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Os t t i r o l e r He i m a t b l ä t t e r
66. Jahrgang –– Nummer 12
führten manchmal dazu, daß sich beim Nie-
derschreiben nach längerer Zeit chronolo-
gisch und sachlich Fehler einschlichen. So
gesehen, ist die quellenmäßige Zuverläs-
sigkeit von Beda Webers Werk gewiß nicht
nach modernen quellenkritischen Maßstä-
ben zu messen. Überdies hat Beda Weber
die Quellen oft sehr frei und auch phanta-
sievoll interpretiert.
Ein anderes wissenschaftliches Werk in
damaligem Sinn ist die Arbeit
„Die Ge-
dichte Oswalds von Wolkenstein. Mit Ein-
leitung, Wortbuch und Varianten“
(1847). Schon sehr früh hatte sich Weber
im Selbststudium Kenntnisse in Ge-
schichte, Literatur und Landeskunde Tirols
erworben und bald schon beschäftigten ihn
Leben und Werk jenes Ritters an der Wen-
de vom Mittelalter zur Neuzeit. Man darf
die Arbeit nicht mit heutigen editorischen
Grundsätzen vergleichen, doch wurde da-
durch das dichterische Werk Oswalds
überhaupt erst in die allgemeine Literatur-
geschichte eingeführt. Außerdem muß
man erwähnen, daß diese Ausgabe bis zu
der vor einigen Jahren erschienenen Neu-
ausgabe
der
Lieder Oswalds gültig blieb. – Der zweite
Teil seiner Oswald-Studien,
„Oswald von
Wolk enstein und Friedrich mit der leeren
Tasche. In elf Büchern“
, erschien 1850.
Die Beschäftigung mit den Zeugnissen
der frühen deutschen Dichtung führte auch
zumanchem interessanten Fund, wie jenem
einer Nibelungen- und einer Titurelhand-
schrift auf Schloß Obermontani im Vin-
schgau.
Das
„Denkbuch der Erbhuldigung in Tirol
1838“
soll nicht unerwähnt bleiben,
wenn es auch nicht als wissenschaftliches
Werk gedacht war, sondern eine Zusam-
menfassung aller Feierlichkeiten im
ganzen Land aus einem renommierten
Anlaß heraus, dem Aufenthalt Kaiser
Ferdinands I. , bot.
Wenn auch die Wissenschaftlichkeit
Beda Webers aus seiner Zeit heraus zu ver-
stehen ist, so wurde ihm damals dafür höch-
ste Anerkennung gezollt. Greifen wir ei-
nige der Anerkennungen, die Beda Weber
erfahren hat, heraus: Dazumüßte man auch
die verschiedenen ehrenvollen Berufungen
(Innsbruck, Augsburg, Sigmaringen)
zählen. – Er wurde 1841 zum
Mitglied der kaiserlich königlichen „Ac-
cademia degli Agiati Rovereto“ ernannt,
1846 zum Mitglied des Historischen Ver-
eines für Kärnten. – 1848 erhielt er die Be-
rufung zum Korrespondierenden Mitglied
der Akademie der Wissenschaften in Mün-
chen und im Jahr zuvor wurde er wirkliches
Mitglied der neu gegründeten kaiserlichen
Akademie der Wissenschaften in Wien.
Als Gründungstag der Akademie darf der
14. Mai 1847 gelten, an dem Kaiser Ferdi-
nand sämtlichen Anträgen seine Geneh-
migung erteilte und das Patent unterzeich-
nete. Darin heißt es im § 1:
„Die Akademie
der Wissenschaften in Wien ist eine unter
Unseren besonderen Schutz gestellte ge-
lehrte Körperschaft, welche die Bestim-
mung hat, die Wissenschaft in den ihr zu-
gewiesenen Zweigen durch selb-ständige
Forschungen ihrerMitglieder und durch Er-
munterung und Unterstützung fremder Lei-
stungen zu fördern, nützliche Kenntnisse
und Erfahrungen durch Prüfung von Fort-
schritten und Entdeckungen sicherzustel-
len, und durch Bekanntmachung lehrreicher
Arbeiten möglichst zu v erbreiten, sowie
die Zweck e der Regierung durch Verant-
wortung solcher Aufgaben undFragen, wel-
che in das Gebiet der Wissenschaft
gehören, zu unterstützen.“
– Eingerichtet
wurden eine mathematisch-naturwissen-
schaftliche und eine historisch-philologi-
sche Classe.
Am 17. Mai, also drei Tage später, ver-
öffentlichte die „Wiener Zeitung“ das Pa-
tent und die Namen der 40 ernannten, er-
sten wirklichen Mitglieder der Akademie:
Darunter befanden sich der aus Lienz ge-
bürtige Albert von Muchar (Geschichte),
Professor der lateinischen Philologie,
klassischen Literatur und Ästhetik an der
Universität zu Graz, Beda Weber (Ge-
schichte), Professor amGymnasium zuMe-
ran und weiters der aus Windisch-Matrei
stammende Simon Stampfer (Mathematik),
Professor der praktischen Geometrie in Wi-
en.
In den Kreisen der neu ernannten Akade-
miker erwartete man mit Ungeduld die Wahl
des Präsidiums und den Beginn der Tätig-
keit der Akademie. Am 27. Juni fand die
Sitzung zur Wahl des Präsidiums statt. 23
Mitglieder nahmen daran teil, darunter auch
Muchar, Stampfer undBeda Weber. Zum er-
sten Präsidenten wurde Johann Freiherr
von Hammer-Purgstall gewählt; dann
folgten die weiteren Funktionäre. Beda We-
ber, der viel und gerne reiste, war also er-
schienen und auch im folgenden Jahr, als
die erste feierliche Sitzung unter der Lei-
tung des Kurators, Erzherzog Johann, am
2. Februar 1848 stattfand, nahm ebenfalls
Beda Weber daran teil.
Die Aufnahme in die Akademie der Wis-
senschaften als wirkliches Mitglied auf-
grund wissenschaftlicher Leistungen
zählt bestimmt zu den höchsten Auszeich-
nungen, die Beda Weber in seinem Leben
erfahren hat.
Nun zu Beda Webers ausgesprochen
dichterischem Werk, mit dem er zu seiner
Zeit ebenfalls große Erfolge errang. - Be-
reits im Priesterseminar in Brixen hat sich
Weber schriftstellerisch betätigt und
lenkte auch damit die Aufmerksamkeit zum
Teil prominenter Persönlichkeiten auf
sich. Im literarischen Schaffen konnte er
seine lebendige Phantasie und sein Gespür
für historische Gegebenheiten miteinander
verbinden.
In der Zeit des Vormärz flüchtete sich all-
gemein das freie geistig-gesellige Streben
in Poeten-Vereinigungen, wo man sich
traf, wo man Poesie und Wissenschaft be-
trieb. Auch Beda Weber gehörte einem sol-
chen Cirkel an. Es ist mehr eine Gedan-
kenlyrik, die Beda Weber in seinen ersten
Arbeiten geistigen und patriotischen In-
halts vorlegte. – Auch in literarischer Hin-
sicht waren seine 20 Meraner-Jahre
äußerst fruchtbar. Zusammen mit seinen
Freunden Josef Streiter und Johannes
Schuler verfolgte er den Plan eines litera-
rischen Almanachs und im Jahr 1828 er-
schien tatsächlich die Publikation „Al-
penblumen“, der noch zwei Jahrgänge
folgten. Beda Weber lieferte dafür Gedich-
te und einen epischen Beitrag.
Vielleicht war es die Einsamkeit des
Passeiertales, wo er zwischendurch als See-
lsorger wirkte, die wieder seinen lyrischen
Sinn weckte und ihn zur Herausgabe seiner
alten und neuen Gedichte inspirierte. Im
Jahr 1842 erschienen im bekannten Lite-
ratur-Verlag Cotta in Stuttgart die
„Lieder
aus Tirol“
mit 76 Gedichten. Darin äußern
sich – wie die Kritik festhielt – überspru-
delnde Phantasie, tiefe Mystik, gekonnter
Bau der Strophen und eine besondere Me-
lodik der Sprache.
In die Literatur eingegangen als „Sän-
gerkrieg in Tirol“ ist eine Angelegenheit,
die Ludwig Steub 1881 so benannte und
dies einige Jahrzehnte nachher. Dieser so-
genannte „Sängerkrieg“ erstreckte sich auf
die Jahre 1843 bis 1847. Anlaß war ein am
6. Dezember 1843 in der „Augsburger All-
gemeinen Zeitung“ abgedruckter eher böser
Artikel unter dem Titel „Poetische Regun-
gen in Tirol“, der anonym erschienen war
und zu vielfältigen Vermutungen Anlaß
gab. ZuUnrecht wurde Beda Weber einer in-
triganten Rolle im „Sängerkrieg“ bezich-
tigt. Er stand eigentlich im Mittelpunkt,
obwohl er, abgesehen von Klarstellungen,
an der argen Angelegenheit kaum beteiligt
war. Doch wurde mit diesem Schlagab-
tausch, den der Wortgewaltige glänzend
überstand, seine Stellung im tirolischen
und darüber hinausgreifenden Bereich nur
gefestigt. Für Tirol hatte dieser Sänger-
krieg eine Scheidung der Geister in zwei li-
terarische und geistige Strömungen zur
Folge.
In den Jahren zwischen 1843 und 1847,
in denen immerhin fünf wissenschaftliche
Bücher erschienen, kam aber die schön-
geistige Literatur nicht zu kurz. Laufend
schrieb Beda Weber Beiträge (Schilderun-
Titelseite der stark beachteten Publika-
tion „Lieder aus Tirol“, im angesehenen
Literatur-Verlag Cotta in Stuttgart im
Jahr 1842 erschienen.