Seite 2 - H_1998_08-09

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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
66. Jahrgang –– Nummer 8-9
burger Flora, und wir waren beide froh, uns
zu sehen. Ich erkundigte mich nun nach den
Pflanzen, die mich am meisten intressirten,
und Hr. Rauschenfels gab mir von allen
Auskunft, und alle Excursionen geschahen
unter seiner Leitung. Das Mayersche Her-
barium war leider mit verbrannt. Am an-
dern Morgen führete er mich in die Iselaue.
Aber dort war alles verblühet, denn hier
hatte man seit 6 Wochen die größte Hitze
und Dürre gehabt, und Processionen um
Regen angestellt.
Astragalus uralensis, al-
pinus, Epilobium rosmarinifolium
u. a. wa-
ren alle verblühet. Nur allein
Hieracium
staticefolium
fand ich noch.
Nachmittags gieng ich nach einem Ge-
bürgs See, den mir Herr Doctor beschrie-
ben [S. 120] hatte, um dort noch mehrere
Exemplare
von Aquilegia alpina
zu sam-
meln – aber ich fand nur eins – doch ent-
deckte ich gar bald den
Juncus niveus
in
Menge, worüber ich nun wieder die
Aqui-
legia
vergaß, und soviel Exemplare sam-
melte, als ich tragen konnte. Auf dem
Rückwege sahe ich auch
Polypodium Ore-
opteris, Lycopodium helveticum
u.
Asple-
nium viride.
Der folgende Tag, Mittwochs der 1. Aug.
war zu einer Excursion, nach der Kirsch-
baumeralpe, bestimmt, und da der Herr
Doctor Rauschenfels nicht mitgehen
konnte, so gab er mir den gewöhnlichen Al-
penführer, einen Wagner, mit. Es war Mor-
gens um halb 3 Uhr, als dieser in mein
Schlafzimmer kam, und weil ich in den
Kleidern geblieben war, so traten wir so-
gleich den Marsch an. Es war ein herrlicher
Tag. Der Himmel war ganz heiter, und
voller Sterne, der Mond erleuchtete rings-
umher die Gipfel der Berge, und das Thal.
Die Luft erquickte ungemein, gegen die
Hitze der vergangenen Tage. Dieß war der
Tag, an welchem jene merkwürdige See-
schlacht bei Abukir vorfiel. Nachdem wir
eine halbe Stunde in der [S. 121] Ebene,
und eben so lange bergaufwärts gegangen
waren, bat mein Führer, ein wenig ruhen zu
dürfen; zugleich lief ihm der Schweiß am
ganzen Gesichte herunter. Dies war mir
nun freilich nicht lieb, denn ich dachte jetzt
noch an nichts weniger, als ans Ausruhen.
Wir giengen daher weiter, und fanden bald
die
Atropa Mandragora
mit rothen Beeren.
Nun erblickte ich ein blaues
Aconitum
, wel-
ches häufig vorhanden war. –
Aconitum
cernuum,
– das war eine Freude für mich.
Dreißig Exemplare legte ich sogleich auf
der Stelle ein, damit meine Büchse nicht
auf einmal voll wurde. Hier war eine wal-
digte Gegend, und
Juncus niveus, Senecio
abrotanifolius
und
Aconitum Lycoctonum,
wuchsen hier häufig. Die leztere Pflanze
war hier gar prachtvoll, ich zählte 60 Blu-
men an einer Hauptähre. Nach etlichen
Stunden gieng das Gebüsch zu Ende, und
nun wurde es nach grade kahler und fel-
sichter. An einem steilen Felsen erblickte
ich ein weißes Gras, und ob mich wohl der
Führer um Gotteswillen bat, nicht hinauf-
zusteigen, so ließ ich mich doch nicht ab-
halten. Ich kletterte mit würcklicher Le-
bensgefahr hinan, denn ein einziger Fehl-
tritt würde Sturz und [S. 122] Tod
verursacht haben. – Aber meine Freude war
auch nicht gering, als ich in diesem Grase,
den wahren
Cynosurus sphaerocephalus
er-
kannte, und daraus schloß, daß jener, vom
Tauern, eine andere Art seyn müße. In den
Felsenritzen wuchs
Valeriana elongata,
aber ich konnte keine erreichen, sie waren
auch verblühet. Auf dem Felsen-Rücken
wuchs
Paederota
coerulea,
und
Chrysanthemum alpinum.
Unter dem Fel-
sen sammelte ich eine Menge
Polypodium;
aber ich würde noch mehr gesammelt ha-
ben, wenn ich gleich gewußt hätte, daß es
P. alpinum
wäre. Auch
Valeriana supina
und
Spergula laricina
wuchsen in dieser
Gegend häufig. Jezt erreichten wir die
Kirschbaumeralpe, wo wir ausruheten, und
etwas Butterbrod und Brandwein verzehr-
ten, welches wir mitgebracht hatten. End-
lich gieng es gegen die höchste Spitze zu.
Hier waren weder Baum noch Strauch, aber
destomehr Steintrümmern [!], zwischen
welchen die seltensten Pflanzen freudig
empor wuchsen.
Iberis rotundifolia
und
Papaver alpinum
waren daselbst in Menge;
diese leztere Pflanze, mit schönen gelben
Blumenblättern, hat sich, wieder [!] Ver-
muthen, recht gut einlegen lassen.
[S. 123] Endlich erreichten wir mühsam
die höchste Spitze, und hier standen
Ra-
nunculus parnassifolius
und
R. Thora;
aber beide verblühet.
Potentilla nitida,
ein
gar herrliches kleines Pflänzchen, mit
großer rosenfarbner Blume, war da sehr
häufig, in seiner ganzen Pracht. Nachdem
wir auf dieser Höhe etwas ausgeruhet hat-
ten, nahmen wir durch eine andere Gegend
den Rückweg, und da fanden wir nicht nur
den
Cynosurum sphaerocephalum
sehr
häufig, mitten auf dem steinigen Wege;
sondern auch
Tussilago discolor, Gna-
phalium alpinum,
und zulezt die
Ononis
rotundifolia,
welche aber meistens ver-
blühet war. Auch heute gieng es nicht oh-
ne Regen ab, denn es kam Donnerwetter,
aber es hörte bald auf. Gegen Abend ka-
men wir nach Lienz zurück, und schon vor
dem Orte gieng uns Hr. Dr. Rauschenfels
entgegen. Mein Führer äusserte ihm
heimlich. „So einen habe ich noch nicht
gehabt.“ War es die Art meines Sammlens
[!], daß ich nemlich viele Pflanzen gar
nicht, und andere wieder sehr häufig
nahm; oder war es meine Behendigkeit
und Kühnheit in Besteigung der Berge,
welches diese Aeußerung veranlaßte,
kann ich nicht behaupten – vermuthlich
das letztere, [S. 124] denn ich hatte auf
dem gefahrvollen Untersberge das Berg-
steigen, und den Bergstock zu führen*, ge-
lernet; so daß ich, wie in der Ebene ein-
hergieng, und allemal den Führer weit hin-
ter mich zurücke ließ. Ich legte noch heute,
und am folgenden Vormittage, die Pflan-
zen ein; aber es fehlte mir sehr an der
nöthigen Bequemlichkeit. Die Gaststube
Dr. David Heinrich Hoppe, Stahlstich von
G. Serz, Nürnberg, enthalten in: D. H.
Hoppe’s Selbstbiographie. Nach seinem
Tode ergänzt und herausgegeben von Dr.
A. E. Fürnrohr, Regensburg 1849.
Titelseite der Publikation, die Dr. Hoppes
Bericht über den Besuch der Lienzer
Gegend enthält.
Titelseite von „Reiners Reisen“, die D. H.
Hoppe benützt hat.