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Und beide Chöre lenkt ein Wille,
führt sie mit sichrer, kluger Hand.
Nur der kennt wohl die Arbeitsfülle,
der selber schon vor Sängern stand.
So sind die 40 Jahr vergangen.
Wer zählt der Stunden Müh und Glück,
wenn freudig glühten Mädchenwangen
und alle folgten einem Blick?
Habt Dank für Spiele und Gesänge!
Ihr schenktet uns so manche Freud.
Reicht innig heute euch die Hände
zum Jubeljahr im Festtagskleid.
Der letzte Höhepunkt, allerdings
durchaus kein erfreulicher, fiel auf den 8.
Dezember 1993. Die nahe, schwere Er-
krankung nicht ahnend, dirigierte Frau Dir.
Graser an diesem Tag zum letzten Mal den
„Graser Chor“.
Die „Graser-Chöre“ – kulturelles
Aushängeschild der Stadt Lienz und
Botschafter des Bezirkes
Mannigfaltig und reich an Höhepunkten
waren auch die „weltlichen“ Auftritte der
Chöre. Sie waren zu ihrer Zeit aus dem
Kulturleben der Stadt Lienz, in Osttirol
und weit darüber hinaus nicht wegzuden-
ken.
So beteiligte sich der Kinderchor von
1956 bis 1989 elfmal an den Bezirks-
jugendsingen, die in der Regel alle drei
Jahre in Lienz bzw. österreichweit statt-
fanden. Im Jahre 1965 machte Irmgard
Graser sogar mit drei Chören mit: mit dem
Kinderchor (80 Kinder!), einem Klassen-
chor der Mädchenhauptschule Lienz und
einer Singgruppe des SOS-Kinderdorfes
Lienz/Debant. Ein Zeugnis der ungeheu-
ren Vitalität der Chorleiterin!
Insgesamt achtmal erhielten die Chöre
die Auszeichnung, an dem den Bezirks-
jugendsingen folgenden Landesjugend-
singen in Innsbruck teilzunehmen. Das
letzte Mal im Jahre 1983.
Bei zwei dieser Landesjugendsingen
war Irmgard Graser mit ihren Chören be-
sonders erfolgreich: einmal im Jahre
1968, wo sie vor allem wegen ihrer her-
vorragenden Leistung als Chorleiterin auf-
fiel und als Auszeichnung die Einladung
erhielt, als Gastchorleiterin beim Bundes-
jugendsingen in Linz mitzuwirken und
zum zweiten Mal, als im Jahre 1971 die
Leistung des Kinderchores so hervor-
ragend war, daß er sich für das Bundes-
jugendsingen in Eisenstadt qualifizierte.
Sicher einer der Höhepunkte im „Le-
ben“ der „Graser-Chöre“ war die ehrende
Einladung zur Teilnahme am Europäi-
schen Musikfestival für die Jugend in
Neerpelt/Belgien im Jahre 1970, bei dem
sich die Sängerinnen unter 105 Chören mit
5.000 Teilnehmern einen „Ersten Rang“
ersangen (92 von 100 möglichen Punkten).
Die Chorleiterin persönlich wurde vom
belgischen Kultusministerium mit der Me-
daille „pro musica“ ausgezeichnet. Noch
zweimal erfolgte eine Einladung zum sel-
ben Fest. Beidesmal mußte wegen der
übergroßen Strapazen für die Kinder
schweren Herzens abgesagt werden.
Chronologische Abfolge weiterer
besonderer Aktivitäten des Chores:
Im Jahre 1959 erhielt der Kinderchor die
Einladung, bei der musikalischen Gestal-
tung des Films „Wo die Alpen glühn“ mit-
zuwirken. Außenaufnahmen auf einer
Wiese erbrachten ein Honorar von 300 S.
Auch der ORF war an den Liedern der
Chöre interessiert. Eine ganze Reihe von
Liedern wurden von ihm aufgenommen. So
hat auch der ORF dazu beigetragen, daß die
Chöre in ganz Österreich bekannt wurden.
1966 erging an Frau Dir. Graser und
ihren Kinderchor von seiten des damaligen
Vorstandes der Lienzer Verkehrsbüros,
Herrn Hans Lauchert, bei der Fernsehsen-
dung „Was sieht man Neues“ von und mit
Heinz Conrads im Schloß Bruck mitzu-
wirken.
Großer Beliebtheit und Wertschätzung er-
wiesen sich auch die vielen Aufführungen
von Theaterstücken, Krippenspielen und
Bunter Abende im Kolpinghaus Lienz und
im Pfarrsaal der Klosterkirche St. Marien.
Besonders eng und innig waren die stän-
digen Kontakte mit den wichtigsten So-
zialeinrichtungen des Bezirkes: dem Sozi-
alzentrum der Lebenshilfe Osttirol, bei
dessen Eröffnung im Jahre 1982 durch
Bundespräsident Dr. Rudolf Kirchschläger
der Chor beim Empfang des Präsidenten
am Bahnhof und dem anschließenden
Festakt mitwirkte. Im Bezirksaltenheim
Lienz und im SOS-Kinderdorf waren die
„Graser-Chöre“ ein fester Bestandteil bei
Feierlichkeiten aller Art.
Gerne bereiteten sie den alten Menschen
im Bezirksaltenheim mit ihren Gesängen –
gerade auch zur Weihnachtszeit – Freude.
Nicht wegzudenken waren die „Graser-
Chöre“ aus dem Kulturleben der Stadt
Lienz. Immer wieder wurden sie zur Ge-
staltung von Festen und Feiern, so z. B.
beim Empfang des Bundespräsidenten Dr.
Kurt Waldheim anläßlich der 750-Jahr-
Feier 1992, eingeladen.
Für den langjährigen Kulturreferenten
der Stadt Lienz und Direktor des Bundes-
realgymnasiums, Vize-Bgm. HR Paul Un-
terweger waren die „Graser-Chöre“ eine
fixe Größe und für ihn eine große Hilfe,
wenn es galt, kulturelle Veranstaltungen
musikalisch zu umrahmen.
Hofrat Paul
Unterweger selbst meint dazu:
„Es gab
mehrere Anlässe in meiner 30jährigen
Tätigkeit als Kulturreferent der Stadt
Lienz, das vorbildliche und auch musiker-
zieherische Wirken der Frau Oberschulrat
Irmgard Graser zu würdigen und ihr für ihr
unermüdliches jahrzehntelanges Engage-
ment zu danken.
Besonders bei den Jubiläumskonzerten
(vom 25jährigen bis 40jährigen) bot sich
die Gelegenheit zu dieser verdienten
öffentlichen Anerkennung.
Denn es dürfte wohl eine Besonderheit
sein, daß sich jemand über vier Jahrzehn-
te lang einer solchen Aufgabe mit solcher
Hingabe widmet, wie dies die ausgezeich-
nete Pädagogin in unserer Stadt getan hat.
Seit 1949 war sie Leiterin des von ihr
gegründeten Kinderchores St. Marien, des-
sen Aufgabe zunächst die Verschönerung
kirchlicher Feiern in der Franziskanerkir-
che war. Aber bald gehörte die Teilnahme
an verschiedenen Veranstaltungen zum er-
weiterten Aufgabenbereich des Kinderen-
sembles. Es wirkte eifrig bei unterhalten-
den (Kinderfasching) wie bei schulischen
Veranstaltungen (Bezirks-, Landes- und
Bundesjugendsingen) und war gern gese-
hener und gehörter Gast bei verschieden-
sten Festlickeiten.
Und bei all diesen Auftritten merkte man
den Kindern die Freude am Singen an, die
Begeisterung, die sich offensichtlich von
der Dirigentin auf die jungen Sänger über-
trug. Man spürte, diese Frau sah in der ge-
sanglichen Heranbildung der Kinder eine
Lebensaufgabe. Denn es mußten ja immer
wieder neue Jahrgänge ,herangezogen‘
werden. Und gerade in dieser Kontinuität
bewährte sich ihr erstaunlicher Idealismus.
Und die Sangesfreude wirkte weiter.
Dem Kindesalter entwachsen, bewahr-
ten sich junge Sängerinnen ihre Liebe zum
Singen und schlossen sich 1969 zu einem
Mädchen- bzw. Damenchor zusammen.
Diese neue Singgemeinschaft gab sich den
Namen ihrer Mentorin und nannte sich
,Graser-Chor‘. Mit diesen beiden Chören
trug Frau Graser unverwechselbar zum
Lienzer Kulturleben bei. Dies war umso
wertvoller, als ja die Förderung der Eigen-
initiativen in einer Zeit gesteigerten passi-
Nummer 9 — 63. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
25-Jahr-Feier im Lienzer Stadtsaal; Gratulation durch den Kulturreferenten der Stadt
Lienz, HR Dir. Paul Unterweger.
Foto: Baptist, Lienz