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Kirche zum Lob der Gottesmutter. (Für die
Übersetzung sei Univ.-Prof. Dr. Guntram
Plangg, Institut für Romanistik der Uni-
versität Innsbruck, gedankt.)
Venedig, die Metropole an der Adria, war
auf die Handelswege durch die Alpen ange-
wiesen, um die orientalischen Waren sicher
in den Norden liefern zu können. Die da-
malige Weltmacht zur See und das Haus Ös-
terreich kamen sich in die Quere. Venedig
behauptete, die Grafschaft Görz am
Isonzo
,
in Friaul, Oberkärnten und im Pustertal sei
ein Lehen der Republik. Es zögerte aber zu
lange. Maximilian (1459 bis 1519) war
schneller und sicherte sich nach dem Tod
des letzten Görzer Grafen Leonhard anno
1500 die „Vordere Grafschaft“
43
(1501 erst-
mals so genannt, von der Residenz Lienz
aus gesehen vor dem Plö-
ckenpass) und die „innere“-
oder „hintere“ Grafschaft
Görz (Besitzungen vor allem
am
Isonzo
, in Friaul, in Krain
usw.). Die „Grafschaft hie-
vor“ (Bezeichnung von
1443) umfaßte Gebiete im
Pustertal – mit Kals und Vir-
gen – und in Oberkärnten
44
.
Maximilian betrachtete Tirol
als Bergfestung gegen die
mächtige Republik Venedig,
es ragte ja wie eine natürliche
Bastion in die oberitalienische
Ebene
45
. Schon 1486 wurde er
zum deutschen König ge-
wählt, aber nicht mehr in
Rom zum Kaiser gekrönt,
sondern erst 1508 im Dom zu
Trient als „erwählter römi-
scher Kaiser“ ausgerufen,
weil die Venezianer den Weg
nach Italien versperrten
46
.
Kaiser Maximilian scheiterte
im überaus langwierigen Fri-
auler Krieg (1508 bis 1516)
gegen Venedig, er konnte das
gesamte Friaul als militäri-
sches Vorland für die Beherr-
schung der Ostalpen gegen
Süden nicht erobern. Ihm
blieben gemäß dem zwischen
Frankreich und Spanien abge-
schlossenen Vertrag von
Noyon
(13. August 1516),
dem er nach längeren Ver-
handlungen am 4. Dezember beitrat, als
Beute
Ampezzo
in den Dolomiten,
Ala
und
Rovereto
an der Etsch,
Riva
und
Torbole
am
Gardasee. Allerdings verlor er das friauli-
sche
Pordenone
(Portenau), und Verona
mußte er herausgeben. Diese „welschen
Confinen“ gehörten dann bis 1918 zu
Tirol
47
. Insgesamt waren die Auseinander-
setzungen in Norditalien zwischen dem
Kaiser und Venedig mit wechselnden Ver-
bündeten – Papst, England, Frankreich, Spa-
nien, Burgund, Eidgenossen – ein unglück-
seliger Krieg, der zweifellos der verhee-
rendste vor dem Dreißigjährigen war
48
.
Maximilian wußte, dass sich die Frage des
europäischen Gleichgewichts in seiner
Epoche vor allem in Italien entschied. Als
römischer Kaiser wollte er Reichsitalien
wieder herstellen, doch die deutschen
Reichsfürsten ließen ihn im Stich. Er konnte
aber die Ansprüche an Karl V., seinen
Enkel, weitergeben, der sie dann nicht für
die Reichsidee einlöste, sondern für Spa-
nien. Italien geriet unter die spanische Linie
der Habsburger – nicht unter Frankreich
49
. In
Italien hieß es spöttisch, Maximilian sei ein
principe senza danari
(ein Fürst ohne
Geld)
50
. Aber er hatte den Weg zur Welt-
monarchie, „zur Sammlung der Christenheit
unter einem Hirten“ bereitet, wie sein hoff-
nungsvoller Enkel Karl bei der Wahl zum
Römischen König am 28. Juli 1519 begrüßt
wurde. Sein Großvater Maximilian war ge-
trieben vom universalen Gedanken des
mittelalterlichen Kaisertums und eigenem
dynastischen Machtstreben, vor allem aber
von der Idee, die christlichen
Mächte zur Abwehr der Os-
manen zu sammeln
51
.
Aus dem Norden kamen
aber nicht nur kaiserliche
Landsknechte mit ihrer Ge-
walttätigkeit ins
Cadore
, son-
dern auch Werke künstleri-
scher Tätigkeit. Die Holz-
händler aus dieser Gegend, am
Schnittpunkt wichtiger Ver-
kehrswege – gegen Norden
nach Tirol und Deutschland,
gegen Osten nach Karnien
und ins Friaul, gegen Süden
ins Veneto und nach Venedig
–, waren weltgewandte, weit-
gereiste Herren. Sie kamen
viel herum und kannten sich
überall gut aus. Und so dürf-
ten sie auch manchmal als
Kunsthändler oder Kunst-
agenten tätig gewesen sein.
Das ist die Erklärung, dass go-
tische, holzgeschnitzte Flügel-
altäre aus Tirol, vor allem aus
dem Pustertal, ins
Cadore
kamen: von Michael Parth aus
Bruneck nach
Vigo
und von
Hans Klocker nach
Pieve
52
.
In
Lorenzago
steht ein
Kunstwerk der Gotik aus
Südtirol in der Kirche
Ma-
donna della Difesa e a San
Rocco
. Sie wurde 1512 erbaut
als Dank für die Rettung vor
der Pest. Die Seuche soll
Die kleine
gotische Kirche
Madonna della
Difesa in Vigo,
1512 von Nicolò
Ruopèl erbaut;
von Daniele de
Rubeis, Bischof
von Caorle und
Legat des
Patriarchen
von Aquileia,
anno 1515
geweiht.
Foto: A. Draxl
Das Votivbild „zur Abwehr” in Vigo di Cadore.
Foto: A. Draxl
Die Weiheinschrift in der Kirche Madonna della Difesa, Vigo di
Cadore.
Foto: A. Draxl
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
71. Jahrgang – Nummer 1