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Os t t i r o l e r He i m a t b l ä t t e r
66. Jahrgang –– Nummer 12
aus, sondern half an Sonn- und Festtagen
in den umliegenden Pfarreien viel aus, wo-
bei er vor allem durch seine Predigten auf-
horchen ließ. Wie sehr in dem Schulmann
Beda Weber auch der Seelsorger steckte,
beweist der Umstand, daß er 1839 den Abt
ersuchte, eine Seelsorgestelle übernehmen
zu dürfen; so wurde er für 2 Jahre als Ko-
operator nach St. Martin i. Pass. ge-
schickt, wo er sich wohl fühlte und die Be-
völkerung sehr schätzen lernte, was in sei-
ner Tal-Ilias „Das Thal Passeier und seine
Bewohner“ seinen Niederschlag fand.
1848 kam Beda Weber schließlich als
Abgeordneter des Kreises Meran nach
Frankfurt. Neben seiner Tätigkeit am Par-
lament nutzte er die Zeit, um in den ver-
schiedenen Kirchen Frankfurts zu predi-
gen; und seine Predigten ließen offenbar
aufhorchen, auch bei Nichtkatholiken. Die
katholische Gemeinde wünschte ihn des-
halb als Nachfolger des eben verstorbenen
Dompfarrers Simon Bohn. Nach den ent-
sprechenden Verhandlungen zwischen
dem Bischof von Limburg und dem Abt
von Marienberg – sie müssen hier über-
gangen werden – wird Beda Weber
Dompfarrer zuFrankfurt. Als solcher hat er
versucht, neue Wege in der Großstadt-
seelsorge zu gehen. Entsprechend seinem
Wahlspruch
„Rastlose Thätigk eit allein
ist Leben und begründet Leben. Gott sey
darin unser Vorbild, die einzige Quelle der
guten That und des gesunden Lebens“
wa-
ren seine Kräfte bald aufgerieben, und so
ist Beda Weber bereits 1858 in Frankfurt
gestorben.
Beda Weber könnte man nun unter ver-
schiedenen Gesichtspunkten beleuchten.
Einmal als
To po g raph.
Als solcher
weist er große Ähnlichkeit mit Josef Ram-
pold auf. Auch er liebte es, in der Freizeit
die Gegend zu durchwandern und dabei Ein-
drücke von Volk und Land zu gewinnen.
Diese hat er wiedergegeben vor allem im
dreibändigen Werk „Das Land Tirol. Ein
Handbuch für Reisende“; sodann in „Meran
und seine Umgebung“ und „Die Stadt Bo-
zen und ihre Umgebungen“.
Ferner könnte man Beda Weber als
Po -
l i t i ker
darstellen. In der Frankfurter Na-
tionalversammlung, bei der eine Gruppe
für ein mächtiges Kaiserreich unter der
Führung der Habsburger eintrat (= groß-
deutsche Lösung), eine andere aber den
Vielvölkerstaat Österreich aus dem kom-
menden deutschen Reich ausschließen
wollte (= kleindeutsche Lösung), vertrat
Beda Weber natürlich die großdeutsche Lö-
sung. Seinen Wählern gab er folgender-
maßen die Grundsätze seiner Reichspolitik
bekannt (s. L. Steub, Der Sängerkrieg, S.
473):
„Mit innigster Liebe schließen wir
uns an Deutschland an, von dem wir zu un-
serem Schaden schon lange durch schwere
Zölle getrennt waren. Ein großes, einiges
Deutschland … soll der leitende Gedank e
unseres deutschen Herzens an der Grenz-
mark von Italien sein. … Und sollen wir
einen Kaiserwählen zuFrank furt am Main,
so ist es Österreich, dem unsere Stimmen
gelten; wir wollen mit Preußen, aber nicht
für Preußen stimmen …“.
Somit war schon damals in Beda Weber
irgendwie die Idee eines vereinigten Euro-
pa lebendig. Leider ließen sich in dieser
Blick auf das Benedik tinerk losterMarienberg im oberen Vinschgau, in das BedaWe-
ber im Jahr 1820 eintrat; Gouache von Philipp Makart, 1850 (Ausschnitt).
(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Bibliothek )
historischen Stunde viele von nationali-
stischem Denken bestimmen, so auch der
König von Preußen, der bekanntlich
ganz entrüstet die ihm angebotene Kaiser-
krone ablehnte. In einem Brief an den
Chemiker Bunsen schreibt er u.a. :
„Einen
solchen immaginären Reifen, aus Dreck
und Letten geback en, soll ein legitimer
König von Gottes Gnaden und nun gar der
König von Preußen sich geben lassen?“
Beda Weber hat sich auch als
Hi s to ri -
ker
betätigt, vor allem in seinen topo-
graphischen Werken. Als solcher ist er al-
lerdings etwas mit Vorsicht zu genießen,
was die Verläßlichkeit seiner Angaben be-
trifft. Daß er als
Di chter
einiges Ansehen
genoß, erhellt schon daraus, daß seine Ge-
digtheft auf das Kirchenpult bringt und vor
der ganzen Gemeinde selbst bezeugt, daß
sein Vortrag etwas Fremdes, seiner Natur
Aufgenötigtes, nicht einmal im Gedächt-
nisse, geschweige im Herzen Fix iertes
ist“.
(Cartons S. 495)
Der Dompfarrer zu Frankfurt, der unter
verschiedenen konfessionellen Schwie-
rigkeiten zu leiden hatte und trotzdem eine
große Achtung vor der anderen Konfession
an den Tag legte (s. u.), warnt ferner davor,
sich in der Verkündigung des Wortes Gott-
es in Polemik einzulassen. Sicher ganz
persönliche diesbezügliche Erfahrungen
machen sich in folgender Bemerkung Luft:
„Die schlechten Zeitungen hack en sich
wie Lämmergeier ins Eingeweide seiner
dichte unter dem Titel „Lieder aus Tirol“
von dem berühmten Klassiker-Verlag
„Cotta“ angenommen und herausgebracht
wurden.
Nun aber sei versucht, Beda Weber als
Seel s o rg er
in gebotener Kürze darzu-
stellen.
Es war schon die Rede von seinen Pre-
digten, die aufhorchen ließen. Deshalb
vorerst ein Hinweis auf den Seelsorger Be-
da Weber als
Verkündi g er des Wo rtes
Go t tes .
Die Verkündigung soll nach Beda Weber
nicht eine abstrakte Wissensvermittlung
sein, sondern es ist wichtig, daß das Wis-
sen im Redner bereits zur Tat geworden ist
und dieser somit aus persönlicher Erfah-
rung spricht. Prediger ohne Seel-sorgser-
fahrung nennt er
„Soldaten ohne Krieg und
Pulvergeruch, geschult zur Parade und zum
Einhauen auf schuldlose Zuschauermit fla-
chem Säbel, aber nicht zum Sturm in der
Schlacht, blutscheu zum Entsetzen“.
(Cartons S. 421)
Auch legt er großen Wert auf das unmit-
telbare lebendige Wort (nicht ablesen!)
und meint, daß ein Vortrag nie einschla-
gen wird, wenn
„der Redner ein dickes Pre-
Predigt und schmausen sich daran wie Viel-
fraße voll von Schimpf und Galle gegen
den katholischen Seelsorger und seine hl.
Kirche.“
(Cartons S. 424) Aus diesen Hin-
weisen erhellt, welche Liebe und Wert-
schätzung Weber dem Wort Gottes entge-
genbrachte, und das vor 150 Jahren, als in
der katholischen Kirche – als Reaktion auf
die Reformation – die Bibel noch sehr ver-
nachlässigt wurde. Wenn wir heute von ei-
ner Renaissance der Bibel sprechen kön-
nen, so ist der Weg dazu von weitblicken-
den Seelsorgern wie Beda Weber geebnet
worden.
Einen großen Stellenwert nahm in Beda
Webers Seelsorgetätigkeit der Gemeinde-
gottesdienst ein. Er sieht darin die Verei-
nigung des
„Einen Leibes“,
d.h. von Haupt
undGliedern, eine Sicht, die man zu gerne
nur unserer Zeit zuschreiben möchte und
die im Vaticanum II dann tatsächlich ihren
Niederschlag gefunden hat. In der Litur-
giekonstitution 7 ist die Rede vom
„my -
stischen Leib Christi, d.h. dem Haupt und
den Gliedern“.
Wenn Weber in der gottes-
dienstlichen Sonntagsfeier vor allem die
Versammlung der „Gemeinde“ sieht und
darauf großen Wert legt, so überrascht er