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Am 5. Mai 1945
Als Letzter erreichte Österreich General
Domanow mit den Kräften, die den Stütz-
punkt Tolmezzo hielten, um den Rückzug
zu garantieren. Am 5. Mai um 8 Uhr
abends verließ er mit seiner Garnison Tol-
mezzo und zog mit seinem Stab ins Bahn-
hofshotel nach Mauthen (nach Carnier).
Am 7. Mai 1945
erreichten die Engländer, von Paluzza kom-
mend, den Plöckenpass. Dort ergab sich
ihnen der Kommandant der Gendarmerie
von Kötschach, Leutnant Schöllkopf.
Am Nachmittag zogen die Engländer in
Kötschach-Mauthen ein, mit zwei Tagen
Vorsprung laut Programm. Sie, die
Schotten des Obersten Alec D. Malcolm,
nahmen als erste Kontakte mit den Kosa-
ken Domanows auf. Auf präzise Anwei-
sung des Feldmarschalls Alexander lud der
Oberst den General Domanow ein, mit sei-
nen Kosaken über den Gailberg ins Drau-
tal zu ziehen.
Am 8. Mai 1945
fuhr eine Abordnung der Kosaken über
den Plöckenpass zurück nach Tolmezzo,
um den Engländern mitzuteilen, dass sie
zu bedingungsloser Übergabe bereit
seien. Diese Abordnung wurde von
einem General WASSILJEW angeführt,
den der junge Leutnant NIKOLAI
KRASNOW, ein Enkel des Generals, und
eine englischsprechende Kosakin, OLGA
ROTOWA, begleiteten. Sie sprachen mit
Generalmajor Robert Arbuthnott, Be-
fehlshaber der 78. Infanteriedivision, der
Nummer 6 – 70. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
Gedenkstätte an der
Brücke bei Ober-
drauburg/Irschen mit
folgendem Text in
arabischer und deut-
scher Sprache: „Am
28. Mai 1945 wur-
den hier von engli-
schen Besatzungs-
truppen 7.000 Nord-
kaukasier (Männer,
Frauen, Kinder) den
Sowjets ausgeliefert
als Opfer ihrer Treue
zum Islam und der
Idee der nationalen
Befreiung des
Kaukasus.“
Foto: Josef Kiniger
Die große „Kosakenkirche“ von Timau (Tischlwang) südlich des Plöckenpasses; Auf-
nahme 1998. – Laut Tagebuch des Pfarrers von Timau und Bestätigung durch den
Bürgermeister übergaben beim Zug der Kosaken durch Timau in der Nacht zum 1. Mai
1945 Kosakenoffiziere dem Ortspfarrer eine Kiste mit mehr als einer Million Lire mit der
Erklärung, sie wollten die Kriegskasse bei ihrem ungewissen Schicksal nicht mit in die
Gefangenschaft nehmen. Der Pfarrer sollte mit dem Geld eine Kirche bauen lassen. Der
Pfarrer übergab die Geldkiste zunächst dem Erzbischof von Udine. Nach Kriegsende war
Timau auf 1.400 Einwohner angewachsen, wobei sich die alte Kirche St. Gertrud als zu
klein erwies und überdies war jeder zweite „Tischlwanger“ arbeitslos. So wurde der
Kirchenbau in Angriff genommen. Die Pläne zeichnete Bauingenieur Pietro d’Orlando
aus Tolmezzo. Die Arbeiten wurden am 6. Mai 1946 begonnen. Der Bauführer Franz
Muser konnte 60 Arbeiter anstellen; der Tageslohn betrug 150 Lire. Jede Familie lieferte
vier Kubikmeter Steine, alle Timauer Männer arbeiteten zusätzlich drei Tage kostenlos
an der Kirche „Christo regi“ – so der Name des Gotteshauses. Die Weihe erfolgte be-
reits im Dezember 1946. Die drei Bögen der Fassade sowie die dreibogigen Fenster
sollen an Sakralbauten im Heimatland der Kosaken erinnern.
Foto: Josef Kiniger
mit ihnen eine Zusammenkunft am
nächsten Morgen um 9 Uhr im Bahnhof
von Oberdrauburg ausmachte, wo Dom-
anow sich dem Brigade-General Musson
ergeben sollte.
Musson befahl den Kosaken weiter tal-
wärts nach Oberdrauburg zu ziehen, dort
über die Draubrücke zu gehen, dann der
am Fluss entlanglaufenden Straße etwa 20
km in Richtung Westen bis Lienz zu fol-
gen und in den Feldern am östlichen Stadt-
rand Lager aufzuschlagen.
Am Nachmittag des 8. Mai 1945 zogen
die ersten britischen Verbände in Lienz
ein. Im Stadtzentrum (rechts der Isel)
nahm der Stab des 8. Britischen Bataillons
Quartier.
In der zweiten Maiwoche waren die Ko-
saken im Drautal zwischen Lienz und Ober-
drauburg in Lagern versammelt. Die zivile
Bevölkerung, Frauen und Kinder, wurden
im Lager in der Peggetz (Vorort von Lienz)
in alten Militärbaracken, insgesamt 32,
untergebracht. Domanows Kosaken zählten
etwa 35.000 Menschen. Domanow mit sei-
nem Stab war im Hotel „Zum Goldenen
Fisch“ bei der Iselbrücke in Lienz ein-
quartiert. Krasnow mit seiner Frau und sei-
nem Adjutanten wurde in einer beschlag-
nahmten Villa in Amlach untergebracht.
Um Oberdrauburg lagerten 5.000 bis
7.000 Kaukasier unter General Sultan
Ghirei Klitsch. Sie waren schon vor den
Kosaken im Drautal eingetroffen.
Östlich von Oberdrauburg hatten etwa
5.000 Georgier Lager bezogen.
Nördlich von Comeglians bei Forni
Avoltri biwakierte auch eine Gruppe Ge-
orgier, die sich am 9. Mai 1945 dem briti-
schen Brigade-General Musson ergaben.
Weiter im Osten bewachten Engländer
das XV. Kosaken-Kavallerie-Korps unter
Helmuth von Pannwitz, etwa 19.000
Mann.
Am 10. Mai 1945
ergab sich in Rennweg, nördlich von Spit-
tal, General ANDREI SCHKURO mit sei-
nem Ausbildungsregiment des XV. Kosa-
ken-Kavallerie-Korps den Engländern.
1.400 dieser Kosaken sollen nach Tolstoy
eine Woche später nach Lienz in Doma-
nows Lager verlegt worden sein, die
anderen kamen nach Spittal.
Am 14. Mai 1945
schrieb General Keightley (er befehligte
das 5. Korps) an Feldmarschall Alexander,
dass er dem sowjetischen General Tolbu-
chin vorgeschlagen hätte, die Kosaken so-
fort auszuliefern. Allerdings habe er Tol-
buchin erklärt, keine Befugnis zu haben
und würde, falls dieser einverstanden sei,
bei Alexander um Genehmigung anfragen.
Alexander erteilte keinen Befehl.
Am 15. Mai 1945
kam das Rote Kreuz, um bei der Organi-
sation der Verpflegung und des Nach-
schubs zu helfen. Die Kaukasier wurden
entwaffnet.
Am 17. Mai 1945
telegrafierte Feldmarschall Harold Ale-
xander seinem Stabschef in London um