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GESCHICHTE
PUSTERTALER VOLLTREFFER
JÄNNER/FEBER 2014
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raus in Südtirol etwas macht,
habe aber in Südtirol kein Echo
gefunden.“
Österreich musste
Scherben
zusammenklauben
Steiner weiter: „Man hat vom
Kaffeehaus in Innsbruck die
Leute hineingehetzt. Aber die
Scherben zusammenklauben
musste Österreich, denn man
musste ja ständig für die Leute,
die ihren Schädel hingehalten
haben, die guten Glaubens ge-
handelt haben, intervenieren und
für ihren Rechtsbeistand sor-
gen.“ Das sei nicht billig gewe-
sen. „Und die, die die Leute auf-
gefordert haben, sind in voller
Deckung geblieben.“ Laut Stei-
ner sei der Zeitpunkt für An-
schläge falsch gewesen. „So
etwas geht nur in äußerster Not,
aber nicht aus einer friedlichen
Situation heraus und ohne Rück-
halt in der Bevölkerung. Die
Leute haben zwar gesagt:
‚Bärig, da knallt‘s‘, aber unter-
stützt hat das kein Mensch. Die
Frage war immer: Gibt es eine
Volksbewegung? Sigmunds-
kron, das war eine Volksbewe-
gung. Das hat auch tiefe Eindrü-
cke hinterlassen; aber das andere
waren einfach Anschläge. Und
es hat Leute gefährdet, die ja bit-
ter bezahlt haben dafür.“
Carabinieri Budroni
Bruno Budroni war ab 1964
bei einer Spezialeinheit der Ca-
rabinieri im Pustertal statio-
niert. Er heiratete eine Südtiro-
lerin und lebt heute in Mühlen.
Und er stellt im Buch klar:
„Den Mord an Tiralongo haben
nicht die Puschtra Buibm ver-
übt. Ich habe den Tatort gese-
hen: Er wurde nicht, wie es of-
fiziell geheißen hat, vom Hüh-
nerstall aus erschossen, sondern
von oben.“ Dort wo die Patrone
in den Körper eindringe, ent-
stehe ein kleines Loch, wo sie
austrete, ein großes. „Ich habe
das sofort gesehen. Das lernt
man ja auf der Polizeischule.
Aber die Behörden wollten den
Vorfall bedeckt halten. Ich
habe gesagt, so war das nicht:
Tiralongo wurde vom Fenster
aus erschossen, als er vom Klo
auf den Balkon trat.“
Giancarlo Zanotti
Auch Giancarlo Zanotti war in
den Bombenjahren als Carabi-
niere in Südtirol eingesetzt. „Es
gab sicherlich sehr schwierige
Momente für die Südtiroler, aber
auch für uns und für alle Ord-
nungskräfte.“ Man habe getan,
was die Vorgesetzten verlangten.
„Wir hatten keinen Kontakt zur
Bevölkerung und wir verstanden
die politische Lage nicht. Wir
waren Exekutoren, die sich nur
nach ihrem eigenen Gewissen
richteten. Ich bin auch überzeugt,
dass sogar von unseren Vorge-
setzten viele das ,Warum‘ nicht
kannten.“ Auch in kleineren
Orten, wie z. B. Kastelruth, habe
man Dienst versehen. „Wir sind
zu zweit auf Streife gegangen,
auf die Almen. Ich bin bei den
Bauern einer großen Dialogbe-
reitschaft begegnet“, so Zanotti.
Die Reaktion der
Carabinieri
Die Stimmung unter den
Carabinieri sei damals „negativ,
gewalttätig“ gewesen. „Wenn
jemand eine Bombe legt, die
deinen Kollegen tötet, dann
könntest du ihm den Hals um-
drehen. Diese Reaktion ist
menschlich.“ Als die Attentate
passierten, habe das bei den
Carabinieri bestimmte Reaktio-
nen hervorgerufen. „Besonders,
als wir an den Begräbnissen
der Gefallenen teilgenommen
haben; denn Gefallene hat es
Silvius Magnago, der damalige Obmann der Südtiroler Volks-
partei, setzte sich für die Forderungen ein und wurde dadurch zur
Symbolfigur der Südtiroler Autonomie.
1964: Rosa Klotz mit ihren Kindern Wolfram, Eva und Manfred
bei der Beerdigung von Luis Amplatz. Er setzte sich in den 1950er
und 1960er gewaltsam für die Autonomie Südtirols ein.
Sepp Innerhofer (l.) in Untersuchungshaft.