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den Lokalaugenschein über die Anlage
und die Verhandlung mit den Anrainern
vor. Josef Schett hatte anfangs im Sinn, für
sich allein die Säge zu bauen. Im Laufe der
Verhandlung „vereinigte“ er sich jedoch
mit den Anrainern, eine sogenannte
„Nachbarschaftssäge“ zu errichten. Sie
sollte auch insgesamt 28 Bauern zum
Schneiden des „Hausholzes“ dienen, z. B.
Bretter für Böden und Vertäfelungen; ge-
meint ist jeglicher Eigenbedarf. Die Vill-
grater sagen dazu „Sagehelzlan“.
Bedingungen zum Bau der Säge (laut
Protokoll, aufgenommen in Innervillgraten
beim Wirtshause des Thomas Steidl am
5. Mai 1883):
Das Bauholz stellen
die Nachbarn bei, sie
helfen „unter der Mei-
sterschaft“ des Josef
Schett Wegeler bei der
Errichtung.
Das Eisen und das
„Hilzane“ liefert Josef
Schett aus Eigenem.
(„Hilzane“ = das Höl-
zerne, gemeint sind alle
aus Holz verfertigten
Bestandteile des Säge-
werkes wie „Welle-
bäume“, Wasserräder,
Stelzen etc.).
Die Säge bleibt im Ei-
gentum des Josef Schett
Wegeler, doch den Ei-
genbedarf der „Teilneh-
mer“ muß er zu günsti-
gen Preisen nach Tarifen
laut Protokoll schnei-
den. „Musl“ (= Stämme,
vier Meter lang) werden
„wie anderwärts im Be-
zirke“ zum ortsüblichen
Preis geschnitten. (Zu
„Musl“: Das lateinische
malus bedeutet „Bal-
ken, Stange, Mast-
baum“, in Verbindung
zu bringen mit dem
indoeuropäischen maz-
dos „Holzstamm“. Das
russische most bedeutet
„Brücke“,
eigentlich
„Knüppeldamm“. Es ist
zu bedenken, daß im
Lauf der Sprachentwicklung die Selbstlaute
häufig wechselten.)
Die Säge muß bis zum 1. Juli 1884 zum
Betrieb fertiggestellt werden, „eben in sel-
ber Zeit, d. h. längstens in 1
1
2
Jahren nach
jeder größeren Beschädigung oder gänz-
lichen Zerstörung wieder gebaut werden“.
Und weiters wurde protokolliert:
„Seitens irgendwelcher Anrainer wurde
gegen den Bau und Betrieb dieser Säge
sonst kein Anstand erhoben, ebensowenig
aus öffentlichen Rücksichten, wenn die
Säge nach den vom Herrn Ingenieur sepa-
rat abgegebenen Gutachten und Plane ge-
baut wird.“
Alle Teilnehmer an der Verhandlung,
die beiden Beamten aus Lienz und die 28
Bauern aus dem Villgraten, unterzeichne-
ten das Protokoll „manu propria“, also
eigenhändig, wie angemerkt wurde.
Der Altbauer Albert Schett sen. (Jahr-
gang 1925) berichtet, sein Großvater Josef
Nummer 3 –– 66. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
Die „Musl“ wird auf dem „Spannwagen“
vom „Schupfer“ durch das Gatter bewegt.
Auf diesen „Walgern“ wird der
Wagen mit der „Musl“ ruckartig
zum Sägeblatt geführt. Das
„Schubwerk“ ist eine faszinierend
einfache „Technik“ –
eine venezianische Erfindung!
Der „Spannbock“. – Mit Hilfe einer
Stange und eines „Steckeisens“
können verschieden dicke „Musl“
zum Schneiden fixiert werden.
Die Gattersäge mit dem „Schubwerk“ (l.). – Vor dem Gatter
steckt griffbereit die „Hebetatze“.