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‘s Blatt‘l
Dezember 2013
Soziales
Petra Plattner: Freiwilligenjahr in Äthiopien
Drei Monate ist es nun schon her, dass Petra Plattner nach Südafrika aufgebrochen ist, und dort ein frei-
williges Jahr im Dienste der Nächstenliebe verbringt. Über Ersuchen des „Blattl“ hat sie uns einen Bericht
geschickt, in welchem sie ihre Eindrücke von ihrer Wirkungsstätte als Volontärin schildert
Liebe Schlaitnerinnen und Schlait-
ner!
Wie die Zeit verfliegt! 3 Monate bin
ich jetzt schon auf Einsatz in Zway
und kann gar nicht glauben, wie sehr
mir schon alles ans Herz gewachsen
ist.
Anfangs war es für mich gar nicht
so leicht, mit all der Aufmerksamkeit
und den teilweise skeptischen Re-
aktionen der Menschen zurecht zu
kommen. Auch wenn mir klar war,
dass ich hier herausstechen werde
wie ein bunter Hund, ist es doch et-
was anderes, die Rolle der “Auslän-
derin” mal am eigenen Leib zu erfah-
ren. Und obwohl ich mich mittlerweile
schon gut hier eingelebt und bereits
viele Kontakte geknüpft habe, wird
dieses Bild der “reichen Weißen” nie
ganz aus den Köpfen der Menschen
verschwinden. Diese Ansicht ist lei-
der auch berechtigt, da ich im Ver-
gleich zu den Menschen hier einfach
extrem reich bin, zumindest in mate-
rieller Hinsicht.
Auch die Tatsache, dass die Armut
in Österreich etwas ganz anderes
ist als die Armut hier, war für mich
eine harte Erkenntnis. Natürlich sind
auch in unserem Land genügend
Menschen, die am Existenzmini-
mum leben und sich durchschlagen
müssen,doch gibt es Dank unseres
Sozialsystems immer die Möglich-
keit, Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Anfangs war es gar nicht so leicht,
an Kindern ohne Kleidung oder an
Lehmhäusern mit nur einem Zimmer
für 10 Personen vorbeizu-
gehen und so zu tun, als
wäre es nichts Außerge-
wöhnliches. Mittlerweile
habe ich mich an diesen
Anblick gewöhnt. Trotz al-
ledem ist der Umgang mit
der Armut ein ganz ande-
rer als ich es mir erwartet
habe. Es ist nicht so, dass
die Menschen zufrieden
sind mit ihrer Situation
und nichts daran ändern
wollen, doch sie geben
nicht auf und versuchen,
anstatt sich zu beschweren, das Be-
ste daraus zu machen.
Vor allem ist es den Menschen hier
wichtig, dass mit Äthiopien nicht nur
Hunger und Armut assoziert wird,
sondern auch ihre vielfältige und rei-
che Kultur, auf die sie äußerst stolz
sind.
Eine für mich besonders faszi-
niernde Facette dieser Kultur ist die
Bewegung zur Musik, die hier einen
extrem hohen Stellenwert einnimmt.
Sogar die 15-jährigen pubertie-
renden Burschen, die im Unterricht
kein Wort herausbringen, werfen sich
voller Enthusiasmus und Selbstver-
trauen auf die Tanzfläche, ohne sich
darum zu kümmern, was die anderen
denken.
Wahrscheinlich ist dieses Ta-
lent jedem hier in die Wiege gelegt,
denn selbst die 6-jährigen Mädchen
schwingen ihre Schultern und Hüften
mit einer Begeisterung und Individua-
lität, dass ich nur noch staunen kann.
Besonders schön ist die Gemein-
schaft und Zugehörigkeit, die beim
gemeinsamen Tanzen aufkommt und
sogar zwei “ferenchi” (Weiße) mit ih-
ren kümmerlichen Bewegungen das
Gefühl gibt, am richtigen Platz zu
sein.
Diese absolute Überzeugung und
Sicherheit, welche die Äthiopier beim
Tanzen zeigen, spiegelt sich auch
in ihrem Glauben ganz stark wider.
Hier wird man niemanden finden, der
behauptet “ich glaube an nichts!”, da
so etwas für die Menschen einfach
unvorstellbar ist. Egal ob Katholisch,
Evangelisch, Orthodox oder Islam,
jeder hat hier seine Religion und lebt
seinen Glauben voller Überzeugung,
ob alt oder jung, arm oder reich.
Während in unserem Land, beson-
ders bei der Jugend, mittlerweile
der Trend herrscht, an “nichts” zu
glauben, so erlebe ich hier das ab-
solute Gegenteil. Die Jugendlichen
stehen nicht nur voller Stolz zu ihrem
Glauben, sondern drücken ihre Über-
zeugung auch auf vielfältigste Weise
aus. Sei es ein Kreuz um den Hals,
ein Mutter-Gottes-Anstecker an der
Brust, Jesus als Profilbild auf Face-
book, oder gar ein tätowiertes Kreuz
am Oberarm.
Auch das gemeinsame Gebet wird
so gut wie bei jedem Zusammenkom-
men eingebracht, als Guten-Morgen-
Gebet in der Schule, als Nachmit-
Mit-Volontärin Judith und Petra strahlen mit den
Kindern um die Wette
„...wie sehr mir schon alles ans Herz
gewachsen ist.“
Unterricht vor allem in „English Con-
versation“ in Primary- und Junior-
School.