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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
63. Jahrgang — Nummer 9
Der Anlaß hiezu war ein Krippensingen
am 23. Dezember 1949 im Rittersaal von
Schloß Bruck. An diesem Tag entschied
sie sich, mit den an diesem Singen teil-
nehmenden Schülern der Hauptschule
Lienz einen außerschulischen Chor zu
gründen. Man beschloß, der Gruppe den
Namen
„Kinderchor St. Marien“
zu ge-
ben, was ja kein Zufall war, denn der da-
malige Pfarrer des Franziskanerklosters,
Pater Bruno Rupprechter, stellte dem neu-
gegründeten Chor großzügigerweise den
Pfarrsaal als Proberaum und ein Klavier
zur Verfügung. Und dieses Kloster St. Ma-
rien sollte dann auch während des über
40jährigen Bestehens des Chores zur
Heimstatt für ihn werden. Nicht selten war
der Proberaum fast zu klein, denn zeit-
weise wuchs der Chor auf 70 und mehr
Sängerinnen an.
Hunderte von Kindern wohl mag die
Chorleiterin im Laufe der 40 Jahre in den
Chor aufgenommen und ausgebildet haben
und ebenso viele sind aus Altersgründen
wieder ausgeschieden. Doch die Verbun-
denheit zum Chor und die Freude am Ge-
sang erlitt dadurch keinen Abbruch. Und
so war es eigentlich keine Überraschung,
daß sich im Jahre 1969 ca. 40 ehemalige
Sängerinnen des Kinderchores zusam-
menfanden, um wieder gemeinsam zu sin-
gen. Frau Dir. Graser erklärte sich mit
Freuden bereit, ihre ehemaligen Sängerin-
nen musikalisch zu betreuen. Unter dem
Titel
„Damenchor“
stellte sich der neue
Chor der Öffentlichkeit vor. Bald wurde
die
Benennung
„Damenchor“
in
„Mädchenchor“ umgewandelt. Da aber im
Laufe der jahre nicht zu verhindern war,
daß aus Mädchen doch auch Ehefrauen
wurden, wurde beschlossen, den Chor auf
„Graser-Chor“
umzutaufen.
Kirchliche Aktivitäten der
„Graser-Chöre“
Eine ihrer Hauptaufgaben sahen der
„Kinderchor St. Marien“ und später die
„Chöre“ in der musikalischen Gestaltung
von religiösen Festen und Feiern, vor allem
in der Klosterkirche, aber auch in den an-
deren Kirchen der Stadt und deren Umge-
bung. Ungezählte Messen und Fest-
gottesdienste, vor allem in der Weihnachts-
und Osterzeit, aber auch Marienfeste und
Erstkommunionfeiern wurden musika-
lisch umrahmt. Besondere Verdienste er-
warben sich die „Chöre“ in der Gestaltung
von Mai- und Kreuzwegandachten. Fast
unvorstellbar für die heutige Zeit ist die
Tatsache, daß die Mädchen über Jahre bei
diesen Andachten wöchentlich einmal
mitwirkten. Dies allein gibt Zeugnis für die
„Größe“ der Chormeisterin, die es ver-
stand, in einer nicht leichten Zeit junge
Menschen so zu führen und zu begeistern,
daß es für sie fast eine Selbstverständlich-
keit war, dieser Aufgabe nachzukommen.
Als sich in den frühen 70er Jahren das
„Herz-Jesu-Kirchl“ in der Peggetz in Er-
mangelung eines eigenen Chores um einen
Gastchor für die Gestaltung der Mitter-
nachtsmette bemühte, erklärte sich der
Mädchenchor wie selbstverständlich bereit,
diese Aufgabe zu übernehmen. Und diese
Gepflogenheit sollte zur Freude der „Peg-
getzler“ die ganzen 70er Jahre über anhal-
ten. Besonders festlich gefeiert wurde das
20-, 30- und 40jährige Bestehen des „Kin-
derchores St. Marien“. Selbstverständlich
fanden diese Feierlichkeiten jeweils dort
statt, wo der Chor seine „Heimat“ hatte – in
der Franziskanerkirche St. Marien.
P. Richard Klotz erinnert sich:
„Von
den über 40 Jahren der Tätigkeit des
Graserchores konnte ich ein Vierteljahr-
hundert ,Zeitzeuge‘ sein. Der Graserchor
war ein wichtiger und fixer Bestandteil des
Musizierens in unserer Klosterkirche.
Die ,gestifteten‘ Termine waren der 8. De-
zember, Weihnachten, Palmsonntag,
Muttertag, weiters in der Fastenzeit der
wöchentliche gesungene Kreuzweg und
im Mai die wöchentliche Maiandacht.
Darüber aber traf’s ein Dutzend Mal bei
Messen zu singen. Natürlich wurde viel
auch in anderen Kirchen gesungen. Denn
was man einlernte, das möchte man auch
anderswo und vor anderen Ohren vortra-
gen. Auch bei vielen Hochzeiten und Ein-
weihungen wurde deren Gesang erbeten.
Über die Tätigkeit außerhalb der Kirchen,
bei Jugend- und Preissingen, oder auch in
Radioaufnahmen, da dürfte anderswo
schon berichtet sein.
Der Graserchor war ein selbständiger,
geschlossener Klangkörper. Selten wurde
mit anderen Chören mitgesungen, oder
auch mit Männerstimmen dazu. Auch
waren die Gesänge meistens a capella, von
einigen Gitarrebegleitungen abgesehen.
Viele Jahre aber hat Leo Salcher bis zu sei-
nem Tod vor etlichen Jahren auf der
Orgel musikalische Assistenz geleistet.
Interessant war auch, daß in den letzten
Jahren etwas Neues dazu kam. Ich schrieb
zu vielen Liedern einen Satz für drei Po-
saunen dazu, und so konnte der Gesang des
Chores erweitert und verschönert werden.
Nicht unerwähnt soll auch bleiben, daß
der Chor viele Stücke eines heimischen
Komponisten brachte: von Gottfried
Brunner. Es war erstaunlich, wie Frau Dir.
Graser den Chor so viele Jahre zu-
sammenzuhalten vermochte. Abgesehen
von etlichen gesundheitlichen Beschwer-
den der letzten Monate strahlte sie nur so
von Schaffenskraft. Auch bis vor einigen
Jahren leitete sie noch zusätzlich den Kin-
derchor, verstand es immer wieder neue
Kinder dazuzugewinnen. Ich erinnere
mich an frühere Zeiten, wo so vieles auch
gesungen wurde bei den Seniorennach-
mittagen, bei den Krippenspielen, bei den
Faschingsveranstaltungen. Sie verstand es
meisterlich, Kindern schöne Gedichte
und Sprechtexte beizubringen. Es waren
oft sehr gelungene Darbietungen.
Eine ,Legende‘ war es, ein sehr bekann-
tes Wort der ,Graserchor‘. Und viele Gläu-
bige waren immer wieder erfreut und
dankbar, die feinen Stimmen zu hören.
Wenn jetzt der Chor weiterlebt als
,Frauenchor St. Marien‘, so kann man nur
wünschen, daß die gute alte Tradition er-
halten bliebe.“
Anläßlich des 40. Geburtstages (1989)
widmete der bekannte Osttiroler Lehrer,
Dichter und Komponist, Gottfried Brun-
ner, dem Jubilar ein Gedicht unter dem
Titel „40 Jahre für uns gesungen“:
Vor 40 Jahren ward geboren
ein Musenkind, so jung und schön
und trat ins Licht am hellen Morgen,
behutsam lernte es das Gehn.
Es konnte bald das Herz bewegen
dies Kind, ein neuer Mädchenchor.
War das ein Lernen, frohes Regen.
Bald drang ein Lied zum Herrn empor.
So hats vor langer Zeit begonnen.
Es wuchs die Zahl der Kinderschar.
man hat es in der Stadt vernommen,
wie tüchtig dieser Chor bald war.
Und all die frohen Kinderstimmen,
sie sangen oft mit Lieb und Freud.
Die Ehre Gottes zu verkünden,
das sind bis heute sie bereit.
Und manches Singspiel war ersonnen
für einen schön geschmückten Raum.
Die Leute gerne sind gekommen,
zu sehen einen Märchentraum.
Und aus den Mädchen wurden Frauen,
die warn den Musen weiters treu,
drum war es richtig aufzubauen,
den Frauenchor, noch jung und neu.
Erste Aufnahme des neu gegründeten Chores, hier noch mit Knaben; vor dem ehema-
ligen Eingang zum Lienzer Franziskanerkloster, 1950.
Unbekannter Fotograf