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Nummer 12 –– 66. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
ebenfalls mit einemGedanken, den das Va-
ticanum II aufgegriffen und in den Vorder-
grund des liturgischen Lebens gestellt hat:
„Daher sollen alle … überzeugt sein, daß
die Kirche auf eine vorzügliche Weise dann
sichtbar wird, wenn das ganze heilige
Gottesvolk voll und tätig an denselben li-
turgischen Feiern, besonders an derselben
Eucharistiefeier, teilnimmt“
(Lk 41). Um
den Gemeindegottesdienst etwas zu bele-
ben, hat sich der Dompfarrer zu Frankfurt
auch für einen entsprechenden, würdigen
Gemeindegesang eingesetzt. Über die
Singgewohnheiten, die er bei seinen
Frankfurtern vorfand, hat er sich folgen-
dermaßen geäußert:
„Die Eitelkeit, welche
bei jugendlichen Metallstimmen Eifer-
sucht erweck t und die Selbstgefälligk eit
nährt, v erleitet abgelebte Matronen, ihre
schrillen Stimmittel in herzzerreißender
Agonie abzuhetzen, und sechzigjährige
Männer und Junggesellen, die zersprunge-
nen Glock entöne ihrer Brust wie v iel-
stimmiges Thiergeheul vom Taunus her in
die christliche Versammlung zu schleu-
dern. Das nennt man bei uns zu Lande,
‘Gott den Herrn aus allen Kräften loben und
preisen’, während v ielen Gegenwärtigen,
welche diese Liederhetze entweder nicht
gewohnt, oder zarter organisirt sind, Se-
hen und Hören v ergeht“
(Cartons S.
255). Beda Weber schlägt als Gegenmaß-
nahme vor, eine Anzahl von geschulteren
Kindern auszuwählen undmit dem Gesang
zu betrauen; darin kann man einen Vorläu-
fer der späteren Sängerschola sehen.
Auch hat er einen Männerchor ins Leben
gerufen, um für Festtage Akzente zu setzen.
Einen auffallenden Weitblick verrät
Beda Weber, wenn er in prophetischer
Weise auf die
Kri s e des chri s t l i chen
So nntag es
in der modernen Zeit hin-
weist.
Mit Bedauern stellt er fest, daß auf Grund
der modernen Zivilisation von einer ei-
gentlichen Sonntagsfeier und Sonntags-
ruhe immer weniger die Rede sein kann. Ist
es nicht wie für unsere Zeit gesagt, wenn er
feststellt:
„Die Menschen werden in unse-
ren Tagen nicht von der Justiz, sondern
von dem Überschwang unserer unv er-
gleichlichen Ziv ilisation gerädert,…, wo
der Sonntag überflüssig ist und die Ver-
zweiflung allein das Recht behält, ihre un-
seligen Opfer unter dem Schwung der Spei-
chen zu zerquetschen – eine der v ielen
Quellen des Selbstmordes, des Wahnsinns
und des frühzeitigen Abblühens aller Le-
bensk räfte.“
(Cartons S. 481)
Neben dem Gemeindegottesdienst
fördert Beda Weber – gegen die aufkläreri-
schen Tendenzen seiner Zeit – mit allen
Mitteln auch die verschiedenen
Vo l ks -
andachten
(Rosenkranzandacht,
Kreuzwegandacht, lateinische Vespern,
Wallfahrten). Zur vielfachen Verdrän-
gung dieser Gottesdienstformen zu seiner
Zeit hat er einmal bemerkt:
„So ist es ge-
lungen, den Wald von allen Nachtigallen,
Drosseln undHeidelerchen zu säubern, da-
mit der arme unmusikalische Baumspecht
an seinem Holz allein hack en und pfeifen
kann.“
(Cartons S. 258)
Ist nicht auch das wie für unsere Zeit ge-
sagt, indem im Zuge einer falsch verstan-
denen lilturgischen Reform mit Volksan-
dachten zuviel aufgeräumt worden ist?
Besondere Aufmerksamkeit schenkte
der Stadtpfarrer der religiösen
Erzi ehung
der Jug end.
Am katholischen Gymnasi-
um besorgte er selber den Religionsunter-
richt. Wie sehr er dabei den Erwartungen
der Jugend entsprach, geht aus dem Be-
richte eines seiner Schüler hervor:
„Beda
Weber war scharfblick ender Menschen-
k enner durch und durch, er kannte darum
auch die Bedürfnisse der Jugend, besonders
der studirenden Jugend, errieth dieselben
und kam ihnen gleichsam zuvor; den
trock ensten, abstractesten Gegenständen
wußte er stets eine interessante Seite ab-
zugewinnen und durch diese dann die Auf-
merk samk eit von uns Gymna-siasten so
zur fesseln, daß uns die Religionsstunde zu
liebsten Lection wurde und ohne die trif-
tigsten Beweggründe Keiner von uns die-
selbe v ersäumte“
(Deutschl. 1858, Nr.
49). Religionslehrern, die es im Unter-
richt an Lebensnähe mangeln lassen, redet
er so ins Gewissen:
„Sie rechnen es sich
nicht zur Sünde an, daß die Langweile wie
ein tödtliches Gift die Religionsstunden
ansteck t und allgemeines Gähnen verbrei-
tet.“
(Cartons S. 253)
Gleich zu Beginn seiner Tätigkeit als
Seelsorger einer Stadtpfarre hat Beda We-
ber richtig erkannt, daß eine
s o zi al -ca-
ri tat i v e
Initiative Grundvoraussetzung
ist für die Neubelebung des Glaubensle-
bens. So entstand auf seine Anregung hin
ein „Damenverein“, der sich die Aufgabe
gestellt hatte, armen Schulkindern Kleider
anzufertigen. Ein „Verein zu den heiligen
Engeln“ wurde zum Schutze verwahrloster
Mädchen ins Leben gerufen. In besonderer
Weise mit dem Namen „Beda Weber“ ver-
bunden ist der „Vincentiusverein“, mit
dem er Not in und außerhalb der Stadt zu
lindern suchte. Anläßlich der Wasserkata-
strophe von 1855, durch die Burgeis be-
sonders heimgesucht wurde, sind an die
300 Gulden gesammelt und dorthin ge-
schickt worden. Als Vorstand dieses Ver-
eines gewann der Stadtpfarrer den Ein-
druck:
„Nirgends ist die Neigung, Armen
zu helfen, so allgemein, so tief gewurzelt
als zu Frank furt“
(Charakterbilder S.
116).
Neben dieser mehr materiellen Not
übersah Weber nicht die geistige Armut,
die bodenlose Unwissenheit vieler. Des-
halb gründete er auch eine Leihbücherei.
Doch alle diese Schritte genügten dem
unermüdlichen Seelsorger nicht, um der
Aufgabe der Glaubensfestigung in seiner
Gemeinde gerecht zuwerden. Er wollte den
Frankfurter Katholiken ein Organ schaf-
fen, das ihre Angelegenheiten in der
Öf -
fent l i chkei t
vertreten konnte; so grün-
dete er die Wochenzeitschrift „Frankfurter
Katholisches Kirchenblatt“, das den
Glauben festigen und religiöse Unterwei-
sung bieten sollte. Ermutigt durch die Er-
folge mit diesem Wochenblatt, das bald
über die Diözese Limburg hinaus bekannt
wurde, rief er schließlich die Tageszeitung
„Deutschland“ ins Leben, um den Katholi-
ken ein Mittel in die Hand zu geben,
ihre Rechte öffentlich zu verteidigen. Ge-
rade im Hinblick auf diese Stärkung des
Selbstbewußtseins hat Fr. Hier. Riedl ein-
mal ganz richtig bemerkt:
„Jetzt gesellte
sich Beda Weber dem Kreis jener bedeu-
tenden katholischen Männer, welche den
Katholizismus in der Diaspora aus dem
Ghetto und zu neuer Blüte führten, zu.“
Als letzte große Initiative des Stadt-
pfarrers sei die Restaurierung des Kaiser-
domes genannt, mit der eine innere Re-
staurierung der Gemeinde durch eine
Je-
s ui tenmi s s i o n
Hand in Hand ging.
Dabei ist zu bedenken, daß Beda Weber
nicht ein Freund der Jesuiten war. Es
spricht für seine Größe, wenn er trotzdem
Büste Beda Webers aus Laaser Marmor,
geschaffen vom Bildhauer Josef Moser,
die am 9. Juli 1907 auf der Gilfpromena-
de in Meran enthüllt wurde. Heute befin-
det sie sich im Pfarrwidum in Burgeis,
während 1955 in Meran ein neues Beda
Weber-Denkmal aufgestellt wurde.
Foto: H. Ratschiller, Meran
(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum,
Bibliothek )
Wahlspruch Beda Webers, eigenhändig geschrieben und in einigen seiner Publika-
tionen abgedruck t.