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(zwischen
Misurina
und Schluderbach), die
dann im Besitz der Familie
Vecellio
ver-
blieben
61
.
Die höfischen Dienste Tizians spielten bei
den diplomatischen Bemühungen der Re-
publik Venedig keine geringe Rolle. Und so
wollte ihm auch Ferdinand I. von Österreich
(der Bruder von Karl V.) gefällig sein. Er
gestand ihm 1536 das Recht zu, fünf Jahre
lang „aus den Wäldern zu unser herrschaft
Peitlstein gehorig“ Holz zu nutzen
62
. Der
Peutelsteiner Wald erstreckt sich westlich
von
Ospitale
(einem alten Hospiz wie am
Arlberg oder
Tonale
; die kleine Kirche
wurde 1226 geweiht
63
) bis zur Ruine Peu-
telstein (auf dem hohen Felsen, wo die
Straße von Schluderbach in Richtung
Cor-
tina d’Ampezzo
scharf nach Süden biegt).
Dieser Platz (lateinisch
locus
„Ort, Ge-
gend“) hieß in der ersten urkundlichen Er-
wähnung von 1175 „
Botestain in Cadu-
brio
“. Das „Castrum de Botestain“ (die
Burg) wird erstmals 1309 ausdrücklich ge-
nannt, 1412 hieß sie „castrum Botestagni“
(das
Ampezzo
mit der Burg kam durch einen
Waffenstillstand mit Venedig, den Maxi-
milian in Brüssel am 4. Dezember 1516 ab-
geschlossen hatte – die Waffenruhe wurde
1518 auf weitere fünf Jahre verlängert – zu
Tirol)
64
. In der Anich-Karte von 1774 steht:
Peitelstein od. Pottestagna
, Staffler zitiert
nach alten Urkunden
Castello della Pieve di
Bottestagno
. Und der „Malerfürst“ seiner
Zeit war überaus an diesen Waldungen
interessiert, weil er mit seinem Bruder
Francesco
in der Nähe, nämlich in
Perarolo
di Cadore
am
Piave
, eine Sägerei betrieb
und Holz handelte (das Holz hätte in der
Boite
, dem Talbach des
Ampezzo
, billig und
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
71. Jahrgang – Nummer 1
Diplom von CAROLVS QVINTVS - Kaiser Karl V. (1500 bis 1558), Enkel Maximilians I., regierte als römisch-deutscher Kaiser von
1519 bis 1556, als König Carlos I. herrschte er von 1516 bis 1556 über Spanien. Die Urkunde wurde am 10. Mai 1533 in Barcelona
ausgestellt. Der Kaiser adelte mit ihr Tizian zum Ritter des Goldenen Vlieses und zum Comes palatinus (Pfalzgraf). Die kaiserliche
Ehrung galt auch seinen Nachkommen. Das Diplom trägt die Originalunterschrift Karls V., es ist auf Pergament mit feinem Strich
geschrieben. Der Orden des Goldenen Vlieses, benannt nach dem Fell des goldenen Widders, das die Argonauten erbeuteten, wurde
1429 gestiftet. Er kam durch die Heirat der Maria von Burgund mit Maximilian I. an das Haus Habsburg. Als Ritter dieses Ordens durfte
Tizian „das Schwert, Halsketten, goldene Sporen, Gewänder und Satteldecken tragen, und außerdem alle Privilegien, Rechte, Immu-
nität und Ehren, die die anderen Soldaten (im lateinisch abgefaßten Text miles „Krieger“, Anm.) und ausgezeichneten Ritter genie-
ßen“. Tizian stand also in höchster Gunst des Kaisers. Karl V. ließ in dieser Urkunde sogar schreiben: „über die unzähligen Tugen-
den und Begabungen eines Genies hinaus, bis hin zu deiner hohen Mal- und Porträtkunst, durch die du dich Uns gezeigt hast, verdienst
du wahrlich Apelles dieses Jahrhunderts genannt zu werden …“ - Apelles, um 330 vor Christus, war Hofmaler Alexanders des
Großen. Indem der Kaiser diesen Titel verlieh, erklärte er sich selbst zum neuen Alexander dem Großen, der sich nur von Apelles
malen ließ – allein durch die Berühmtheit des Malers wuchs das Ansehen seines kaiserlichen Mäzens – (Palazzo della Magnifica
Comunità di Cadore, Pieve di Cadore, mit freundlicher Unterstützung für Bilder und Text von Daniele Belli und Antonio Genova, Pieve
di Cadore).