Seite 17 - Gemeindezeitungen

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Juni 2013
‘s Blatt‘l
Seite 17
Chronik
Geschichte unserer Kirchenglocken
Firma Graßmayr ein neues 5-stimmi-
ges Geläut in der Stimmung es/g/b/c/
es anzuschaffen. Am Sylvestertag
dürfte noch unverhofft Geld in der
Gemeindekassa verblieben sein, so-
dass der Gemeinderat ohne voraus-
gehende Beratung in lediglich einer
Sitzung über eine solch große An-
schaffung entscheiden konnte.
Und das fünfstimmige Glockengeläu-
te, das sogenannte „Salve-Regina-
Motiv“ mit verdoppeltem Grundton ist
nach alten Beschreibungen wirklich
meisterhaft gelungen. Sowohl der
Ton als auch die reichen Verzierun-
gen gaben Anlass zum Schwärmen.
Leider gibt es kein Fotomaterial von
der
Glockenweihe im Jahre 1926
.
Dafür finden sich in den Chronikun-
terlagen einige Zeitungsausschnitte
zu diesem Thema. In einer Bezirks-
zeitung wurde damals sogar be-
hauptet, dass die Schlaitner bereits
das dritte Geläut’ nach dem Kriege
angekauft haben und diese Geldver-
schwendung nicht zu verstehen sei.
Diese Kritik wollten die Schlaitner na-
türlich nicht auf sich sitzen lassen, da
es sich tatsächlich erst um das zwei-
te Geläut handelte und mittels Leser-
brief schrieb man damals ziemlich
scharf zurück:
Die Schlaitner bewahren trotz die-
ser Kritik die Seelenruhe, einmal
deshalb, weil Geld schon früher
hinausgeworfen wurde, also die
Schlaitner diese Mode nicht erfun-
den haben, zweitens, weil andere
zu anderen und nicht besseren
Zwecken noch mehr Geld hinaus-
geworfen haben und immer noch
mit vollen Händen hinauswerfen,
drittens, weil besonders die Her-
ren Sozi den armen Proletariern
noch viel tiefer in den Sack grei-
fen, als die Schlaitner in ihre Ge-
meindekasse, viertens, wie einmal
ein lustiger Pustererbui gesagt,
gehört mein Geldbeutel mir und
geht meinen Nachbarn nichts an,
und fünftens haben die Schlaitner
auch für viele andere gemeinnüt-
zige und gute Zwecke stets eine
offene Hand, was ihnen natürlich
auch keinen Unsegen bringt.“
Natürlich wird diese Anschaffung
auch bei den Gemeindebürgern nicht
ganz ohne Diskussionen abgegan-
gen sein. Ein Leserbrief im Tiroler
Volksboten vom 26. März 1926 zeigt
auf, dass man nicht alles gar so ernst
nehmen sollte:
„Der neue Glockenstuhl steht nun
schon einige Zeit fix und fertig da.
Meister Opperer aus Oberlienz hat
ihn auch wirklich meisterhaft her-
gestellt. Alles schön und recht;
doch mit dem Holze des alten
Glockenstuhles wusste man lan-
ge nicht was anfangen. Nun hat
man’s heraus.
Mit dem Material soll nämlich auf
dem Guggenbichl eine Radio-
Empfangs- und Sendestation
errichtet werden. Mit dem über-
schüssigen Material sollen zwei
Leuchttürme erbaut werden, wo-
von einer auf dem Lotterstein, der
andere auf dem Weiberleutseck in
Göriach erstehen soll. Das erste
Projekt fand allseits begeisterte
Aufnahme, das zweite musste je-
doch infolge einer stürmischen
Protestkundgebung der wohlor-
ganisierten Gasselbuben wieder
fallen gelassen werden.“
Eineinhalb Jahrzehnte später ver-
wandelte sich Ironie und Stolz in Wei-
nen und Wehklagen. Der damalige
Pfarrer Bruno Handle beschreibt die
Vorgänge um die Glockenabnahme:
„Am Tag des Hl. Sebastian - ver-
lobter Feiertag der Gemeinde – am
20. Jänner 1942 haben die Glocken
noch einmal die Gläubigen zum
Hl. Segenamt gerufen; zum letz-
ten Mal erklang die Große Glocke
zur hl. Wandlung und nach dem
Amt wurden all die Glocken noch
einmal kurz geläutet.“
Zeitzeugen
erzählen, dass viele Kirchgänger
ihre Tränen nicht mehr zurückhalten
konnten.
„Dann gingen die Arbeiter
an ihr Werk – da ertönte noch ein
letztes Mal der schöne, tiefe Klang
der großen Glocke, um dann für
immer zu verstummen.
Am 20. Jänner 1942 abends um
5 Uhr wurde als erste die Ave-
Glocke – die Marien-Glocke vom
Turme herabgelassen. Am 21. Jän-
ner 1942 vormittags folgten die
Josefsglocke (Sterbeglocke) und
die Meßglocke; nachmittags um 3
Uhr die Kriegerglocke und abends
um 5 Uhr die Große. Am nächsten
Tag wurde die Glocke von Göriach
geholt, nachmittags wurden die
einzelnen Glocken verladen und
am Freitag, den 23. Jänner 1942,
während der Hl. Messe, wurden
die Glocken fortgeführt.“
Geblieben ist nur die kleine Glocke
von Göriach, die auch schon im 1.
Weltkrieg geblieben war; und diese
wurde dann auch von Göriach wie-
der nach Schlaiten gebracht, wo sie
schon vor dem Weltkrieg 1914 war.
Besonders liebliche Erinnerungen
fand Pfarrer Handle für die Ave-Glo-
cke – der Gottesmutter geweiht:
Das ganze Geläute war schön,
insbesondere war es die Ave-Glo-
cke, die weithin über Berg und Tal
hinaus gehört wurde und hinein-
läutete in die Häuser und Herzen
der Menschen – grüßt Maria, Eure
Himmelskönigin und Eure Mutter,
eure Schutzfrau und Herrin mit
dem Gruß aus Engelsmund, dem
ewig schönen Gruß: Ave Maria!
Sie trug das Bild der Gottesmut-
ter (Herz Maria u. Maria Verkündi-
gung) und den Spruch: Beim Mor-
gen- und beim Abendstern und in
des Tagesmitte, grüß ich die Mut-
ter unseres Herrn mit flehentlicher
Bitte: Ave Maria! – Diese Glocke
wurde beim Betläuten weithin bis
zum obersten Hof in Gwabl ge-
hört.“
Sowohl klanglich als auch optisch gab
das Graßmayr-Geläute aus dem Jahre
1926 Anlass zum Schwärmen.