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eine biographisch aufschlussreiche An-
gabe: diesmal war es der Magistratsbeamte
Andrä Ladstätter in Wien, der Passler
manche Anregung für das Thema gegeben
hatte. Passler beschreibt darin vor allem
die Feldabeit (die damals noch nicht im
Zeichen der Modernisierung stand) im
Laufe eines Jahres. Viele Arbeitsschritte,
Anbau- und Erntemethoden, aber auch
Kulturpflanzen, wie etwa Leinsamen,
Stoppelrüben oder Mohn, samt den sie be-
zeichnenden Dialektausdrücken sind hier
festgehalten. Auch die winterlichen
Heimarbeiten sowie die Holzarbeit werden
geschildert. So etwa hat Passler der schwe-
ren Arbeit des Holztreibens, die weit-
gehend in Vergessenheit geraten sein
dürfte, ein schriftliches Denkmal gesetzt.
Die Qualität dieses Aufsatzes ist aber nicht
nur durch den Text, sondern auch durch
die 54 Zeichnungen von Werkzeugen und
anderen Geräten gegeben. Es ist nicht be-
kannt, wer diese Zeichnungen verfertigt
hat; möglicherweise stammen sie aber
vom Verfasser selbst, da sich keinerlei
Hinweis auf einen anderen Urheber findet.
Passler hätte ihn bestimmt nicht ver-
schwiegen!
Seine letzte und umfangreichste Arbeit
bildet die Geschichte der Deferegger Pro-
testanten, erschienen 1928 im Jahrbuch der
Gesellschaft für die Geschichte des Pro-
testantismus. Diese Arbeit ist infolge der
36 Jahre später erschienenen Monographie
von Alois Dissertori zwar teilweise in Ver-
gessenheit geraten und durch neuere Ak-
tenfunde überholt
32
, stellt aber in wissen-
schaftsgeschichtlicher Hinsicht ein be-
merkenswertes Dokument dar. Passler
selbst war Katholik und als solcher be-
müht, dieses Thema sehr sachlich zu
behandeln. Dass er Sympathien für die
Vertriebenen zeigte, wird den Leser nicht
verwundern
33
. Sein über 100 Seiten um-
fassender Aufsatz ist in insgesamt sieben
Kapitel gegliedert, beginnend mit dem
Eindringen der neuen Lehre bis hin zur
Geschichte der lutherischen Bewegung im
tirolischen St. Jakob.
Besonders aufschlussreich ist seine ein-
leitende „Vorbemerkung“, in der er die
bisherige Erforschung dieses Themen-
kreises beschreibt. Passler konnte sich auf
einige handschriftliche Vorarbeiten – so
etwa die seines Landsmannes Peter Feld-
ner (aus Plon in Hopfgarten) – stützen, je-
doch kaum auf originales Aktenmaterial,
da dieses angeblich verschollen war
34
. Der
mit ihm befreundete Osttiroler Heimatfor-
scher Karl Maister bearbeitete übrigens
dasselbe Thema, nachdem er zuvor (d. h.
bis 1926) unbekanntes Aktenmaterial
entdeckt hatte
35
. Zu der von Passler erwar-
teten Publikation kam es jedoch nicht
mehr. Passlers Arbeit ist nicht nur bemer-
kenswert hinsichtlich seiner Aufge-
schlossenheit für die Anliegen der Luthe-
rischen, die zu seiner Zeit (1. Hälfte des
20. Jahrhunderts) alles andere als selbst-
verständlich war, sondern auch in Hinblick
auf seine Urteile über das Tal und dessen
Bewohner sowie auf seine einfühlsamen
Situationsschilderungen. In dieser Bezie-
hung hat er der jüngeren Arbeit von Dis-
sertori sicherlich etwas voraus. So gesehen
wäre es wünschenswert, wenn Passlers Ar-
beit wieder mehr Beachtung fände – etwa
im Zuge der im Jubiläums- und Bedenk-
jahr 2000 wieder ins Bewusstsein gerück-
ten Ausweisung der lutherischen Defereg-
ger
36
.
Zu einer weiteren Publikation ist es nicht
mehr gekommen. Im Nachruf aus dem
Jahr 1934 wird erwähnt, dass er an einer
Studie über die Höfe des Defereggentals
gearbeitet hat, die er nicht mehr vollenden
konnte
37
. Mit Peter Paul Passler verstarb
tatsächlich der erste Historiker des Defe-
reggentals. Sein schriftliches Vermächtnis
verdient es, 150 Jahre nach seinem Ge-
burtstag, wieder gelesen und studiert zu
werden.
Nummer 8 –– 69. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
P. P. mit seinem Bruder Anton Passler in St. Jakob (rechts im Hintergrund die Fried-
hofskapelle), um 1930.
(Archiv W. Zwerger)
P. P. Passler im Kreise seiner Familie, um 1930: stehend (v. l.): seine Schwieger-
tochter Friederike geb. Wiesinger (Georg Passlers Frau), seine Söhne Walter, Hermann
und Fritz; sitzend (v. l.): sein Sohn Georg, seine Frau Aurelia, seine Enkeltochter
Waltraut, verehelichte Zwerger, P. P. Passler, sein Enkel Fritz Passler (Sohn von Fritz)
und seine Schwiegertochter Maria, geb. Kroll (Frau von Fritz). (Archiv W. Zwerger)
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