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CHRONIK

PUSTERTALER VOLLTREFFER

SEPTEMBER/OKTOBER 2016

26

Südtirols Suizidrate (Suizide

pro Jahr und 100.000 Einwoh-

ner) ist seit Jahrzehnten doppelt

so hoch wie jene Italiens, und

deutlich höher als jene der

Nachbarprovinz Trentino. „Sie

erreichte 1990 einen traurigen

Höchststand, als sich im

Vinschgau mehrere junge Män-

ner immer auf die gleiche

Weise das Leben nahmen“, so

Pycha. Aus internationalen Stu-

dien weiß man, dass die Häu-

figkeit der Suizidversuche

nochmals mindestens acht bis

zehn Mal so hoch ist. Das sind

ein bis zwei Suizidversuche

täglich in unserem Land.“ Ex-

plizite Zahlen aus dem Südtiro-

ler Pustertal werden aktuell

nicht festgehalten, aber die

letzte Studie von 1994 bis 2003

zeigte auf, dass das Pustertal im

Bezirksvergleich die höchste

Selbstmordrate Südtirols hat,

nämlich 15,3 – somit jährlich

elf bis zwölf Tote.

Gründe

Die Häufigkeit der Suizide

wächst mit zunehmendem

Alter, mit ungewollter Ein-

samkeit (Scheidung, Witwen-

dien und China. „Möglicher-

weise ist die eher ‚weibliche’

Haltung, Probleme durch Bera-

tung im Gespräch mit anderen

zu lösen, statt durch vorschnelle

Taten, ein solcher Schutzfak-

tor“, erklärt Pycha. Auch ließen

sich Frauen eher und öfter hel-

fen als Männer.

Vorbeugung

Die Suizidvorbeugung sei je-

denfalls von großer Bedeutung.

Das heißt, kompetente Be-

handlung, ein nahes Netz an

Einrichtungen und Angeboten

für psychisch Kranke, und

wirksame Vorbeugung von De-

pression und Alkoholismus

40 bis 60 Personen ver-

üben jährlich in Südtirol

Suizid. „Das bedeutet

mindestens ein Toter

durch Suizid pro

Woche“, bedauert Dr.

Roger Pycha, Primar

des Psychiatrischen

Dienstes im Kranken-

haus Bruneck. Er pocht

mit aller Vehemenz auf

Suizidvorbeugung.

Hilfe bei Suizid-

gefahr

Die besten Anlaufstellen für

Menschen in Suizidgefahr sind

zu jeder Tages- und Nachtzeit

die Ersten Hilfen der Kranken-

häuser Bozen, Meran, Brixen

und Bruneck, an denen ein lü-

ckenloser psychiatrischer Be-

reitschaftsdienst besteht. Aber

auch die Zentren Psychischer

Gesundheit und Psychologische

Dienste, die Hausärzte, privat

arbeitende Psychiater und

Psychologen sind bestens auf

schwere seelische Krisen vor-

bereitet. Telefonberatung wird

von „young and direct“ für

junge Leute unter Tel. 0039/

0471-970950, von „telefono

amico“ in beiden Landesspra-

chen unter Tel. 0039/0471-

288328 und von der Telefon-

seelsorge der Caritas rund um

die Uhr (Tel. 840000481) in

deutscher Sprache angeboten.

Exzellente Beratung auch hin-

sichtlich der Teilnahme an

Selbsthilfegruppen gewähren

die Selbsthilfevereinigung psy-

chisch Kranker „Lichtung/Gira-

sole“ (Tel. 0039/0474-530266)

und der Verband der Angehöri-

gen psychisch Kranker (Tel.

0039/0471-260303).

„Suizidvorbeugung ist von gro

stand), in schweren persönli-

chen, wirtschaftlichen, politi-

schen Krisen und bei unheilba-

ren körperlichen Krankheiten.

„Am häufigsten werden Suizide

jedoch bei Depressionen be-

gangen. Doch gerade dort ist

die Heilungswahrscheinlichkeit

sehr hoch. Nur 15 bis 20 Pro-

zent aller Depressionen sind

unheilbar. Das heißt, es helfen

weder Psychotherapie, Medi-

kamente oder andere Behand-

lungen“, so Pycha.

Die meisten psychischen Er-

krankungen würden im Übri-

gen zwischen dem 30. und 40.

Lebensjahr entstehen. Fast

überall auf der Welt würden

Männer ein deutlich höheres

Suizidrisiko tragen, außer in In-

Ein Leben in enger Familienbindung kann vor Suizid schützen.

Psychiater Primar Dr. Roger

Pycha.

Am häufigsten werden Suizide bei Depressionen begangen, doch

gerade dort ist die Heilungswahrscheinlichkeit sehr hoch.