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Nummer 9 –– 69. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
auf „Aluala“ (-u- ist ein Schriftzeichen für
-v-), er wurde unter den zum Kloster Inni-
chen gehörigen „Alpes“ (Almtälern) in Ur-
kunden von 788, 965 und 1187 aufgezählt.
Alvala
mag sich von lateinisch
alveolus
„Mulde, Wanne“ herleiten. Die Erklärung
(vallis) alveola „Mulden
tal“ ist bei Be-
trachtung des Geländes bis hinauf zur
Gruiba Lenke
einleuchtend (mundartlich
bedeutet „Grube“ auch Mulde, Kessel im
Hochgebirge).
Mit einer Urkunde vom Jahr 1314 verlieh
Bischof Gottfried von Freising als Herr der
Hofmark Innichen
Berchtold dem Cholbe-
chen
, seinem dortigen Pfleger (= Verwalter
und Richter), „eine swaig deu gelegen ist
datz Alfen“. Berchtold stiftete sie auf dem
Eigengrund Freisings, er errichtete sie also
mit Haus, Hof und Viehstand. In den Urba-
ren der Hofmark Innichen von 1305 und
1360 werden „duo vaccarie“ (zwei Höfe mit
Rindern, abgeleitet von lateinisch
vacca
„Kuh“), respektive eine „swayg zu Aluen“
neben anderen Schwaighöfen in Villgraten
angeführt –
swayg
stammt vom altgermani-
schen
sveigja
„flechten“, davon abgeleitet
ein „umzäunter Platz für Vieh“ oder
„Zaun(geflecht) für einen Viehpferch“,
schließlich „Viehhof“; das mittelhoch-
deutsche
sweigen
bedeutete „Käse berei-
ten“, sprich
kâsn
. Diese Schwaige ist also
damals gleich den anderen Schwaighöfen
im Tal bewirtschaftet und besiedelt gewe-
sen. Im Urbar des Gerichtes Heunfels von
1530 ist der „Nideralf“ genannt. In der
„Pustertalischen Steuerbeschreibung“ von
ca. 1545 ist der „Calelhof in der ober Alfe“
angeführt. Ob nun
calel
mit Kalk(stein) zu-
sammenhängt, althochdeutsch
kalch
, ent-
lehnt vom lateinischen
calx
,
calcis
„Kalk“,
altgriechisch
chalix
„Kies, Kalkstein,
Mörtel“? – Wer weiß es? – Oder käme
kâl
für „abgeholzt“ in Frage? – Oder gar der
Personenname
Calhoch
(germanisch
Ka-
dalhoch
, aus dem Gallischen entlehnt:
katu
„Kampf“), der noch im 14. Jahrhundert im
Etschland viel gebraucht wurde, abgekürzt
Kal
? Und noch ein interessanter Hinweis: In
einem Urbar des Bischofs von Freising
anno 1305 steht für den „Kalchstoan (-hof)“
Chalstain
geschrieben.
Im Steuerkataster der Gemeinde Inner-
villgraten vom Jahre 1775 werden dann der
Ober- und Unteralfenhof als eigene Steu-
erobjekte angeführt, aber als Zubehör der-
selben nicht wie bei anderen Höfen Wohn-
häuser samt Stall und Stadel (Feuer- und
Futterhaus), sondern nur „Kaser“ (Almhüt-
ten) mit Bergwiesen und Weideplätzen, die
Besitzern eines anderen, heute noch besie-
delten Hofes gehörten. Das beweist, dass
man sich damals – 1775 – noch erinnerte:
Alfen waren einmal richtige Höfe gewesen.
Laut dieses Katasters war der Niederalfen-
hof der Hofmark Innichen, der Oberalfen-
hof dem landesfürstlichen Amt Heunfels
zinspflichtig (grundrechtbar). Im Adels-
steuerkataster von 1775 hieß letzteres Gut
„Schwaig am Colleg oder Oberalphen“. Die
Hütten der heutigen Alfenalm gehören von
talaußen nach innen (von unten nach oben):
Maxa
(der Hof des Maximilian),
Ruschlete
(1530 – erste urkundliche Nennung),
Senfta
(1299),
Jägera
(1530),
Egga
(1299),
Tschoggla
(1530),
Grafa
(1530) –
und hinten
Simila
(der Hof des Simon,
sî-
mejûde
ist die Zeit des 28. Oktober, Simon
und Juda).
Und „Alfen“, das muldige Tal, die gru-
bige Gegend, erstreckt sich auf der Villgra-
ter Seite hinauf bis zur
Gruiba Lenke
(in
modernen Karten meist Gruberlenke).
Lenke oder Lenkl leitet sich vom uralten,
im Slowenischen gebräuchlichen Begriff
Lenice
oder
Lenka
ab. Er bedeutet den fla-
chen Teil eines steilen Bergpfades, einen
Rastplatz an Übergängen zwischen zwei
Steilstücken, eine ebene Bergwiese mit
einer Quelle, einen flachen Kessel zwischen
zwei Bergkämmen (laut freundlicher Aus-
kunft von
Janez Bizjak
, dem Direktor des
Triglav-Nationalparks in Slowenien).
Diese Bezeichnung für Übergang ist etwa in
der Gegend von Matrei und im Defereggen,
aber auch in anderen Teilen der Hohen
Tauern, häufig. Valentin Hintner notierte
1909: „Lenke = Scharte, Joch, Kunke
u. dgl. – Slawisch“.
Der Weiler
Pötsch
, am alten Weg über
das Gsieser Törl ins Defereggen bei
Mariahilf gelegen, trägt einen slawischen
Namen:
pecˇ
(gesprochen wie petsch) be-
deutet „Felsen, Kofel“. In Prägraten gibt es
den Ausdruck
Pötsche
für „Höhle unter
Felsen, Liegerstätte“ (laut Schatz). Der
Verfasser kennt im Virgental ein Dutzend
Plätze mit diesem Namen im Sinn von
„überhängender Fels zum Unterstand für
Vieh und Leute“. Unter einer „Pötsch“ in
Prägraten etwa sollen einmal Heuzieher im
Gebet von ein, zwei Rosenkränzen gewar-
tet haben – und gebangt, bis die plötzlich
auftretende Lawinengefahr vorüber war,
so wird erzählt. Der slawische Weiler
Pötsch
lag also am Fuß der Übergänge ins
Gsies und Villgraten. Apropos: Auch der
Hofname
Jesacher
ist slawischen Ur-
Albert Schett, dor Wegelate Fotor (vill-
graterisch für Wegelate-Vater), erklärt,
dass diese Blumen „Hunfiesse“ heißen.
Der Wegelate-Hof wurde bereits 1299 ur-
kundlich „an dem Wege“ genannt, Diet-
marus hieß damals der Bauer. Dor Wege-
late Albert ist also einer in der langen
Reihe von Bewirtschaftern auf Stolla, die
seinerzeit an die capella in Valgrat
(urkundlich 1267; „kleine Kirche in Vill-
graten“) zinspflichtig waren.
Die „buckelig-grubige Welt“ vor der Gruiba Lenke – eine sanft modellierte Land-
schaft, darüber das Pfannhorn (mit der langen Schneerinne). Dieser „Welt“ gaben
alpenromanische Hirten um Christi Geburt den treffenden Namen (vallis) alveola
„Muldental“.
„Solder“ und Kruzifix auf Alfen – Villgrater Sinn für Schönheit und Ausdruck von
Frömmigkeit.