Seite 4 - H_2001_02-03

Basic HTML-Version

O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
69. Jahrgang –– Nummer 2-3
An dieser Stelle drängt sich die immer
wieder aufkeimende Frage auf, wer das
„sichere Plätzchen“, das P. Edmund zu
haben glaubte, der GESTAPO verraten
haben könnte.
Für die Version, der „Judas“ könnte in
klösterlichen oder klerikalen Kreisen zu
finden sein, ergibt sich aus dem umfang-
reichen Informationsmaterial nicht der
geringste Fingerzeig. Eine solche An-
nahme lässt sich allein mit der Tatsache,
dass den Ordensoberen und deren Umfel-
dern die Aufenthaltsorte, die sie ja dem P.
Edmund vermittelt hatten, nicht begrün-
den. – Der Weihnachtsbrief (Dezember
1942; siehe Beitrag in OHBL 2/2000 mit
Zitat des originalen Wortlauts) an den Erz-
abt von Pannonhalma (Ungarn) dürfte der
GESTAPO bei ihren ständigen Verfol-
gungen des Paters bei einer Durchsuchung
in die Hände gefallen sein. – Wenn man
aber den Text der vorzitierten, ungarischen
Flugschrift liest, rückt die Antwort auf die
Frage, wer das Domizil des P. Edmund der
GESTAPO preisgegeben haben könnte,
schon weit näher! Steckten da die volks-
deutschen Organisationen dahinter? Dass
sich P. Edmund in diesen Kreisen unbe-
liebt gemacht und hinderlich erwiesen
hatte, ist selbst dem knappen Text des
Flugblattes unschwer zu entnehmen. Um
aber auf diesen Schatten im Leben des
P. Edmund näher eingehen zu können,
müssten die politischen Zielsetzungen und
Bestrebungen der „volksdeutschen Orga-
nisationen“ in damaliger Zeit in Ungarn
näher bekannt sein.
Jedenfalls stellt die ungarische Flug-
schrift mit dem wiedergegebenen Text das
einzige bis jetzt aufgetauchte Schriftstück
dar, das erahnen lässt, welche Kräfte
und Mächte hinter der Verhaftung des
P. Edmund gestanden sein dürften.
So steht im Tagesbericht von SS-Ober-
gruppenführer Otto Winkelmann: „…
beim Pontiller geht es ausgesprochen um
einen Deutschfeindlichen, der auf nieder-
trächtigste Art und Weise gegen den Füh-
rer und das Reich agierte.“
In einem anderen Tagesbericht für die
Zeit vom 19. bis 25. Mai 1944 schrieb der
Kommandeur der Sicherheitspolizei und
des SD in Fünfkirchen, Ungarn, ähnlich,
und zwar:
„Am 20. Mai 1944 wurde der Benedik-
tinerpater Josef Pontiller der GESTAPO in
Wien überstellt. Er hat sich in Ungarn in
gemeinster Weise über den Führer und den
Nationalsozialismus geäußert. Er hat fer-
ner Nachrichten ausländischer Sender lau-
fend abgehört und weiterverbreitet.“
Laut Anklageschrift war P. Edmund
Mitglied der von einem Jesuitenpater ge-
leiteten „Marianischen Priesterkongrega-
tion“ sowie des internationalen „Priester-
anbetungsvereines Bonifacius“. Politisch
sympathisierte er mit der Christlich sozia-
len Volkspartei, der er jedoch wegen sei-
ner Ordensvorschriften nicht als Mitglied
beitreten durfte.
Bei der Festnahme P. Edmunds auf
Schloss Szentegat wurden in seiner Woh-
nung zahlreiche „deutschfeindliche Hetz-
schriften der Katholischen Aktion“ gefun-
den. Die Schriften hatte er aus der Schweiz
bezogen. So war er ein Jahr lang Abonnent
der Schrift „Der deutsche Weg“, ein ka-
tholisches Wochenblatt gegen nationalso-
zialistische und bolschewistische Welt-
erneuerung. Seinen Hass gegen das natio-
nalsozialistische Deutschland nährte er
aber nicht nur aus diesen Hetzschriften,
sondern er hörte auch Jahre lang und
regelmäßig feindliche und neutrale
Rundfunkstationen. So hörte er ständig
den Vatikansender, schweizerische Sender
und vor allem englische Sender in deut-
scher Sprache. Auf diese Weise war er
bald völlig der „Zersetzungspropaganda
unserer Kriegsfeinde“ erlegen und
schließlich auch selbst bemüht, sie
weiterzutragen.
Das erhellt eindeutig aus dem vorhin er-
wähnten Brief, den P. Edmund Ende des
Jahres 1942 an den Erzabt des Benedik-
tinerordens von Ungarn in Pannonhalma
geschrieben hat. Wenn P. Edmund vorge-
worfen wurde, der „Zersetzungspropa-
ganda der Kriegsfeinde“ erlegen gewesen
zu sein, so war dieser Vorwurf nichts an-
deres als eine nazistisch-propagandistische
Schutzbehauptung gegen den Terror des
Naziregimes, mit dem sich P. Edmund als
tiefgläubiger Ordensmann, als über-
zeugter Christlich-Sozialer und als
loyaler Patriot Österreichs, mit dem
er sich genauso wenig, wie mit
dem Anschluss Österreichs an das
„Tausendjährige Reich“ abzufin-
den vermochte. Lieber legte er
sein Haupt unter das Fallbeil
und opferte sein Leben für den
Glauben!
Das Todesurteil
Inmitten von Trümmerfeldern
tritt – ca. zwei Jahre nach dem
der Weihnachtsbrief im Ausland
(Ungarn) an einen Ausländer (Erz-
abt in Pannonhalma/Ungarn) ge-
schrieben worden war – am 15. De-
zember 1944 in Salzburg der I. Senat des
Volksgerichtshofes in der „Sache Pontil-
ler“ zusammen, um einer endlosen Kette
von Morden ein weiteres Glied hinzuzu-
fügen. Um den Feind des Regimes nun
„im Namen des deutschen Volkes“ zu er-
ledigen, unterstellten die Richter dem Be-
nediktinerpater hasserfüllte Gräuelhetze.
Die Begründung des Todesurteiles lässt
klar erkennen, dass nur die Vernichtung
dieses Ordenspriesters das Ziel der Justiz
aus ideologischen Gründen war; dies wird
aus der Urteilsbegründung des zynisch-
dämonisch argumentierenden Richters
Freisler klar. (Volltext dieser Begründung
abgedruckt in OHBL 2/2000)
Da die Anklagepunkte, insbesondere
auch die behauptete „Gräuelhetze“, den
Tatbestand des § 91 b StGB, der ein To-
desurteil zugelassen hätte, nicht zu erfüllen
vermochten, lagen nicht einmal nach den
damaligen Rechtssatzungen die Gründe
für ein solches Urteil vor. Daher bediente
sich Freisler eines juridischen „Kniffs“,
beugte das Recht und meinte: Pontiller
habe seinen Brief im Ausland geschrieben,
als die Ungarn schon (Dezember 1942) ein
verbündetes Volk gewesen seien, das an
der Seite des Hitler-Reiches gekämpft
habe; es sei „Ersatzöffentlichkeit“ vor-
handen gewesen!
Dazu eine interessante Interpretation:
Vom 25. Mai bis 1. Juni 1961 tagte in Ber-
lin ein internationaler Juristenkongress mit
Teilnehmern aus Österreich, Belgien,
Polen, Ungarn, der DDR, Rumänien und
der Sowjetunion unter dem Präsidium von
Abbé Boulier. Bei diesem Kongress
wurde auch die „Angelegenheit P. Ed-
mund Pontiller“ behandelt. Darüber
wurde von Dr. Josef Cavalier eine Ab-
handlung mit folgender Überschrift ver-
fasst: „Warum ordnete Hitler die Vollstre-
ckung des Todesurteiles gegen P. Pontiller
an?“ Auf Seite vier ist der Schrift zu ent-
nehmen, dass die Anklage keinen solchen
anderen Fall nennen und noch weniger be-
weisen konnte, der Benediktiner habe
„Hetznachrichten“ verbreitet. Mit anderen
Worten also: Wäre der Brief an einen
Deutschen geschrieben worden, dann
hätte „Öffentlichkeit“ vorgelegen und es
hätte ein Todesurteil gefällt werden kön-
nen, so aber war der Brief an einen Nicht-
deutschen im Ausland geschrieben wor-
den, ein Umstand, der die Todesstrafe
nicht zugelassen hätte. Dieses Rechts-
manko deckte Freisler dann aber mit „Er-
satzöffentlichkeit“ ab, nicht ohne am 9.
Jänner 1945, ca. einen Monat vor der Voll-
streckung des Urteiles, noch vermerkt zu
haben, dass sich der Verurteilte als ein
überaus gehässiger und gefährlicher
„Volksverräter“ erwiesen habe, dem
gegenüber keinerlei Gnade angebracht sei.
Gnade oder Nachsicht hatte P. Edmund
von den Nazi-Richtern gar nicht erwartet
oder angenommen. Das beweist die Tat-
sache, dass er ein zu seinen Gunsten er-
stelltes Gutachten, das ihn für unzurech-
nungsfähig bezeichnet hatte, entschieden
zurückwies.
Der Vater des Zeitzeugen Dr. Georg
Zimmermann von Meinzingen war ein an-
gesehener Arzt mit guten Beziehungen zu
namhaften Berufskollegen in Wien.
Diese waren bereit, ein solches Gutachten
zu erstellen. Da es die GESTAPO darauf
abgesehen hatte, genau zu erfahren, wer da
als Initiator dahinter steckte, wurden die
Eltern des Dr. Zimmermann von Meinzin-
Vorder- und Rückseite der Gedenkmedaille für P. Edmun