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Nummer 12 –– 66. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
der vielfältige landeskundliche Gegeben-
heiten zur Sprache kommen, ist ein we-
sentlicher Beitrag zur topographischen Er-
schließung Alt-Tirols, das vom Karwendel
im Norden bis zum Gardasee im Süden
reichte. Den Anstoß zu diesem Werk gab
der weitblickende und tatkräftige Inns-
brucker Verleger Johann Schumacher, der
Inhaber der Wagner’schen Buchhandlung.
Er hat den bekannten Meraner Professor im
Jahr 1835 mit der Erarbeitung eines Tiroler
Reisehandbuches betraut. Er nahm damit
auch auf das Bedürfnis bezug, das der eben
einsetzende Fremdenverkehr erforderte.
Das aus drei Teilen bestehende und zusam-
men 2134 Seiten umfassende Werk, das
1837/38 erschien, sollte – nach der Ein-
leitung –
„dem Einheimischen als Einlei-
tung in die Landeskunde, den Auswärtigen
als Wegweiser auf Welt- undZimmerreisen“
dienen. Beda Weber verwendete Urkunden
ebenso wie andere wissenschaftliche
Quellen, aber auch Sagen, Überlieferungen
undDichtung. Beda Webers Biograph, Jo-
sef Eduard Wackernell, charakterisiert
1903
„Das Land Tirol“
und seinen Autor in
folgender Weise:
„… man wandert mit ei-
nem Dichter über Berg und Tal, eine anzie-
hende Gefühls- und Gemütswelt schließt
sich auf, den ästhetischen Eindruck , den ei-
ne Gegend macht, den dichterischen Ge-
halt, den sie besitzt, weiß er k larzulegen;
die Alpentäler leben in seinerDarstellung,
nicht nur die Menschen. Die Sprache ist
schwunghaft, bilderreich, sodaß er selbst
bei dem trock endsten Stoff den Leser fes-
selt.“
Es hängt sicherlich mit Webers humani-
stischer Bildung zusammen, wenn er das
Schwergewicht auf geschichtliche Aus-
führungen legt, doch geht er auch auf die
geographischen,
wirtschaftlichen,
volkskundlichen, gesellschaftlichen und
kulturellen Zustände seiner Zeit ein. Er ver-
weist aber auch auf zahlreiche Kunstschät-
ze des Landes, sodaß sein Werk eigentlich
als erster Kunstführer Tirols bezeichnet
werden darf.
Als kleine Kostprobe dient ein Aus-
schnitt aus der Beschreibung, wenn der
Wanderer aus dem verengten Pustertal bei
der Lienzer Klause in die Weite des Lienzer
Beckens tritt (Bd. II, S. 142):
„… und hier steht auf einmal das schönste
Panorama von Lienz vor dem entzück ten
Auge. Südlich der rauhe Kofel und die hah-
le Wand, … nördlich der Gaimberg, im
Osten der Iselsberg, die Gebirge von Döl-
sach und Görtschach, und tief in der östli-
chen Mündung gegen Drauburg, das
Schloss von Lengberg im Mittel der ehe-
maligen Herrschaft gleiches Namens, alles
im üppigsten Schmuck e, blühend und grü-
nend, mit Dörfern, Einödhöfen, Alphütten
ganz übersäet, die trefflichste Einfassung
der weitesten Ebene Tirols, auf welcher die
Stadt Lienz steht.“
Eine Kurzfassung des großen Werkes er-
schien unter dem Titel
„Handbuch für Rei-
sende in Tirol“
in einem Band im Jahr
1842 (2. Auflage 1853).
Somit war der Lienzer der erste, der in der
neueren Zeit eine umfassende Beschreibung
des gesamten Landes bot, was ihm auch
entsprechende Anerkennung einbrachte.
Dennoch war es für das Werk vielleicht ein
Die Mitglieder der philosophisch-historischen Klasse der Akademie der Wissen-
schaften in Wien, festgehalten in einer Lithographie von Adolf Dauthage im Jahr
1853. BedaWeber befindet sich in der hinteren Reihe als 5. von link s.
(Akademie der Wissenschaften, Wien)
gewisser Nachteil, wenn nur kurze Zeit spä-
ter die noch umfangreichere Topographie
von Johann Jakob Staffler (1839/46) er-
schien. Für Universitätsprofessor Dr.
Hans Kinzl, ein Geograph, machen gerade
die eigenen Erfahrungen, die Beda Weber
einfließen ließ, das „Handbuch“
„zu einer
reichen antropogeographischen und
volkskundlichen Quelle, die ihren Wert bis
heute behielt, ja in der Gegenwart v iel-
leicht wieder neu gewonnen hat“
(1960).
Man muß heute eigentlich feststellen,
daß sich die beiden Tirol-Topographien
von Beda Weber und Johann Jakob
Staffler in großartiger Weise ergänzen, was
Hans Kinzl so formuliert:
„Beide zusam-
men bieten eine landeskundliche Darstel-
lung Tirols in seinen alten Grenzen, wie
sie in den folgenden hundert Jahren in ähn-
licher Ausführlichk eit und dem Stande der
Zeit entsprechend, nicht mehr wiederholt
wurde.“
Weitere topographische Werke widmete
Beda Weber den drei größten Städten
lentierten Geistlichen aus dem Griechi-
schen.
Seit den dreißiger Jahren faszinierte ihn
das Leben einer Nonne des 17. Jahrhun-
derts. Die Arbeit, die zwar 1841 abge-
schlossen war, jedoch erst 1846 – es wirk-
te sich das Eingreifen der Zensur aus - in
Regensburg erscheinen konnte, trägt den
Titel:
„GiovannaMaria dellaCroce und ih-
re Zeit. Ein Lebensbild aus dem 17. Jahr-
hundert“,
ein kirchengeschichtliches
Werk, das größtes Lob fand. Davon er-
schien 1873 auch eine italienische Über-
setzung. – Als weitere Frucht der Beschäf-
tigung mit dieser Persönlichkeit erschien
schon vorher, 1845, das Bändchen
„Blüthen heiliger Liebe und Andacht. Ge-
sammelt für Kenner und Liebhaber des in-
neren Lebens. Aus den Schriften der Gio-
vannaM. v . Kreuze“.
Über diese Arbeiten fandBeda Weber zur
religiösen Bewegung im Tirol des 16. und
17. Jahrhunderts, woraus das Werk
„Tirol
und die Reformation. In historischen Bil-
Deutschtirols: Innsbruck (1837), Meran
(1845) und Bozen (1849). Auch die Arbeit
„Das Thal Passeier und seine Bewohner.
Mit besonderer Rück sicht auf Andreas Ho-
fer und das Jahr 1809“
(1852) darf man da-
zu rechnen, wenn auch hier der historische
Aspekt um anno Neun im Vordergrund
steht. Aufgrund des großen Erfolges wurde
davon sozusagen abgezweigt
„Andreas Ho-
fer und das Jahr 1809. Mit besonderer
Rück sicht auf Passeiers Theilnahme am
Kampfe“.
In dieser Arbeit wurden zum er-
sten Mal die Grundzüge einer bis heute gül-
tigen Andreas Hofer-Biographie gleichsam
festgelegt. Hier, er war selbst im Passeier
tätig, konnte er auch seinen eigenen For-
schungen nachgehen.
Beda Weber betätigte sich auch als geist-
lich-historischer Schriftsteller. Seit seiner
Romreise, 1829, beschäftigte er sich mit
Johannes Chrysostomos, was zur Publi-
kation führte:
„Johannes Chry sostomos.
Sechs Bücher vom Priesterthume“,
eigent-
lich eine Übersetzung des sehr sprachta-
dern und Fragmenten. Ein katholischer
Beitrag zur näheren Charak terisierung der
Folgen des dreißigjährigen Krieges vom ti-
rolischen Standpunk te aus“
hervorging,
das im Jahr 1841 erschien. Dem Buch, das
großes Aufsehen erregte, mangelte es zwar
an Quellenkritik, doch führte es erstmals in
die Kultur- undGeistesgeschichte jener Zeit
ein.
Beda Webers Arbeiten wurden immer mit
Begeisterung aufgenommen und in den an-
gesehensten Blättern hervorragend be-
sprochen. Mit dem Fortschreiten der Me-
thodik in den Wissenschaften, besonders
in der kritischen Geschichtsforschung, er-
kannte
man
freilich
auch
forschungstechnische Gebrechen. Als
Geschichtsforscher an sich Autodidakt, war
er mit Quellenkritik nicht vertraut. Er Be-
trieb schon Archivstudien, doch konnten
sich diese lediglich auf die Ferienmonate
beschränken. Zu spärlich gemachte Auf-
zeichnungen – er verließ sich meistens
wohl auf sein besonderes Gedächtnis –