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Nummer 8-9 –– 66. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
Potentilla nitida L. – Dolomiten-Fingerkraut, Kerschbaumer Alm SW 2.000 m, 29. Juli 1998 und Verbreitungskarte zur „Flora von
Nordtirol, Osttirol und Vorarlberg“ von Adolf Polatschek.
Foto: W. Neuner; Kartographie: Amt der Tiroler Landesregierung, Tiroler Raumordnungs-Informationssystem,
Quelle: Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Botanische Sammlung
historische Angaben
rezente Angaben
Nach zweitägiger Fahrt steigt er in Pas-
sau aus. Am nächsten Tag um 4 Uhr in der
Früh unternimmt er in der näheren Um-
gebung eine Exkursion auf den „Maria-
hülfsberge“ (HOPPE 1799:58), wo er
neben
Carex pilulifera
die „erste Alpen-
pflanze“ antrifft: verblühte
Soldanella
alpina,
die er reichlich sammelt und nach
dem Kauf von „etliche Buch Löschpapier“
(HOPPE 1799:58) einlegt. Die weitere
Reise führt ihn nach Salzburg, wo er sich,
angeregt durch Reiseberichte im „Botani-
schen Taschenbuch“ von FUNCK 1794
und BRAUNE 1797, vier Wochen am
Untersberg aufhält. Am 19. Juli geht er zu
Fuß nach Reichenhall, vorbei am Weg-
weiser „Strassen nach Thiroll“ (HOPPE
1799:99) und über Lofer und Saalfelden
nach Zell am See, wo er den berühmten, in
Mecklenburg-Schwerin geborenen Bota-
niker Heinrich FLÖRKE (1764-1835)
trifft. Dieser erzählt ihm, daß er im Ziller-
tal von den dortigen Bauern für einen fran-
zösischen Spion gehalten worden ist und
sie ihn „nichts weniger, als sogleich zer-
treten wollten, denn er verstand ihre Spra-
che eben so wenig, als die Bauern die sei-
nige“ (HOPPE 1799:107).
wandert er über das Mölltal weiter bis Li-
enz, wo er sich „in das einzige noch übrig-
gebliebene Wirthshaus“ einquartiert
(HOPPE 1799:117-118). Neben kleineren
Exkursionen in der Umgebung (zum Am-
lacher Brunnen, der Iselaue und später
auch auf den Iselsberg) ersteigt er am 1.
August in Begleitung eines Alpenführers
die Kerschbaumer Alm (HOPPE
1799:120, PIZZININI 1990:VIII).
Die Ausbeute dieser ersten Begehung
vor genau 200 Jahren ist eher bescheiden:
von den bisher nachgewiesenen 481
Pflanzenarten aus dem Bereich der
Kerschbaumer Alm, 1.660 sind es aus
ganz Osttirol (Botanische Datenbank Ti-
roler Landesmuseum Ferdinandeum), er-
wähnt HOPPE nur 21, darunter die heute
in der „Roten Liste“ unter Kategorie 1
(vom Aussterben bedroht) geführte
Sene-
cio abrotanifolius.
Diese Art wird heute in
zwei Sippen unterteilt, wobei die Pflanzen
der Kerschbaumer Alm zur
ssp. tiroliensis
gehören. Weiters nennt er
Papaver alpi-
num,
eine Charakterart im bewegten
Bergschutt aus dem
Papaver alpinum
-
Aggregat, heute zu
Papaver rhaeticum
gehörend, die sich von HOPPE „wieder
RAUSCHENFELS beschwichtigen, als
dieser anbietet, die Bezahlung zu überneh-
men. Wie sich später herausstellt, hat der
Führer letztlich von beiden den Tageslohn
kassiert (HOPPE 1802(23)).
HOPPE betritt mit der Exkursion auf die
Schleinitz keineswegs botanische terra
incognita. Bereits 21 Jahre zuvor, am 10.
Juli 1777, haben Franz Xaver WULFEN
und S. HOCHENWARTH diese bestiegen
– in ihrer Publikation legen sie dem Leser
eine Liste mit 77 Pflanzenarten vor. „Auf
dem Rückwege aus diesen sehenswürdi-
gen Gegenden kamen beide Reisende auf
etliche Alpenhütten der Tyroler Bauern zu,
wo sie die freundschaftlichste Aufnahme,
Ruhe und Erfrischung auf ihre vorherge-
hende Ermüdung genießen konnten. Dahin
wurden sie eingeladen und fanden schon
für sie gedeckten Tisch, mit Butter, Käse
und Milch besetzet. Diese mit Recht-
schaffenheit begleitete Gastfreyheit der
Tyroler Alpenbauer gegen Fremde verdie-
net besonders angemerket zu werden“
(HOCHENWARTH 1785). HOPPE sei-
nerseits zählt in seinen Tagebuchnotizen
16 Pflanzenarten für die Schleinitz auf,
u. a. „den längst gewünschten
Ranunculus
In Begleitung des Bergwerkspraktikan-
ten Mathias MIELICHHOFER (1772-
1847) setzt HOPPE seine Reise über den
Tauern, der ihm in späteren Jahren nach
einem Schlechtwettereinbruch während
der Überschreitung mit HORNSCHUCH
fast zum Verhängnis geworden ist
(FÜRNROHR 1849:156-160, ILG 1991),
nach Heiligenblut, dem zentralen Aus-
gangsort seiner künftigen Alpenforschun-
gen innerhalb der nächsten Jahrzehnte,
fort. Am Fuße des Großglockners gelegen,
wird Heiligenblut in den Folgejahren zum
Mekka der Botaniker Europas. „Die Reise
von Salzburg nach Heiligenblut ist jetziger
Zeit für Botaniker als ein wahrer Tri-
umphzug zu betrachten. Während man
nämlich vor Jahren in diesen Gegenden
keinen einzigen Botaniker begrüßen
konnte, kommen sie uns jetzt auf allen
Wegen und Stegen freundlich entgegen“
(HOPPE 1832(44):694). Da er in Döllach
kein Papier zum Trocknen seiner umfang-
reichen Aufsammlungen erwerben kann,
Vermuthen, recht gut einlegen“ läßt
(HOPPE 1799:122), und
Potentilla nitida,
„ein gar herrliches kleines Pflänzchen, mit
großer rosenfarbner Blume, war da sehr
häufig, in seiner ganzen Pracht“ (HOPPE
1799:121-123), eine südalpine Art, deren
Verbreitung bis nach Osttirol hereinreicht.
Die beiden zuletzt erwähnten Arten wer-
den in den „Roten Listen“ in der Katego-
rie 2 (stark gefährdet) geführt (NEUNER
& POLATSCHEK1997).
Der zwei Tage nach der Exkursion auf
die Kerschbaumer Alm geplante Fußmarsch
auf die Schleinitz kommt aufgrund eines
Ärgernisses beinahe nicht zustande: Hoppes
Führer ist „ein Wagner von Profession, und
ganz zu einem botan. Führer gemacht, da er
alle Wege und Stege weiss, viele Pflanzen
kennt, und alle Botaniker, die hierher ka-
men, geführt hat. Aber auch dieser Mann ist
mit Geldbegierde besessen. Unerlässlich
verlangt er jeden Tag einen Kronenthaler“.
HOPPE will aus diesem Grund die Schlei-
nitz nicht besteigen, läßt sich jedoch von
glacialis
“ (HOPPE 1799:127). Beim
Ranunculus glacialis
(Gletscherhahnen-
fuß) handelt es sich um die höchststei-
gende Blütenpflanze der Alpen, die bis in
über 4.000 m Höhe nachgewiesen wurde.
In Zeiten des wachsenden Büchermark-
tes (die Anzahl der Buchhandlungen und
die der Neuerscheinungen verdreifachte
sich annähernd in der ersten Jahrhun-
derthälfte: 1800 gab es 500 Buchhand-
lungen, 1844 waren es in den deutschen
Bundesstaaten bereits 1.321; den 3.906
Neuerscheinungen des Jahres 1800 stehen
10.808 im Jahre 1840 gegenüber
(BAUMGÄRTNER 1974)) geht HOPPE
im Jänner des Jahres 1802 mit einer wei-
teren Fachzeitschrift, der „Botanischen
Zeitung“, die in sechs Bänden bis 1807 er-
scheint, an die Öffentlichkeit. Sie wird
durch die ebenfalls von ihm gegründete
„Flora oder Botanische Zeitung“, die von
1818-1965 erscheint, abgelöst.
Im Juni/Juli 1802 verbringt HOPPE drei
Wochen in Begleitung des aus Pest stam-