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GESCHICHTE
PUSTERTALER VOLLTREFFER
JÄNNER/FEBER 2014
5
Das Besondere an dem
Buch?
Das Besondere an dem Buch
ist, dass erstmals alle Seiten
(Freiheitskämpfer, Politiker und
italienische Staatsdiener) in
Form von Interviews zu Wort
kommen. „Dadurch wird die
neutrale Sicht auf die Ge-
schichte gewahrt, und der Leser
kann sich selbst eine Meinung
über die jüngere Geschichte
Südtirols bilden – ohne dass
etwas vorgegeben wird“, meint
Oberlechner. Es werden auch
teils sehr konträre Erlebnisbe-
richte bzw. Einstellungen her-
vorgehoben und noch nie veröf-
fentlichte Bilder gezeigt. Der
Reinerlös des Werkes kommt
dem Herz Jesu Notfonds zugute,
der in Not geratene Schützen
und deren Familien unterstützt.
Helmut Heuberger
Auch Helmut Heuberger
(1923-2011) kommt im Buch
vor. Für seine BAS-Aktivitäten
wurde der gebürtige Innsbrucker
1966 in Mailand in Abwesenheit
zu einer 30-jährigen Haftstrafe
verurteilt. Was tat er in der
Feuernacht? „Eine meiner we-
sentlichen Aufgaben war es, ein
Depot in einem kleinen Stadel
nahe einer Kurve der Mendel-
straße herzurichten, wo andere
den Sprengstoff abholen konn-
ten. Sie haben kurz in der Kurve
gehalten, ich bin hervorgesprun-
gen und habe ihnen das ‚Packl‘
gegeben“, wird Heuberger zi-
tiert. Als er die Pakete aus dem
Depot verteilte, seien immer
wieder Carabinieri-Wagen mit
Geheul vorbei gefahren. „Die
haben natürlich nichts geahnt.
Später habe ich ‚meinen Mast‘
geladen, und dann hab’ ich mir
noch einen zweiten Masten ge-
sucht, weil ich schon fertig war.“
Maya Mayr
Das 239-seitige Buch beinhal-
tet auch Erzählungen von Maya
Mayr (geb. 1945) aus Bozen-
Rentsch, die in den 60er Jahren
politische Häftlinge betreute
und Sprengstoff transportierte.
Dafür saß sie selbst ein Jahr lang
im Gefängnis. Ihre politische Er-
innerung? „Bei uns daheim
wurde sehr viel politisiert. Unser
gesamter Bekanntenkreis war
deutsch, und wir haben uns alle
gewehrt, damit wir nicht als
Volksgruppe untergehen. Das ist
bei uns in der Familie einfach so
gewesen. Mutter war sehr aktiv,
hat sich viele Freunde im Aus-
land gesucht, die die Südtiroler
unterstützt haben. Viele davon
sind bei uns zu Hause ein- und
ausgegangen.“ Schon auf dem
Weg zur Schule habe es Kämpfe
gegeben. „In der Schule waren
Italiener im oberen Stock und
wir im unteren. Schon bei uns
Kindern waren Neid und Hass
da. Wir sind in der Früh hinauf-
gegangen und haben Steine hi-
nunter geworfen zu den Italie-
nern. Sie haben uns ‚crucchi’
geschimpft, wir haben sie die
„Walschen“ geheißen. Sie haben
uns nicht gemocht, und wir
haben sie nicht gemocht.“
Auf Sigmundskron
dabei
Bruno Hosp (geb. 1938) war
als SVP-Politiker in verschiede-
nen Funktionen tätig. Er war
auch auf Sigmundskron dabei,
wo am 17. November 1957 die
Großkundgebung stattfand. Bei
ihr wurde das Motto „Los von
Trient“ geprägt, aus dem im
Kilogramm Sprengstoff, je nach
Stärke des Mastes. Man hat den
Zünder und die Uhr vorbereitet,
ist dann hingegangen, in der
Nacht natürlich, hat zuerst den
Sprengstoff und zum Schluss
die Uhr angebracht. Das ist na-
türlich eine sehr heikle Angele-
genheit, man muss alles drei
Mal kontrollieren, sonst geht
man selber in die Luft.“
Klar gegen Anschläge
Von Anfang an gegen An-
schläge war Ludwig Steiner
(geb. 1922). Er war österrei-
chischer Diplomat und Politi-
ker, an den Verhandlungen zum
österreichischen Staatsvertrag
beteiligt und Mitglied der öster-
reichischen Delegation vor der
UNO bei den Südtirol-Ver-
handlungen. „Ich war im Un-
terschied zu Kreisky von vorn-
herein gegen Anschläge und
der Meinung, dass es noch Ver-
handlungsspielraum gibt und
dass die Rede vom ‚Todes-
marsch der Südtiroler’ nicht
stimmt. Denn in Wirklichkeit
haben die Südtiroler zugenom-
men. Ich war 1945 dafür, dass
man aus dem Widerstand he-
ol-Konflikt alle Seiten zuWort
italienischen Gerichten groß-
teils nicht geahndet, währen die
BAS-Aktivisten teils zu langen
Haftstrafen verurteilt wurden.
Von verschiedenen Gruppen
mit teils neonazistischen Hin-
tergrund wurden bis in die spä-
ten 1980er-Jahre dann deutlich
brutalere Anschläge durchge-
führt, die mehrere Menschenle-
ben forderten.
„Das vergisst man nie“
Oberlechner schuf nun ge-
meinsam mit einer Reihe von
Menschen ein einzigartiges
Werk mit dem Titel „Das ver-
gisst man nie“. Günther Obwegs
trug mit seinen vielen Kontak-
ten und seinem reichen Wissen
sowie exklusiven Fotos viel zur
Erstehung des Buches bei. Al-
lerdings verunglückte der Vater
von drei minderjährigen Kin-
dern vor einem Jahr in Percha
tödlich bei einem Verkehrsun-
fall. Die Interviews führte die
Journalistin Birgit Mosser Schu-
öcker (41). „Günther wurde mir
empfohlen – als jemand, der sich
auskennt. Und wie sich Günther
auskannte. Sein Wissen war un-
erschöpflich. Und er war bereit,
seine Informanten, seine Erfah-
rungen, sein Archiv mit mir zu
teilen “, so Schuöcker dankbar.
Laufe der Zeit das Südtirol-
Paket entstand. Gemeinsam mit
23 Kameraden seiner Matura-
klasse und weiteren Meranern
war Hosp dort. „Wir haben uns
mit einem großen Spruchband
an der Kundgebung beteiligt.
„Tirol den Tirolern“ und „Weni-
ger Worte, mehr Taten“. Ich
habe es selbst gemalt und mit
meinen Kollegen getragen. Wir
haben uns ganz in der Nähe des
Rednerpultes aufgestellt. Silvius
Magnago, damaliger Obmann
der Südtiroler Volkspartei, der
das Hauptreferat hielt, hat uns
sogar belobigt, er war für uns
für alle Zeiten ein Vorbild.“
Sprengsätze
Sepp Mitterhofer (geb. 1932)
war BAS-Mitglied. Er wurde
für seine Taten später auch
schwer gefoltert und zu einer
hohen Haftstrafe verurteilt. Im
Buch beschreibt er wie er die
Sprengsätze anbrachte. Mitter-
hofer: „Man hat die Ladung zu
Hause vorbereitet, ein bis zwei
Bruno Hosp (l.) und seine
Freunde mit dem selbst
gestalteten Transparent.
Freiheitskämpfer Luis Amplatz
ging weiter: „Los von Rom“ –
und es sei genug.