Seite 7 - H_2003_01

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schnell zum
Piave
getriftet werden können).
Tizian kümmerte sich, wenn es seine ge-
sellschaftlichen und künstlerischen Ver-
pflichtungen zuließen, höchstpersönlich an
Ort und Stelle im
Cadore
ums Geschäft
65
.
Aber der porträthungrige Habsburger
wollte nicht wahrhaben, daß „die Wälder zu
Peitlstein“ seit jeher gemeinschaftliches Ei-
gentum der Ampezzaner waren. Sie hatten
sich seit der Erstbesiedlung im Tal volle
Freiheit bewahrt. Die Gemeinde – sie war in
sechs Bezirke eingeteilt – verwaltete sich
selbst, einschließlich Gerichtsbarkeit und
Steuerhoheit. Sie regelte nach dem Statut
von
Cadore
ihre unabhängige Verfassung,
sie war insgesamt Herr über Grund und
Boden, über Wälder und Weiden, sie ord-
nete die Weiderechte und die Holznutzung
selber
66
. Im Kapitel 7 der Statuten von
Ca-
dore
, zu dem das
Ampezzo
bis 1516 ge-
hörte, heißt es: „Volumus et ordinamus,
quod omnia nemora posita in Cadubrio sint
esse debeant comunia hominibus de Cadu-
brio et non alicui forensi.“ (wir beschließen
und ordnen an, dass alle Wälder, die in Ca-
tubrium gelegen sind, gemeinsam den Men-
schen von Catubrium gehören und nicht
irgendeinem Auswärtigen). In Tirol dage-
gen galt seit 1330 das Holzmeisterstatut des
Landesfürsten König Heinrich: „Alle wald
und bach der herrschaft sind” (die „Bäche“
waren wichtig für Trift und Flößerei)
67
. Im
Ampezzo
gab es keine Einschränkung des
Eigentumsrechtes der Gemeinde durch
eine Herrschaft. Und der Holzerlös war le-
benswichtig, der Ertrag aus der Landwirt-
schaft reichte kaum zur Ernährung für ein
Drittel des Jahres. Erklärte doch die Ge-
meinde
Ampezzo
/Haiden im Jahr 1547 in
einer Eingabe an die landesfürstliche
Kammer in Innsbruck: „Da die Haidner an
einem groben und wilden Ort gesessen und
sonst wenig und kein behelf noch gewerb
haben, dann was sie mit dem holz ihrer har-
ten arbeit erlangen.“
68
Die Ampezzaner bildeten innerhalb der
Grafschaft
Cadore
, dann seit 1420 in der
Republik Venedig und seit 1516 als Teil des
alten Tirol quasi eine kleine, autonome Re-
publik. Die verbrieften alten Rechte der
Ampezzaner, von den Venezianern und von
Kaiser Maximilian anerkannt und bei
jedem Regierungswechsel als Privileg er-
neuert (erst Kaiser Josef II., 1780 bis 1790,
hat das Statut von Cadore für Ampezzo ab-
geschafft)
69
, und ihr Waldreichtum stärkten
ihnen den Rücken, dass sie dem sonst so gar
nicht zimperlichen Habsburger und seinem
erlauchtesten „Hofmaler“ die kalte Schulter
zeigten. Der
Eques Caesaris
(Ritter des
Kaisers) mußte sich mit dem Wunsch nach
einer Holzpfründe gedulden. Und König
Ferdinand wich
Ampezzo
aus, er gewährte
1548 den Gebrüdern
Tizian
und
Francisc
Vecellio
einen Zollnachlaß von jährlich 100
Gulden für drei Jahre auf das Holz, das sie
im
Rorwaldt
bei Toblach gekauft, „aus gna-
den und ergötzlichkeit seines dienstes auch
des fleises, mühe und arbeit, so er jetzo all-
hie mit abkonterfeiung unserer königlichen
person gehabt“ (gegeben zu Augsburg, am
19. Juni 1548)
70
. Aber der
Rorwaldt
schien
Conrad Kurz, dem Einnehmer zu Toblach
71
(Einnehmer des „Datz“, von mittelhoch-
deutsch
taz
, italienisch
dazio
„Zoll“, latei-
nisch
datium
; hier ist Holzzoll gemeint
72
)
und der Regierung in Innsbruck gar zu wert-
voll, der mit soviel Sorgfalt gehütete Wald,
in dem auch Rotwild gehegt wurde, wäre
zugrundegerichtet, wenn daraus für 300
Gulden Zollgeld Stämme geschlägert wür-
den
73
(ob mit
Ror
Schilf gemeint ist? – also
der Wald beim Röhricht; in diesem Wald
liegt der Ursprung der Drau. In der Anich-
Karte von 1774 steht „Rohr Wald“). Der
Forstknecht in Toblach namens Paul von
Welsberg, 1548 zuständig für die Jagdauf-
sicht im Pustertal einschließlich der Herr-
schaft Lienz und Verwalter der Forste im
Pustertal, nannte das
Tal Ambs
(das Tal von
Schluderbach gegen Gemärk und
Misurina
;
„Amtswald“ beim Dürren See? – alte
mundartliche Form für Amt
amp
, althoch-
deutsch
ambath
74
) und den Rohrwald (zwi-
schen Toblach und Innichen) als „Standort
der Hirsche“
75
. Jagdliche Argumente hatten
in Tirol immer schon besonderes Gewicht –
es wurde kein Stamm angerührt und die
Hirsche blieben ungestört (bis zur Jagd). Ti-
zian intervenierte zweimal und der König
ließ „bevelch“ (Befehle) schreiben. In der
letzten Antwort der Regierung hieß es:
Wenn Seine Majestät trotz allem auf dem
Befehle beharre, so möge der Regierung
Weisung erteilt werden, wie viele Stämme
Tizian fällen dürfe und ob ihm der Wald
ohne
Stockgeld
(Anerkennungszins,
Anm.) ausgefolgt werden solle. König Fer-
dinand entschied im Februar 1551: Man
möge dem Tizian statt 300 Gulden deren
500 ausfolgen, und damit Schluß
76
. Der
Ror-
waldt
hatte seine Ruhe und der geschäfts-
tüchtige Holzhändler aus Venedig bare
Münze für ein königliches Konterfei (der
Habsburger ein Porträt für die Nachwelt) –
der König unter den Malern, geboren am
Fuß der
Marmarole
im Tal des
Piave
, des-
sen Name zum Synonym für die Macht der
Malerei wurde, insbesondere für die
Macht der Bilder, den Tod zu überwinden
(
David Rosand
)
77
. Kaiser Karl V., der „ein
Reich regierte, in dem die Sonne nicht
unterging“, sagte über Tizian, dass „es zwar
in seiner Macht stehe, Grafen und Barone
zu schaffen, dass jedoch nur Gott allein
einen Tizian schaffen könne“
78
.
So ehrerbietig sprach der damals Höchste
der
todeschi
über den wohl berühmtesten
„Walchen“ seiner Zeit.
Abkürzungen:
Anm. Anmerkung
Bd. Band
f.
folio (Blatt) bzw. folgende(s) Seite (Blatt)
ff.
folgende Seiten bzw. Blätter
S.
Seite
Anmerkungen und Hinweise:
1 Die Bajuwaren – Von Severin bis Tassilo 488-788, Ka-
talog der gemeinsamen Landesausstellung des Frei-
staates Bayern und des Landes Salzburg, Rosen-
heim/Mattsee 1988, S. 47-49.
2 dtv – Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, Mün-
chen 1997, S.1554, S. 219.
3 Wolftraud de Concini, Südtirol-Trentino-Belluno,
Freiburg 1982, S. 416 ff.
4 Otto Stolz, Zur Siedlungsgeschichte von Kartitsch und
Tilliach, in: Osttiroler Heimatblätter, 6-7/1953, siehe
auch Anm. 29, S. 640 – siehe auch Maria Sche-
rer/Helena Obrist, Chronik von Obertilliach, Obertilli-
ach 1997, S. 1 f.
5 Giuliana Pachner, Register zum Pladner Wörterbuch –
Glossario Sappadino, Wien 2001, S. 68.
6 Karl Finsterwalder, Tiroler Ortsnamenkunde, Schlern-
Schriften 285, 286 und 287, Innsbruck 1990, S. 205.
7 Josef Schatz, Wörterbuch der Tiroler Mundarten,
Schlern-Schriften 119 und 120, Innsbruck 1993, S. 561
– Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen
Sprache, Berlin/New York 1999, S. 750.
8 Reinhold Erlbeck u. a., Das Kosmos Wald- und Forst-
lexikon, Stuttgart 1998, S. 595.
9 Michael Petschenig, Der Kleine Stowasser - Lateinisch-
deutsches Schulwörterbuch, Wien 1949, S. 495.
10 Wilhelm Gemoll, Griechisch-deutsches Schul- und
Handwörterbuch, Wien 1954, S. 656.
11 Siehe Anm. 6, S. 203 ff.
12 Siehe Anm. 9, S. 34.
13 Siehe Anm. 9, S. 141.
14 Siehe Anm. 8, S. 740.
15
Paul Ozenda,
Die Vegetation der Alpen, Stuttgart 1988,
S. 54.
16 Matthias Lexer, Mittelhochdeutsches Taschenwörter-
buch, Stuttgart 1992, S. 130.
17 Beda Weber, Das Land Tirol. Mit einem Anhange: Vor-
arlberg. Ein Handbuch für Reisende, 3 Bände, Inns-
bruck 1837/38, Bd. 3, S. 445.
18 Hans Dieter Pohl, Deutsche Mundart und deutsch-ro-
manischer Sprachkontakt in Comelico, Sappada/ Pladen
und in den Karnischen Alpen, in: Comelico, Sappada,
Gailtal, Lesachtal: paesaggio, storia e cultura – Land-
schaft, Geschichte und Kultur, Belluno 2002, S. 60.
19 Franz Huter, Kloster Innichen und die Besiedlung
Tirols, in: Stifte und Klöster, Entwicklung und Bedeu-
tung im Kulturleben Südtirols, Bozen 1962, S. 23.
20 Lois Ebner, Kartitsch in Osttirol – Vergangenheit und
Gegenwart einer Osttiroler Berggemeinde, Kartitsch
1982, S. 34.
21 Siehe Anm. 9, S. 97.
22 August Unterforcher, Rätoromanische Ortsnamen aus
Pflanzennamen – Beitrag zur tirolischen Namenfor-
schung, in: Zeitschrift des Museum Ferdinandeum,
Innsbruck 1892, S. 379.
23 Siehe Anm. 7 – Kluge, S. 427.
24 Siehe Anm. 7, S. 325.
25 Heinrich Marzell, Wörterbuch der deutschen Pflanzen-
namen, Leipzig 1972, Bd. 2, S. 141.
26 Siehe Anm. 9, S. 97.
27 Hermann Wopfner, Bergbauernbuch, Schlernschriften
296, 297 und 298, Innsbruck 1995/97, Bd. 1, S. 57 ff.
28 Meinrad Pizzinini, Osttirol, Salzburg 1974, S. 13.
29 Otto Stolz, Politisch-Historische Landesbeschreibung
von Südtirol – Die Viertel Eisacktal und Pustertal,
Schlernschriften 40, Innsbruck 1939, S. 627.
30 Siehe Anm. 19, S. 24 ff.
31 Siehe Anm. 7, S. 287.
32 Siehe Anm. 29, S 627 f. – siehe auch Hanna Stock-Wei-
ler, Geschichten und Erinnerungen an Obertilliach,
Obertilliach 2000, S. 42 (hier wird der Doge
Toscanini
genannt, der aber nicht existiert hat. Siehe:
Alvise Zorzi
,
Venedig·eine Stadt·eine Republik·ein Weltreich·697-
1797, München 1981, S. 258) – zu Kadober/Kataufers
siehe Anm. 29, S. 715 – zu
margo
siehe Anm. 9, S. 309.
33 Johann Jakob Staffler, Tirol und Vorarlberg, statistisch
und topographisch, mit geschichtlichen Bemerkungen,
Nummer 1 – 71. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
Das Siegel des IMPERATOR (rechts zu
lesen) zum Diplom von 1533 – es ist am
Rand teilweise beschädigt, deshalb kann
die Inschrift nicht vollständig entziffert
werden. – Der doppelköpfige Adler war
von 1433 bis 1806 das Wappen der rö-
misch-deutschen Kaiser, ging dann bis
1918 an das Kaisertum Österreich über
1
(Palazzo della Magnifica Comunità di
Cadore, Pieve di Cadore).
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzi-
nini. Für den Inhalt der Beiträge sind die Au-
toren verantwortlich.
Anschrift des Autors dieser Nummer: Dipl.-
Ing. Anton Draxl, 9900 Lienz, Am Haidenhof 15.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimat-
blätter“ sind einzusenden an die Redaktion
des „Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad
Pizzinini, A-6176 Völs, Albertistraße 2a.