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G

EMEINDE

Aufzeichnung eines Gespräches von Chronist

Raimund Mußhauser mit Ignaz Huber am 9. Juni 2015

anlässlich 70 Jahre Kriegsende 1945.

Ignaz Huber, genannt Wahler Naz, wurde am 29. September 1928

als Sohn des Wahlerbauern Andreas Huber und der Barbara,

geb. Hochrauter, in Thurn geboren.

Zu Beginn des zweiten Weltkrieges im Jahre 1939 war Ignaz

Huber gerade 11 Jahre alt. Doch fünf Jahre später – 1944 – der

Krieg hatte sich ausgeweitet und die letzten Reserven wurden

für den Endkampf benötigt, wurde Naz als Sechzehnjähriger im

Glöcklturm gemustert.

Im Herbst des gleichen Jahres kam der Einberufungsbefehl

für das Wehrertüchtigungslager St. Andrä im Lavanttal zur

Volkssturmausbildung in der Zeit ab dem 28.12.1944. Jedoch kam

es anders, er erhielt die richtige Einberufung am 13. Dezember

und musste schon zwei Tage später zur Flak-Scheinwerfer

Ersatzabteilung 15 nach Augsburg einrücken.

Naz war bis zu diesem Zeitpunkt noch nie mit dem Zug gefahren.

So bestiegen mehrere junge Burschen, darunter Andrä Kollnig

von Thurn, Lois Gander, Lechner von Patriasdorf und Tone

Ragger, Schelcher von Oberlienz gemeinsam den Zug und

erreichten nach mehreren Unterbrechungen den Zielbahnhof

Augsburg. Für die jungen Burschen begann der Ernst des

Lebens. Es fand eine Nachmusterung statt, bei der wieder einige

junge Soldaten ausgeschieden wurden. In Augsburg erhielten

die Neuankömmlinge auch ihre persönliche Ausrüstung und das

Soldbuch, in dem Naz als Kanonier bezeichnet wird.

Mit einem Amlacher Kameraden kam er zur Flak nach Leipzig

und bald danach nach Torgau an das Ostufer der Elbe. Ausbildung

erhielten sie keine, so blieb den Neuen nichts anderes übrig, als

von älteren Soldaten zu lernen.

Am 24. April 1945 – an einen Sieg der deutschen Armee war

nicht mehr zu rechnen – waren alle Brücken über die Elbe durch

Fliegerbomben zerstört. Die Pioniere bauten eine Behelfsbrücke

über die Elbe und so konnten die Soldaten den Rückzug auf

deren Westseite antreten. Dort waren die Amerikaner schon bis

zur Elbe vorgerückt und vom Osten kamen die Russen näher. Um

nicht in Gefangenschaft der Russen zu gelangen, beeilten sich

die Soldaten und auch die Zivilbevölkerung auf die andere Seite

des Flusses zu kommen.

Beim

Rückzug

bekam

Naz eine schwere Lungen-

entzündung und wurde in

ein unter amerikanischer

Aufsicht geführtes Lazarett

in Naumburg an der Saale

gebracht. Dort erholte er

sich von seiner schweren

Krankheit und nach acht

Wochen, am 21. Juni 1945,

konnte er entlassen werden.

Das Gebiet wurde dann

von den Siegermächten in

Zonen eingeteilt, so befand

sich Naz plötzlich in der

französischen. Naz wurde

mit anderen Soldaten auf

LKWs verladen und in ein

Gefangenenlager für 40.000

Soldaten ins Rheinland an die holländische Grenze transportiert.

Unter freiem Himmel verbrachten sie die Sommermonate in

der Gefangenschaft der Franzosen. Das Lager war notdürftig in

kurzer Zeit errichtet worden, mit Stacheldraht umzäunt und mit

Wachtürmen ausgestattet. Verpflegung gab es nur alle zwei bis

drei Tage. In der Nähe gab es auch noch ein eigenes Lager für SS

Angehörige. Den SS Mitgliedern wurde in die Achselhöhle das

Zeichen „SS“ tätowiert – auch Naz wurde dahingehend öfters

kontrolliert.

In der Kriegszeit verständigten sich die Soldaten mit den

Angehörigen zu Hause per Feldpostkarten. Die Eltern schickten

kleine Pakete mit etwas Jause, die Soldaten warteten und freuten

sich darauf, doch der Inhalt fiel meist der Zensur zum Opfer. So

kamen zwei Päckchen bei Naz leer an – das kleine Stück Speck

fehlte.

Nach ständiger Ungewissheit über dieAuswirkungen des Krieges

in den letzten Wochen und der eigenen Zukunft kam für Naz die

Entlassung von der französischen Gefangenschaft. Tausende

Landser waren wie er mit der Bahn Richtung Heimat unterwegs:

Über Friedrichshafen am Bodensee nach Innsbruck und über

Schwarzach nach Mallnitz. In der englischen Zone angelangt,

wurden die Soldaten gestoppt und aus der Rückkehr in die Heimat

wurde vorläufig nichts. Für weitere zwei Tage mussten sie nach

Kellerberg unterhalb Spital/Drau. Dort kames zur überraschenden

Begegnung mit Vater und Mutter. Ein Mitreisender im Zug, mit

dem Naz über seine Herkunft gesprochen hatte, hatte die Eltern

von der neuerlichen Unterbrechung der Heimkehr verständigt.

Die aufgegriffenen Soldaten kamen nach Villach und wurden

nach weiteren zwei Tagen von den Engländern endgültig in die

Heimat entlassen.

Naz kam am 8. September

1945 – drei Wochen nach seiner

Entlassung aus der französischen

Gefangenschaft – als nicht einmal

17-Jähriger glücklich nach Hause

und seine Eltern konnten den

Hoferben in ihre Arme schließen.

Thurns

jüngster Kriegsteilnehmer erinnert sich

Erkennungsmedaille.

Identitätsausweis von Ignaz

Huber aus dem Jahre 1947.

Auszüge aus dem Soldbuch aus dem Jahre 1944.