Seite 31 - Gemeindezeitungen

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Seite 31
• Dezember 2013
Chronik
Erdäpfelpüree und Sauerkraut auf den Tisch. Alle waren
glücklich und zufrieden und ließen sich das Christtagsessen
gut schmecken. Doch auf einmal begannen die gefrorenen
Fenster zu zittern und ein zartes Singen und Klirren ging
durch die Stube. Das Tischgespräch verstummte, der
eine schaute den anderen fragend an. Was ist das? Ein
Blick durch die Fenster brachte die Antwort. Über dem
Steinmannl (heute Heimkehrerkreuz) kam ein Geschwader
feindlicher Flugzeuge. Wie große silbern glitzernde Vögel
überquerten sie langsam das Tal. Ihr dumpfes Dröhnen ließ
ahnen, dass sie mit viel schwerer, verheerender Last beladen
waren. Wir falteten die Hände: „In Gottes Namen, es wird
wohl doch nichts passieren?“ Schon ein Notabwurf hätte
viel Schaden anrichten können. Alle haben aufgeatmet,
als die schweren Bomber über dem Thurntaler unser Tal
verließen. Aber in Abständen von rund 20 Minuten kamen
noch zwei Geschwader nach. Gleich langsam und lärmend
wie die ersten Flugzeuge überflogen sie das Tal. Während
eines Fliegeralarms haben schon vorher oft mehrere
Flugzeuge unser Tal überquert. Aber noch nie so tief, so
bedrohend, wie heute am Christtag. Unsere Mutter war
ängstlich besorgt um uns Kinder. Sie fürchtete sich, dass
bombardiert wird und wir flüchten müssten. So packte
sie während des zweiten Überflugs für uns Kinder das
Notwendigste zusammen und brachte alles auf die Bank
hinter dem Haustor. Jeden Christtag in ihrem weiteren
Leben erinnerte sie sich an diesen verhängnisvollen
Weihnachtstag und jedes Jahr stellte sie sich selber die
Frage: „Wenn wirklich Bomben gefallen wären, wohin
wäre ich denn mit sieben kleinen Kindern während eines
Fliegerangriffs aus dem Haus, in den tiefen Schnee, mitten
im kalten Winter gegangen?“ Und dann erinnerte sie sich
wieder an den 27. Februar 1945. Damals schlugen die
ersten Bomben um den Bahnhof von Sillian ein. „Da sind
wir im Haus geblieben und waren dort noch am sichersten,
wenn auch in großer Lebensgefahr“. So lautete die eigene
Antwort auf ihre Fragen.
Am Nachmittag kamen dann alle drei Geschwader in
gleichen Abständen zurück, aber höher, schneller und
weniger lärmend. Wo haben sie ihre todbringende Last
abgeworfen? Wie viele Menschen wurden dadurch getötet,
wie viele Häuser zerstört, wie vielen Familien ohne
Wohnung wurden noch zusätzlich Armut, Not, Ängste und
Sorgen gebracht. Und das alles an einem Christtag. Nach
dem Rückflug wurde auch bei uns Entwarnung gegeben.
Wie lange wir Schüler Weihnachtsferien hatten, weiß
ich nicht mehr. Jedenfalls am Dreikönigstag sind wir
wie jeden Werktag in die Schule gegangen. Damit alle
Leute, die an diesem Festtag ihrer werktäglichen Arbeit
nachgehen mussten, auch die Möglichkeit hatten, zu einem
Gottesdienst zu kommen, wurde das Hochamt schon um
6.30 Uhr gefeiert. Unser Herr Lehrer war Organist und um
8.00 Uhr hatte auch er die Pflicht, bei seinen Schülern in
der Schulklasse zu sein.
Das war die letzte Kriegsweihnacht in unserem Land, in
unserer Heimat. Vergessen wir doch nicht, dafür wieder
einmal einen Dank nach oben zu senden. Und bitten wir
Gott im Himmel auch um Frieden für alle Menschen auf
Erden!
Text und Fotos: Maria Duracher
Beim Fliegerangriff, am 27. Februar 1945, fielen die ersten Bomben und schlugen zwischen Bahnhof und Asthof ein. Durch den
Luftdruck gingen alle Fenster zu Bruch, die Häuser wurden beschädigt und waren nicht mehr bewohnbar. Wir mussten flüchten
und sind bei den Verwandten in Außervillgraten aufgenommen worden. Das war unsere Lebensrettung.
Die alten Asthöfe – Fotos – links hinten Kraler Asthof/vorne: Leiter Asthof
Beide Häuser sind beim Tieffliegerangriff, am 3. März 1945, mit Bordwaffen angezündet worden. Mit den Häusern sind je 9 Stück
Rindvieh und einige Hennen lebend verbrannt. Auch das Hausinventar wurde ein Raub der Flammen. Menschenleben waren nicht
zu beklagen.