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BLICK
Ein
Chronik
Die Bücher, mit blauem oder braunem Packpapier einge-
bunden und mit einer Nummer auf weißem Schildchen
versehen, waren übersichtlich in Wandschränken und
Regalen untergebracht. Als diese nicht mehr reichten, la-
gen sie aufgestapelt auf Tischen und Bänken in der Stube
des Widums. Kooperator Josef Wieser, Mathilde und Rosa
Schneider, selbst Stammgäste in der Bücherei, ist es zu
verdanken, dass trotz der geringen Buchauswahl und der
unangemessenen Räumlichkeiten immer mehr Interessier-
te den Weg in die „Widumstube“ = Bücherei fanden.
Der Ankauf neuer Lektüre war schwierig und erfolgte nur
mit geringen Fördergeldern der Gemeinde, der Diözese
und des Vereins für Erwachsenenbildung. Großzügigere
Sponsoren waren die Raiffeisenkasse Sillian und die Lien-
zer Sparkasse.
Für zusätzlichen Lesestoff sorgte die Bundesstelle für Er-
wachsenenbildung in Innsbruck. Sie bot den kleineren Ge-
meinden die Möglichkeit, von der „Wanderbücherei“ als
Ergänzungsbibliothek Gebrauch zu machen. Auch Sillian
stand im Programm.
Alljährlich in der Adventszeit organisierte das Büchereiteam
rund um Mathilde und Rosa Schneider eine Buchverkaufs-
ausstellung. Die Buchhandlung Tyrolia/ Lienz stellte die Bü-
cher und Devotionalien in Kommission zur Verfügung.
Allmählich wuchs die Lesefreudigkeit in der Bevölkerung,
und man dachte an eine Erweiterung der Bücherei bzw.
eine Umstrukturierung, was in den Räumlichkeiten des Wi-
dums aber nicht mehr möglich war.
Bürgermeister Anton Gesser brachte dieses Anliegen dem
Gemeinderat vor: „Die Katholische Volks- und Jugendbü-
cherei Sillian ist derzeit leider wegen Raumnot nicht mehr
ausbaufähig. Für Sillian wären nach Berechnung des Bun-
desstaatlichen Volksbildungsreferenten Prof. Louis Ober-
walder für eine leistungsfähige Bücherei ca. 3000 Bände
notwendig. Derzeit haben wir einen Bestand von ca. 750
Bänden und ca. 100 Bänden aus dem Bestand der Wan-
derbücherei der Tiroler Landesregierung. Eine Aufstockung
ist aber nicht möglich, da die Stube im Widum ja ein Mehr-
zweckraum ist."
Im folgenden führte er noch einen Grund für die Verlegung
der Bücherei an. „…..nicht alle Menschen eines Ortes und
bei weitem nicht alle Gäste gehen gerne in einen Widum;
weiters glauben ziemlich einige Teile der Bevölkerung, in
einer katholischen Volksbücherei gäbe es nur `fromme`
Bücher und keine sonstige Unterhaltungsliteratur. Auch die
Lage ist heute nicht mehr zentral." ( aus: Gemeindeproto-
koll vom 17. August 1974)
Der Gemeinderat beschloss, die ehemalige „Schett - Woh-
nung“ mit dem anschließenden Archivraum im alten Ge-
meindehaus, Sillian Nr. 84, (heute Schützenraum) für die
Unterbringung der Katholischen Volks- und Jugendbüche-
rei zu adaptieren. Auch der Kultur- und Sportausschuss
stimmte dem Vorschlag zu und versprach, sich an den
notwendigen baulichen Veränderungen finanziell zu be-
teiligen. Volksbildungsreferent Prof. Oberwalder stellte in
Aussicht, dass die Kosten für die Einrichtung der Bücherei
durch Subventionen von öS. 250.000,- völlig abgedeckt
würden, vorausgesetzt, die Gemeinde renoviert auf ihre
Kosten die dafür vorgesehenen Räumlichkeiten. Der Ge-
meindeführung erschien der finanzielle Aufwand zu groß,
und sie lehnte das Angebot von Prof. Oberwalder ab. Über
die öS. 250.000,- freuten sich die Büchereien Heinfels und
Strassen.
1977 wurde die Bücherei aus ihrem Schattendasein geholt
und übersiedelte endgültig vom Pfarrhaus ins Gemeinde-
haus, Sillian 84. Durch eine grundlegende Reorganisation
entstand die „Öffentliche Bücherei“. In seinen Segenswor-
ten meinte Dekan Steinringer, dass mit der Bücherei ein
wichtiges Kulturgut für die Gemeindebürger und Gäste ge-
schaffen wurde.
Als Leiterin der „Öffentlichen Bücherei Sillian“ konn-
te Mathilde Schneider, Arbeitslehrerin an der Volks- und
Hauptschule Sillian, gewonnen werden. Sie absolvierte die
Ausbildung zur ehrenamtlichen Bibliothekarin in Strobl am
Wolfgangsee und wurde bald zur „Seele der Bücherei“. Ihr
Start in Sillian war alles eher als rosig, musste sie doch
mit vielen baulichen Mängeln zurechtkommen. Erst nach
und nach konnten die desolaten Räumlichkeiten renoviert
werden. Zusammen mit den Schülern Strasser Herbert,
Niedertscheider Josef jun. und Gitti Federer (Schneider)
als fleißige Gehilfen verbrachte sie viele Stunden mit der
Auswahl der Bücher, mit Einbinden, Einordnen, Katalogisie-
ren, mit Sichern der Finanzierung usw. Um einen schnellen
Überblick zu gewinnen, wurden die mit Klarsichtfolie ein-
gebundenen Bücher mit verschiedenfarbigen Aufklebern
am Buchrücken versehen. Gelb galt für Kinderbücher, blau
Segnung der Bücherei durch Dekan Steinringer mit Bücherei-
leiterin Mathilde Schneider 1977.
Die neu gestaltete Bücherei 1977.