mutter
Häuserin (Pfaffin) in einem Pfarrwidum. Von einem
Soldaten schwanger, heiratet sie den Vater des zu erwar-
tenden Kindes, der sie nach kurzer Zeit verlässt. Dem
Elend ausgesetzt, muss sie sich nun mit ihrem Kind
durch das Leben schlagen. Sie verbindet sich mit einem
mittellosen Bauern aus St. Veit und führt mit ihm auf
einem Karren ein Leben als vagabundierende Landstrei-
cherin, wobei sie einem Kind nach dem anderen das
Leben schenkt. Sie versteht sich auf Quacksalberei, die
durch Zauber- und Beschwörungsformeln in ihrer Wirk-
samkeit verstärkt werden soll. Ihre Kenntnisse und ihre
Begabung werden ihr zum Verhängnis. In einen Salz-
burger Hexenprozess verstrickt, wird sie mit vier ihrer
Kinder im Verlies von Schloß Bruck fast ein Jahr lang
eingekerkert. In über 60 „peinlichen Verhören“ werden
ihr unter Folter die widersprüchlichsten Geständnisse
abgepresst. Sie wird zum Tode verurteilt und auf der
sogenannten Galgen-
tratte östlich von
Lienz hingerichtet, ihr
Leichnam anschlie-
ßend verbrannt. Zwei
ihrer Kinder werden
zwei Tage später ent-
hauptet. Als Mitglied
einer
Randgruppe,
wahrscheinlich aber
auch aus Angst und
den Vorurteilen ge-
genüber einer intelli-
genten selbstständigen
Frau, war sie zum
Opfer der damaligen
gese l l schaf t l i chen
Konventionen gerade-
zu prädestiniert.
Der Roman wurde bereits 1967 für die Freiluftbühne
Tulfes bei Hall zu einemVolksstück umgestaltet. Die
2015 gegründete Theatergruppe „FrauenART“ bear-
beitete den Stoff völlig neu. Vor zwei Jahren formten
sich um Roswitha Selinger (Dölsach) fünf weitere
theaterbegeisterte Frauen zu einem Ensemble: „Frau-
enART“ war geboren. Kreative Heimat für ihre inten-
sive Probenarbeit fand die Gruppe bei Margarethe
Oberdorfer im Kunsthaus „sinnron“ in Dölsach.
Als Theaterprojekt mit Osttirol- und Frauenbezug bot
sich das Schicksal der Osttirolerin Emerenzia Pichle-
rin geradezu an. Der Roman wurde von FrauenART
gemeinsam dramaturgisch zu einem Theaterstück
umgestaltet und adaptiert. Die eindringliche Sprach-
melodie des Originaltextes wurde weitgehend beibe-
halten. Klang- und Musikinstrumente unterstützen die
Handlung. Das Zeitkolorit wurde mithilfe von Histo-
rikern erforscht, Kostüme und Bühnenbild wurden
von den Mitwirkenden erstellt. Der Leidensweg der
Emerenzia Pichlerin führt durch fünf Lebensstatio-
nen, auf die Bühne gebracht in fünf szenischen Bil-
dern, Emerenzia wird dabei von jeweils einer der
Schauspielerinnen dargestellt. Die Inszenierung und
Regie liegt in der Hand von Roswitha Selinger, unter-
stützt von Dr. Ekkehard Schönwiese. Die Premiere
findet am Pfingstsonntag, 4. Juni, um 20 Uhr im
Kunsthaus „sinnron“ in Dölsach statt.
Das berührende Schicksal der
„Pfaffin“ Emerenzia Pichlerin
Zum 50. Todestag von Fanny Wibmer-Pedit bringt die Osttiroler Theatergruppe
„FrauenART“ den Roman auf die Bühne.