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Nummer 8-9/1998
66. Jahrgang
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Der Botaniker Dr. David Heinrich Hoppe
im Jahr 1798 in Lienz
[S. 116] Ich spatzirte also durchs Möll-
thal, noch sechs Stunden weiter, bis Lienz,
im Pusterthale in Tyrol. Bald begegnete
mir ein Streifzug von 4 Mann, die mich in
Untersuchung nahmen, und nach gesehe-
nem Paß, den ich glücklicherweise zu mir
gesteckt hatte, gute Reise wünschten. In
Wincklern kehrte ich zum trinken ein, der
Wirth war zugleich Einnehmer, das ist,
Mauthner. Gleich beim Eintritt frug er, ob
ich einen [S. 117] Paß habe, und als ich
ihm bedeutete, daß ich wohl ohne Paß
nicht reisen würde, war er zufrieden. Ich
äußerte meine Verwunderung, daß man
hier so genau untersuche, da doch
Kärnthen und Tyrol einem Landesherrn
gehöre, worauf er erwiederte, daß die Ty-
roler weit mehrere Freiheiten hätten, und
die Kärnthner fast wie Fremde behandelt
würden. Nun gieng der Marsch über den
Iselsberg, von dessen Höhe ich auf einmal,
durch den prächtigsten Anblick, überrascht
wurde. Ich erblickte das Pusterthal, wel-
ches durchaus mit den höchsten Bergen
umgeben war. Lienz liegt fast mitten in
diesem Thale, welches von der Drau und
der Isel durchströmt wird, um welche Fel-
der und Wiesen auf die angenehmste Art
abwechseln. Rund um diesem [!] Thale
liegen die Lessachthaler und Lungaueral-
pen, der Rauchkogel, der Schloßberg, das
Schlottenthor, die Oberlienzer, Maren-
walder- Grün- Kirschbaum und Zochal-
pen, die Tefferegger und Mattreieralpen,
das Kalsergebirg, und die Schleiniz und
Hofalpen u. s. w.
Lienz war bis auf 20 Häuser abgebrandt,
180 lagen in der Asche, unter dessen Rui-
nen ich mich fast verrirrte [!] – ein trauriger
Anblick. – Als ich in das einzige noch
übriggebliebene [S. 118] Wirthshaus trat,
fragte ich, ob ich da bleiben könnte, worauf
die Wirthin erwiederte, wenn ich einen Paß
hätte, und als ich diesen vorzeigte, war es
gut. Nun trank ich eine Maaß Bier, und
wanderte dann sogleich nach dem Anbla-
cher Brunnen, um dort für allen Dingen den
wahren
Juncus niveus
zu hohlen, denn was
in Baiern und im Salzburgischen wächst, ist
Juncus albidus
Hoff. Der Brunn entspringt
eine halbe Stunde hoch, aus dem Ambla-
cher Gebürge, und man findet seinen Ur-
sprung leicht, indem von dem Fuße des Ge-
bürges die Röhren, welche das Wasser lei-
ten, zur Quelle führen. Aber ich suchte dort
den
Juncus niveus
vergebens – Zulezt fand
ich noch, zu meiner großen Freude, die
Aquilegia alpina,
worüber ich den
Juncus
vergaß, und nach Lienz zurückeilete. Un-
terwegens begegnete mir ein Franziskaner,
bei welchem ich mich nach dem Pater
Mayr erkundigte; und als er von diesem
nichts wußte, zog ich Reiners Reise aus der
Tasche, und ließ ihm [!] die hiehergehörige
Stelle lesen. Jezt sagte er, „Pater Mayr ist
schon vor 6 Jahren gestorben, ich habe ihm
die Seele ausgesegnet.“ Ich frug nun nach
seinem zurückgelassenem [!] Herbario, und
er [S. 119] sagte, dieses habe Herr Dr. Rau-
schenfels in Lienz. Ich gieng gleich zu ihm,
und als er nicht zu Hause war, und die Fr.
Doctorin mir, auf meine Anfrage, versi-
cherte, daß er ein Kräuterkenner seye,
gieng ich vergnügt ins Wirthhaus [!], nach-
dem ich ein Rieß Papier gekauft hatte. Ich
legte kaum die erste Pflanze ein, als der
Herr Doctor schon da war. Er wußte mei-
nen Namen aus der Baierschen und Salz-
Die Stadt Lienz gegen Osten, um 1800, Aquarell eines unbekannten Künstlers, 22,7 x 36,5 cm.
(Museum der Stadt Lienz, Schloß Bruck)
Foto: Frischauf, Innsbruck
David Heinrich Hoppes Bericht
„Botanische Reise nach einigen
Salzburgischen Kärnthnerischen
und Tyrolischen Alpen“ ist enthal-
ten in der von ihm herausgegebe-
nen Publikation „Botanisches Ta-
schenbuch für die Anfänger dieser
Wissenschaft und der Apotheker-
kunst auf das Jahr 1799“, erschie-
nen in Regensburg. Der auf Tirol
bezogene Teil des Berichtes ist auf
den Seiten 116 bis 128 abgedruckt.
Der Text ist buchstabengetreu
wiedergegeben. Orthographie und
Interpunktion entsprechen nicht
dem heutigen Stand, doch nur bei
besonderen Abweichungen wurde
mit [!] darauf hingewiesen. – Im
Anschluß daran folgen Beiträge
über die botanisch-wissenschaft-
liche Auswertung und über den
historischen Hintergrund von
Hoppes Bericht.
M. P.