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PORTRAIT
PUSTERTALER VOLLTREFFER
MÄRZ/APRIL 2014
7
Die beiden wuchsen mit den
vier leiblichen Geschwistern
Moidl, Gretl, Tondl und Paula
sowie Ziehbruder Robert in
ärmlichen Verhältnissen auf
dem Watschingerhof oberhalb
von Sexten auf. Anna und Claus
erbten den ruhigen Charakter
des Vaters. Die Mutter war ener-
gisch und griff oft durch.
„Der Claus war seit jeher ein
liebenswerter Mensch“, so
Anna Gatterer. Sie erinnert
sich: „Ich ging damals noch zur
Volksschule. Claus verdiente
gerade sein erstes Geld.
Damit kaufte er mir ein
kleines Büchlein mit schönen
Sprüchen. Bis heute bin ich
glücklich darüber!“ Und ein
Satz von ihm prägt sie immer
noch. „Er sagte einst zur mir,
dass ich so bleiben soll wie
ich bin. Ich habe immer ver-
sucht, mich daran zu halten
und den geraden, ehrlichen
Weg nicht zu verlassen“, er-
zählt sie.
Ein harter Schlag
„Als mein Bruder im Juni
1984 längere Zeit nichts von
sich hören ließ, rief ich ihn in
Wien an. Ich machte mir Sor-
gen, denn er war sehr krank.
deshalb am nächsten Tag noch-
mals probieren“, erzählt sie mit
wässerigen Augen. „Nach einer
schlaflosen Nacht kam mir
allerdings ein Anruf aus Wien
zuvor. Nicht von Ärzten, Kran-
kenschwestern oder nahe ste-
henden Freunden, sondern von
einem mir unbekannten Mann.
Er teilte mir mit, dass der Claus
in der Nacht verstorben ist.“
Für Anna brach eine Welt zu-
sammen. Tochter Hildegard
und die Familie im Kinderdorf
gaben ihr in dieser schweren
Zeit viel Kraft und Halt. „Al-
lein hätte ich dies mit Sicher-
heit nicht durch gestanden“,
versichert die Schwester, die in
Natz bei Brixen lebt.
Martina Holzer
Gerne macht es sich Anna auf ihrem Sofa gemütlich. „Ich habe es
aus Wien geholt. Es gehörte meinem Bruder.“
seine große journalistische
Karriere machte. Auch Elisa-
beth T. Spira von den „Hei-
ratsg’schichtn“ ist auf dem
Bild zu sehen. „Oftmals ist er
zu mir nach Brixen gekommen,
wo ich als Kinderdorfmutter ar-
beitete. Meistens sehr überra-
schend. Das war eine Freude!“,
erzählt Anna mit leuchtenden
Augen. Die Kinder mochten
ihn, den „Onkel Claus“ und
gaben ihm Kraft. Gerne spielte
er mit ihnen Karten oder
„Mensch ärgere dich nicht“.
„Und als er wieder nach Wien
unterwegs war, flüsterten mir
die Kinder zu, dass sie den
Claus gewinnen haben lassen,
damit er eine Freude hat“,
schmunzelt sie.
Viele Telefonate
Für Gatterer war die Heimat
ein großer Schatz. Telefonge-
spräche Brixen-Wien oder
Wien-Brixen wechselten sich
ab. Und er sagte seiner Schwes-
ter immerzu aufs Neue: „Grias
mo Sexten, den Haunold, den
Gsell“. Anna weiß gar nicht
mehr, wie oft sie die von ihrem
Bruder geschätzten Berge
grüßte. Aber sicher oft.
Bilder von Claus. Die Fotos wecken schöne Erinnerungen.
Die vielen Briefe,
die sie von ihrem
Bruder erhielt
und sorgsam sam-
melte, holt Anna
immer wieder aus
ihrer Kommode.
So manches
Schreiben lässt
Traurigkeit auf-
kommen. „Denn
die Briefe verrie-
ten auch, dass
Claus oft ausge-
nützt wurde. Er
glaubte immer
wieder an die fal-
schen Menschen.
Er war einfach zu
gut. So wie unser
Vater.“
xten berührt
Als ich ihn in der Leitung hatte,
meinte er, dass er mir etwas Be-
deutsames sagen möchte. Doch
plötzlich wurde die Verbindung
unterbrochen, die sich an die-
sem Abend auch nicht mehr
aufbauen ließ. Ich wollte es