Seite 5 - H_2000_10-11

Basic HTML-Version

einige Hühner und Krähen, die Italien
nicht kennt, und Lämmernes am Spiess.
Als vierte folgte Kraut in der Schüssel,
darüber Speck und ein Kranz von Haus-
würsten. Diese Speise war delikater als
anderswo bereitet und hat fast allen
Freude gemacht. Es folgte gekochtes Gem-
senfleisch mit kleingeschnittenen Äpfeln
und Zwiebel darüber und mit Gewürz
überstreut. Dieses Fleisch ging nicht ein
unter mein Dach
„(,… sub tectum meum,
…‘)“,
da es länger abgelegen war, als es
seine Natur verlangt hätte. An sechster
Stelle kamen herein Rindfleisch und aus-
gezeichnete Hühner in fetter Suppe,
davon genossen nur wenige von uns, weil
kein weiterer Raum im Quartier des Ma-
gens frei war. Die vorletzte Speise war
Fleischsuppe mit Gerste, was den Tafeln-
den paßte. Als Nachtisch hatten wir einen
großen milden Käse, frische Nüsse und
süße Birnen. Soll ich noch berichten vom
leichten und schön geformten Weißbrot,
das in der Toscana buffetto heißt, oder
vom weißen und roten Wein“
[darunter Fa-
lerner],
,,der nach meiner Meinung aus
dem Kloster Rossatz geliefert worden ist?“
Zur Darlegung dieser standesgemäßen
Aufwartung durch Virgil von Graben sind
einige Notizen angebracht
15
: Das Festmahl
auf Lengberg diente zunächst der Reprä-
sentation des Gastgebers, wozu die Ver-
fügbarkeit eines eigenen „schöneren und
nobleren“ Speisezimmers, das erlesene Ge-
deck wie das halb zur Schau und halb zur
Einnahme von Speis und Trank be-
stimmte kostbare Tafelgeschirr nur zu will-
kommene Voraussetzung bildeten. Gleich
wichtig mag dem Gastgeber die Ehre ge-
wesen sein, die er seinen Geladenen durch
das in Qualität und Quantität, auch in Be-
sonderheit der Zubereitung des Festmahles
durch Gewürze
16
zuteil werden ließ; fast
nach dem Motto des vor kurzem noch all-
gemein bekannten Bauernspruches:
,,Wer hat, der tuit,
der setzt die Kappe auf‘n Huit.“
Schließlich tat man beim Essen und
Trinken nicht nur dem allgemein
menschlichen Bedürfnis nach Sättigung
genüge, sondern darüber hinaus auch der
Beförderung körperlichen Wohlbehagens
durch die Fülle an gereichten Gaumen-
freuden.
Es ist unklar, was mit den beim dritten
Gang gereichten Krähen für Vögel ge-
meint sind. Nicht nur unsere Krähe allein
führte diesen Namen; auch der Rabe.
Beide Namen kreuzen sich förmlich bei
einer Art, corvus corone, sowohl die
schwarze oder Aaskrähe, Hauskrähe, als
auch der kleine Rabe, auch Rabenkrähe
genannt. Auch der Häher schafft hier zu-
sätzlich Verwirrung: Die Mandelkrähe
oder Garbenkrähe, blaue Krähe u. a. heißt
auch Weizhäher, Birkenhäher, der Nuß-
häher auch Nußkrähe, kärntnerisch
,,gragl“, hochpustertalerisch ,,gratsche“.
Krähe im engeren Sinne ist die graue
Krähe, die gemeine, auch Nebelkrähe,
Asch-, Winter-, Holz-, Schild- oder Sat-
telkrähe.
17
Somit haben wir die Qual der
Wahl, welche von den Krähen auf Leng-
berg aufgetischt wurde.
Die Bezeichnung ,,Hauswurst“ lässt auf-
horchen, weil es sich dabei um ein Produkt
handelt, das auf große Haltbarkeit hin ent-
wickelt und erzeugt wurde. – Von der Ger-
ste hinwider wissen wir, dass sie auch in
sehr hohen Lagen ausreift und gedeiht und
in unserer Gegend seit langem für die so
beliebte und weitverbreitete ,,Gersten-
suppe“ verwendet wurde.
Geradezu ins Schwärmen gerät Santo-
nino angesichts des den Tafelnden ge-
reichten Weißbrotes. Mit ,,leicht“ und
,,schön geformt“ apostrophiert er es, was
zur Annahme verleiten könnte, in ihm eine
Art Gebildbrot zu sehen.
Brot selbst war im Mittelalter keine All-
tagsspeise, sondern Herrenessen, und
darum auch so begehrt. Es bedeutete ur-
sprünglich auch nicht das, was wir heute
damit meinen. Mus und Brei waren offen-
kundig die älteste Speiseart, denen das
Brot in Form von Fladen entwicklungs-
geschichtlich folgte. Unter mhd. ,,muos“
verstand man das dem gemeinen Mann
Zugeteilte, also die feste Ration, die All-
tagskost, das zum Leben Nötige, das ist
das tägliche Brot!
18
Die Geschichte zeigt
übrigens, dass die minder bemittelten,
armen Leute immer dunkles Brot aus gro-
bem Mehl (Roggen, Hafer, Gerste) und
Kleie, und die Wohlhabenden, die Reichen
weißes aus feingemahlenem und gesiebten
Getreide, am besten Weizen, aus dem alle
Kleie entfernt war, gegessen haben.
Gleiches Brot für alle war revolutionär!
Soziale Unterschiede schlugen sich eben
auch im Brotverzehr nieder.
19
Die all-
gemeine Wertschätzung des Weißbrotes
erhellt übrigens auch noch in dem alten
Pustertaler Spruch:
,,Guita Milch und waza Broat isch(t)
mei Toad“,
was so viel bedeutet, dass man es neben
der guten, nicht entrahmten Milch als
Wegzehrung auf den Tod und das Leben
danach verwenden bzw. überhaupt für sein
Leben gern verzehren könne.
Das römische Wortpaar ,,Brot und
Spiele“ ist bis heute ein Begriff geblieben,
um zu beschreiben, dass eine Regierung,
Partei, Rundfunkanstalt oder sonst eine
Nummer 10-11 –– 68. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
Gedeckte Tafel, Ausschnitt aus der Abendmahl-Szene am sog. St. Magdalena-Altar von
1498 in St. Korbinian, Thal-Assling. Die Ausführung des Altars wird heute dem sog. Bar-
barameister im Umkreis des Friedrich Pacher zugeschrieben.
Foto: Meinrad Pizzinini
Stellage mit gläserner Karaffe und ange-
schnittenem Brotlaib, Ausschnitt aus dem
Fresko „Tod Mariens“ des Simon von
Taisten, 1490/1496, in der Kapelle von
Schloß Bruck.
Foto: Lois Ebner