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„Ausrasten können wir uns im Himmel“

Unter diesem Titel berichtete der „Tiroler Sonntag“ in der

Ausgabe vom 12. Mai 2016 in einer ausführlichen Repor-

tage über das Wirken unserer heimischen Missionsschwe-

ster Andrea Schett. Mit freundlicher Erlaubnis der

Redaktion darf die ACHSE sie hier den Lesern zugänglich

machen

.

Nicht nur beten und arbeiten - „ora et labora” -, sondern

beten, arbeiten und managen: diese Kombination beschreibt

wohl am trefflichsten das Wirken von Tertiarschwester

Andrea Schett. Seit über vier Jahrzehnten lebt und arbeitet

die gebürtige Osttirolerin im Tiefland von Bolivien in Süd-

amerika und denkt mit ihren 76 Jahren noch keineswegs an

den Ruhestand.

„Bienvenidos, willkommen!” Mit einer herzlichen Umarmung

begrüßt uns Schwester Andrea am Markt der kleinen Stadt

Ascencion de Guarayos im schwülen bolivianischen Tiefland.

Es ist schon dunkel und recht zerknautscht von der sechsstün-

digen Busfahrt fällt es uns schwer, ihren schnellen Schritten

zum Kloster zu folgen. Dort angekommen zaubert sie ein paar

Spiegeleier als Abendessen und frisch gemachten Grapefruit-

saft auf den Tisch, von der Kirche nebenan tönen Gesänge und

klassische Musik herüber, der Chor ist am Proben.

Hier kenne ich jeden Ziegel

Am nächsten Tag sind wir mit Schwester Andrea im Dorf

unterwegs und bekommen Einblick in den ganz normalen All-

tag einer agilen Klosterfrau. Wir besuchen die Schule „Santa

Teresita“, die sie aufgebaut und lange als Direktorin geleitet

hat. „Hier kenne ich jeden Ziegel und jede Pflanze, hier habe

ich mein halbes Leben verbracht” denkt Schwester Andrea zu-

rück und stellt uns stolz den Lehrerinnen vor. Einige davon

waren vor Jahren ihre Schülerinnen.

Als Andrea Schett 1971 nach Bolivien kam, war freilich vieles

noch anders: das Dorf kleiner, Straßen und Infrastruktur in

erbärmlichem Zustand. Aufbauarbeit war gefragt, auch im

übertragenen Sinne, ob im Schul- wesen oder in der Pfarrju-

gend oder bei wöchentlichen Müttertreffen, in denen die

gelernte Handarbeits- und Haushaltslehrerin den Frauen im

Dorf das Nähen und Stricken beibrachte.

Noch vier Osttiroler Schwestern.

„Damals waren wir zehn Osttiroler Schwestern hier in Boli-

vien und wir haben dort angepackt, wo es notwendig war“,

denkt Andrea Schett an ihre Anfangsjahre zurück. Heute

leben noch vier Osttiroler Schwestern in Ascencion, sieben

bolivianische Schwestern treten so langsam in ihre Fußstap-

fen. Und die Arbeit geht nie aus. Wir folgen Schwester Andrea

weiter zum „Tau-Zentrum“, das von der Aktion „Bruder und

Schwester in Not“ mit Spendengeldern aus Tirol finanziert

wird. Hierher kommen Kinder und Jugendliche, die aufgrund

von Behinderung oder Beeinträchtigungen von der Gesell-

schaft ausgeschlossen sind.

Ein offenes Ohr, ein gutes Wort.

Schwester Andrea kennt jedes Kind beim Namen und meist

auch die tristen Lebensumstände der Familien, Wenn sie

Besorgungen im Dorf zu erledigen hat, fährt sie oft bei den

Kindern zuhause vorbei und kehrt ein. Auch wenn nicht allen

geholfen werden kann, ein offenes Ohr und ein gutes Wort hat

Schwester Andrea immer dabei. Und den einen oder an-

deren Sack Reis für diejenigen Familien, die es am notwen-

digsten brauchen. „lch habe die Hilfe Gottes immer wieder

gespürt“, nennt die charismatische Ordensfrau ihr Geheim-

nis, für ihre Kraft und Ausdauer, aber auch ihre spürbare

Nächstenliebe. Diese umfasst nicht nur die menschlichen

Nächsten. Die Katzen, Gänse, Schildkröten und Hühner hinter

dem Klostergebäude gehören genauso dazu, wie die blühen-

den Sträucher rundherum. „Was du in deinem Alter noch alles

schaffst!” ist unser beeindruckender Kommentar, Schwester

Andreas Antwort darauf fällt lapidar aus: „Ausrasten können

wir dann im Himmel“, sagt sie und drückt uns beim Abschied

noch ein paar frisch gepflückte Blumen in die Hände. „Sie und

Gottes Segen sollen euch auf der Heimfahrt begleiten“.

Ursula Scheiber, Maximilian Gritsch

Seite 31

10/2016

Portrait: Schwester Andrea Schett

Sr. Andrea beim Organisieren, das Handy ist ihr wichtige Hilfe.

Ein Herz für Kinder und das ein Leben lang. Schwester Andrea im von

ihr initiierten „Tau Zentrum“ für Kinder mit Behinderung.

Sr. Andrea eine Managerin: Von früh bis spät ist die rührige Schwester

im Dienst der Nächstenliebe unterwegs: bei Besuchen von benachtei-

ligten Familien, beim Einkaufen oder bei Erledigungen für die Kloster-

gemeinschaft.