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mahlen schen sauber gebuzten äneß
28
, so-
dann 1 halb pfundt schenes Mundt Mell
ein löffl voll nach dem anderen in den
Zugger und Eyer gar woll unter einander
gerihrt. Hernach soll man Kleine Zeltl auf
ein mit wol geschmirbtes Torttenblättl
giessen, und also gebachen wans anheben
braun zu werden, mueß mans geschwint
herabschneiden, oder sonst zerbrechen sie
gleich, also ist es recht und gueth“
29
.
Aus einem Lienzer Kochbuch,
1811, Seite 49:
„Die Wienerischen Lözelt.
Nim 3 Viertl
30
abgezogene Mandl hacks
klein als dan reib 9 Loth
31
Niernwerger Le-
zeltn zimet 1 Quindl
32
, – Quintl Nagelein
Musgat blie 1 Quintl, 20 Loth gestöbten
Zucker, daß Gewirtz muß groblet geschni-
ten sein, machs mit 4 Ayrtötter an
streichs Mesßerrucken dück auf Oblet,
mach durchsichtiges Eys darauf, bach
es kiel in einer Torttenpfann. So sein sie
fertig“
33
.
Selbst auf einen kurzen Blick hin ist zu
erkennen, daß es sich bei diesen Gebäcken
nicht um Alltagsgebäcke handelt, sondern
um erlesene Köstlichkeiten von Gaumen-
freuden, die nur zu festlichen Anlässen,
deren es auch früher erklecklich viele gab,
aufgetischt wurden.
Die ganze Herrlichkeit der Alt-Lienzer
Lebzelterei tut sich erst angesichts der auf
uns gekommenen Lebzeltmodel auf.
Diesfalls können wir neben anderen
Stücken auf die ansehnliche Sammlung
aus ehemaligem Sailerischen Bestand
zurückgreifen, die seit langem dem Muse-
um der Stadt Lienz, Schloß Bruck, zuge-
führt ist.
Wer allerdings die Schnitzer all dieser
alten, kostbaren Holzmodel sind, ist
durchwegs ungeklärt. Mag sein, daß das
eine oder andere Exemplar aus der kunst-
fertigen Hand des Lebzeltmeisters
stammt, was sich aus den gelegentlich in
den Formen eingefügten Monogrammen
schließen ließe – der geschickte, kunstsin-
nige Umgang mit Grabstichel und
Schnitzmesser gehörte ja zu seinem
Handwerk (!) – die meisten Model wur-
den jedoch gewiß in seinem unmittelbaren
Berufsumfeld angefertigt: von Gesellen,
die vor Ort dienten und das For-
menschneiden beherrschten oder solchen,
die auf Wanderschaft waren und den Mei-
ster mit manch neuem und gefälligen Mo-
tiv aus der weiten Welt entzückten.
Schließlich ist noch die Gruppe der be-
rufsmäßigen heimischen Bildschnitzer
(Bildhauer) in Betracht zu ziehen, deren
Vertretern es bestimmt nicht an bildhaue-
rischer Begabung, Kompositionsvermögen
und technischer Fertigkeit gefehlt hat
34
.
Was sich für den Laien, freilich wider
besseres Wissen, mitunter so einfach dar-
stellt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen
als sehr komplizierter und schwieriger
Umsetzungsprozeß: Dem Formenschnei-
der bzw. Bildschnitzer oblag es, ein Bild
aus freiem oder aber nach einer (grafi-
schen) Vorlage negativ in einen Harz-
holzblock zu schneiden. Bei der durch-
wegs beobachtbaren Filigranität der Aus-
führung waren Korrekturen so gut wie
ausgeschlossen; allein eine mißratene
Linie oder ein mißglückter Schwung und
Bogen machten das Stück unbrauchbar.
Viele der Modelformen bzw. geprägten
Gebildgebäcke sind symbolhafte, eßbare
Gruß- und Wunschbotschaften mit man-
nigfachen Inhalten: Wünsche auf eine gute
Reise und Rückkehr, Abschiedsgruß und
Trennungsschmerz („Lebe wohl“ – Gruß),
Wünsche auf reichlichen Kindersegen und
glückliche Entbindung, Liebeserklärun-
gen und Aufforderungen in Dingen der Zu-
neigung und Anbahnung einer Bekannt-
schaft, Mahnung an unverrückbare Glau-
benswahrheiten oder aber Hinführung und
Gewahrmachen der Schönheiten, die die
Natur in so reichem Maße bereithält, Ver-
mittlung von Lebensfreude und Ausdruck
für Weltverliebtheit. Andere wiederum ste-
hen für ein erstrebenswertes Leben in An-
sehen und Wohlhabenheit, idealisierte
Scheinwelt für den kleinen Mann auf der
Straße, der er wohl nachhangen, die er aber
nicht erreichen kann.
Besagter Lebzeltmodel-Bestand auf
Schloß Bruck umfaßt nun 59 Einzelstücke,
von denen 38 einseitig, 21 jedoch doppel-
seitig beschnitzt sind, sodaß sich insge-
samt 80 verschiedene Motive ergeben.
Diese Motivvielfalt verwundert indes
nicht im Hinblick darauf, daß die Lienzer
Bürger seit alters überregionale Handels-
beziehungen pflegten und daher mehr oder
minder großen Anteil an neuen Entwick-
lungen und Tendenzen selbst auch auf
dem Sektor exzellenter Lebensmittelzube-
reitung und Eßkultur nahmen.
Somit können die Gebildgebäcke und
Model mittelbar als Ausdruck für die Auf-
geschlossenheit und den Fortschrittswillen
einer intakten bürgerlichen Gemeinschaft
angesprochen werden.
Hier sei schließlich der Versuch unter-
nommen, die hiesige „Lienzer Sammlung“
an diesen wertvollen Objekten der Volks-
kunst zu systematisieren und einen Quer-
schnitt durch die Themen- und Formen-
vielfalt zu geben. Für gewöhnlich bestehen
die Model in Hartholzblöcken aus Nuß-
oder Birnenholz, deren Größe sich inner-
halb der Maße (Höhe vor Breite; Stärke)
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
65. Jahrgang –– Nummer 12
Schriftprobe aus einem Lienzer Kochbuch von 1680/90: Lebzelt-Rezepte.