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FODN - 54/02/2013
Menschen
Senner Günther mit Gehilfen Ulrich
schon am 3. Tag das halbe Dorf kannte.
Ich hatte das Glück, dass ich da mit Leu-
ten in Kontakt kam, die mich dann qua-
si weitergereicht haben und mich mit
vielen Kalsern bekannt gemacht haben.
Da war immer wieder eine große Herz-
lichkeit, die mir da widerfahren ist. Ich
kann das gar nicht oft genug betonen, so
eine großartige Sache war das für mich.
Aber dieses Suchen, dieses Entschleu-
nigen, wie geht das eigentlich - kein
Telefon, kein Internet, nicht dieses
Nachgucken, habe ich jetzt eine E-Mail
gekriegt oder kommt da jetzt noch was,
was ist mit dem, das hat mich am An-
fang schon beschäftigt. Ich habe auch
bewusst auf meine Mobilbox draufge-
sprochen, dass ich bis zum 25. August
nicht erreichbar bin, ich aber allen
eine schöne Zeit wünsche. Und das ist
ein ganz wesentlicher Punkt: das man
den Anderen kundtut, du, ich bin jetzt
nicht da, wünsche dir aber trotzdem
eine schöne Zeit und alles kann nachher
auch noch geregelt werden.
Ich habe mich ja komplett ausgeklinkt
aus Familie, aus Beruf, aus meinem
Freundeskreis, einfach aus Allem mit
dem ich sonst in Kontakt bin. Man kann
mich hier nicht einmal per Post errei-
chen, und ich muss mich daher mit gar-
nichts auseinandersetzen, sondern die
müssen sich mit mir auseinandersetzen
oder können sich mit mir dann ausein-
andersetzen. Aber dieses Phantastische
in der Bergruhe einfach so in sich zu
gehen, so nachzudenken, alles hoch-
kommen zu lassen - das ist schon und
ist immer noch gigantisch.
Die Landwirtschaft
Ich bin gelernter Landwirt und habe
auch meinen Landwirtschaftsmeister
gemacht und habe auch 10 Jahre täglich
in einem Betrieb gearbeitet. Aus organi-
satorischen Gründen bin ich dann um-
geschwenkt und habe meinen Gewerbe-
betrieb aufgebaut.
Die Landwirtschaft bei uns in Nord-
deutschland hat ja ganz andere Dimen-
sionen und ist völlig was anderes, das
sind ganz unterschiedliche Aspekte. Ein
Vergleich zu der Almwirtschaft hier im
Tal ist sehr schwierig. In Norddeutsch-
land ist es eine rein betriebswirtschaft-
liche Ausrichtung aber hier hat es auch
eine immense kulturelle Ausrichtung,
auch für den gesamten Tourismus.
Aber ich möchte noch etwas anderes
ansprechen, nämlich die Tatsache, dass
man vielleicht diese Aspekte deutlich
mehr nutzen könnte! Dass man solche
„Therapiezentren ohne ausgebildetes
Personal“ wirklich etablieren könnte -
als Refugien in die sich Leute zurück-
ziehen können. Die Alm funktioniert
ja, die funktioniert auch ohne mich. In
dem Moment in dem ich dazukomme
und täglich mitwirke, ist es für die Alm-
wirtschaft zwar etwas einfacher – das
ist aber auch schon alles. Aber für mich,
der darüber nachdenkt, was mache ich
mit mir, was will ich eigentlich mit
mir, ist dieses unglaubliche Ambiente
ein wunderbares Geschenk. Ich bin mir
sicher, dass so etwas durchaus Zulauf
haben würde, besonders wenn man sol-
che Täler hat wie hier. Aber - das sind
keine Massenaktionen die da stattfin-
den können, wo man sagt, ich muss jetzt
50 Leute da beherbergen, das wird es
nicht sein. Aber man sollte das auch so
propagieren – mach mal eine Auszeit,
nutze das Ambiente hier. Wenn diese
Möglichkeiten entsprechend feinfühlig
kommuniziert würden, dann würde das
auch funktionieren.
Schlechtes Gewissen oder Zweifel?
Ich habe in den letzten Wochen nicht
ein einziges Mal an meinem Entschluss
hier zu sein gezweifelt und hatte auch
nie ein schlechtes Gewissen. Es sind
zwar durchaus manchmal dunkle Stun-
den gekommen, wo ich meine Nächsten
gerne um mich gehabt hätte, aber das
war dann relativ schnell wieder vorbei,
weil es ganz einfach viele Aktivitäten
hier gibt, ob Wandern, ob Gespräche
oder ob es die Arbeit ist.
Diese Atmosphäre, diese Berge, man
merkt dann auch wie klein und bedeu-
tungslos man gegenüber diesen Monu-
menten ist. Sicher, bedeutungslos ist
man nicht, jeder hat seine Bedeutung
und jeder hat seine Berechtigung und
sein Dasein in der Welt und es soll auch
keiner fehlen. Das darf man aber nicht
verwechseln mit dem Gefühl, nirgend-
wo fehlen zu DÜRFEN. So war ich
vor meiner Zeit hier ja auch: jemand
der sagte, es geht nicht ohne mich, es
funktioniert nicht ohne mich, ich muss
präsent sein, ich muss entscheiden, ich
muss dies machen, ich muss das ma-
chen.
Mein Leben danach
Wenn ich nach dieser Erfahrung wie-
der zurückkomme, wird mein Leben ein
völlig ein anderes sein. Ich werde auch
anderen Leuten so etwas zugestehen,
werde sagen, mach das einfach, nimm
dir eine Auszeit. Ich denke, dass das
auch in meine Firmenkultur mit ein-
fließen wird, dass ich allen Leute auch
die Chance gebe, mal Luft zu holen und
auch mal durchzuatmen und zu sagen,
ich mach mal eine Auszeit. Regeln kann
man das immer irgendwie, da bin ich
mir sicher. Dafür muss man aber um-
denken - denn wenn man meint, man
muss immer, dann kann man das auch
nicht regeln.
Sicher, als Firmeninhaber habe ich
den Vorteil, dass ich mir da ein stück-
weit mehr rausnehmen kann als ein Mit-
arbeiter. Mitarbeiter sind ja nicht ein-
fach Arbeiter, sondern MITarbeiter. Die
arbeiten mit, mit mir zusammen, mit
dem Unternehmen zusammen, mit der
Philosophie zusammen und ich denke,