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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
66. Jahrgang –– Nummer 6
Rainer, der sich voll für die Namenfor-
schung einsetzte und äußerst kompetente
Informanten für die verschiedenen Teilab-
schnitte fand. Es waren dies zwölf Kalse-
rinnen und Kalser, die mit Familienan-
gehörigen und Nachbarn jeden noch be-
kannten Namen erfaßten, schriftliche
Quellen erschlossen, wo vorhanden, und
vor allem die heutige Aussprache eruierten,
die dann phonetisch festgehalten wurde.
Während für das Dorfer- und
Teischnitz Tal noch viel Kartenmaterial
vorhanden war, wurde es später immer
spärlicher. Die Informanten mußten z. T.
von Hof zu Hof gehen und Namen regi-
strieren, die bald in Vergessenheit geraten
werden.
Nach der erfolgreichen Arbeit von
Herrn Unterweger im ersten Abschnitt,
führten die Erfassung des Namengutes
weiter fort: Matthias Schnell, vulgo Nigg-
ler, im
Ködnitztal;
Philomena Rogl, vulgo
Baumann, im
Burger Tal;
Theresia, Anna
und Sebastian Hanser, vulgo Eidner, im
Le-
sach Tal;
Josef Huter, vulgo Meilinger, in
Pradell;
Paul Gratz, vulgo Kerer, in
Großdorf und Umgebung
(er war und ist
auch heute noch eine große Hilfe beim Pro-
jekt, nachdem Mesner Ruep Rainer nach
längerer Krankheit viel zu früh sein gelieb-
tes Tal verließ); weiter dann Josef Gliber,
vulgo Gliber, in
Lana;
Josef Bauernfeind,
vulgo Niederarniger, in
Arnig
und
Stanis-
ka
sowie bei den Vulgo- und Schreibna-
men; Michael Holzer, vulgo Ploi, in
Peischlach
und Lois Unterweger, vulgo
Spöttling, im
Dorfer
und
Teischnitz Tal.
Die Auswertung der Namen geschah in
zwei Stufen. Zuerst wurde eine Vorana-
lyse erstellt, wobei Prof. Odwarka bei
Rückfragen von den Informanten tatkräftig
unterstützt wurde. Prof. Pohl nahm die
Endanalyse vor. Seine jahrzehntelange
Erfahrung in der Namenforschung ermög-
lichte so meist eine zutreffende Analyse.
Da es aber im Kalser Tal vier Sprach-
schichten gibt, können manche Namen
mehrfach gedeutet werden.
Golz
z. B.
kann auf slaw.
golica
„Kahlenberg“ oder
rom.
collis
„Berg, Hügel“ zurückgehen.
Bald nachdem man im Norden des Kal-
ser Tales angefangen hatte, konnte man
feststellen, daß im Gegensatz zu anderen
Gegenden in den Ostalpen
noch
(und die
Betonung liegt auf
noch
) sehr viele Namen
bekannt waren. Im ersten Durchgang mit
Rupert Unterweger kam man auf etwa 200
Namen. In den darauffolgenden Jahren er-
weiterte sich die Zahl der analysierten Na-
men des Dorfer- und Teischnitz Tales dann
auf heute 335. Hier halfen auch später der
jüngere Bruder Lois Unterweger sowie Paul
Gratz, dem das Projekt viele Anregungen
im ganzen Tal verdankt. Leider mußte nach
dem Mesner Rainer, dem Dekan Holaus
nun auch Rupert Unterweger den schönen
Spöttlinghof für immer verlassen.
Da ja die Erstellung einer Besiedlungs-
theorie für das Kalser Tal eines der Ziele
des Forschungsprojektes ist, ist die stati-
stische Auswertung des Namengutes von
großer Wichtigkeit. Nun gibt es aber min-
destens drei verschiedene Statistiken. Die
1.468 erfaßten Namen, die erste Variante,
helfen nicht, die wirklichen prozentuellen
Beteiligungen der vier Sprachschichten bei
dem heute noch eruierbaren Namengut zu
berücksichtigen.
Der Name des
Fruschnitzbachs
im Dor-
fer Tal wanderte z. B. hinauf und so erhält
man weitere sechs Namen in
Frusch-
nitz-Kees, Obere
und
Untere Fruschnitz-
Scharte
und
Unterer, Mittlerer
und
Oberer
Fruschnitz-Gang.
Von den 335 Namen im
Dorfer- und Teischnitz Tal wären so über
10 % slawisch. Rechnet man aber nur das
Grundwort, d. h. den Ausgangsnamen,
dann erhält man nur etwa 7 % slawische
Namen, es werden also nur die Grund-
wörter wie
Fruschnitz, Laperwitz (-Bach,
-Klamm, -Kees), Teischnitz (-Bach, -Eben,
-Tal, -Kees, usw.)
gezählt. Das ist die
zweite Variante.
Bei den oben genannten Beispielen han-
delt es sich jeweils um vom Grundwort ab-
hängige Namen. Die dritte statistische Va-
riante, und die mußte gewählt werden,
berücksichtigt alle gleichlautenden Na-
men, die unabhängig voneinander vor-
kommen. Im oben behandelten Abschnitt
kommt z. B. der
Balfen
achtmal vor, an
acht verschiedenen Stellen, als
Bachler-
balfen, Bichlbalfen, Blauer Balfen, Sech-
serbalfen, Wasserbalfen, Weißer Balfen
(an zwei Stellen) und als
Salzbalfen.
Im
gesamten Kalser Tal findet man sogar 15
Balfen
an 15 verschiedenen Orten. Die
Statistik käme total durcheinander, wenn
man diese 15 vorrömischen Namen nicht
berücksichtigen würde. Sie gehören zu den
fünf in Kals noch erhaltenen Zeugen der
ersten Sprachschicht, des sogenannten
alpinen Substrats, plus das Substratwort
Alp – in Alpen, Alm und Alwe.
Die romanischen und bairischen Namen
müssen statistisch aber auch so behandelt
Empfang am Abend des 6. Juni 1998: V. l.: Prof. Dr. Heinz Dieter Pohl, em. Prof. Dr.
Karl Odwarka, Karoline Madritsch, Obfrau des Fördervereins für Wissenschaft und
Weiterbildung in Osttirol, Bgm. Klaus Unterweger, im Hintergrund der Kalser Stuben-
gesang.
Foto: Wanda Furtschegger
Prominente Teilnehmer am Symposium 1998:V. l.: Prof. Denison, Graz, Dozent Ritter,
Frankfurt, Prof. Mayerthaler, Klagenfurt, Prof. Pohl, Klagenfurt (Organisationskomi-
tee), Peter Stocker, Nußdorf-Debant (Sekretär des Organisationskomitees), Prof.
Odwarka, Lienz-USA (Organisationskomitee), Prof. Kronsteiner, Salzburg, Prof.
Anreiter, Innsbruck, Prof. Srámek, Brünn/Brno.
Foto: Wanda Furtschegger