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PORTRAIT
PUSTERTALER VOLLTREFFER
APRIL/MAI 2012
7
gann mit der Ausbildung von
Bergführern, die ihre Gäste auf
die Gipfel des Pustertales be-
gleiten sollten. Mit dieser bahn-
brechenden Neuerung setzte sie
neue Maßstäbe im touristischen
Dienstleistungsangebot. Zusätz-
lich war sie Gründungsmitglied
der Sektion Niederdorf des
Deutschen Alpenvereins und
erstes weibliches Sektionsmit-
glied.“
Waren die frühen Frauen-
seilschaften auch schon von
den Drei Zinnen im Pustertal
fasziniert?
Runggaldier:
„Auf jeden
Fall. So etwa die Baronessen
Rolanda und Ilona Eötvös, die
in Ungarn in den höchsten
Adelskreisen verkehrten. Die
beiden Schwestern verbrachten
mit ihrer Familie etliche Som-
mer in den Dolomiten und
waren so begeisterte Kletterin-
nen, dass ihnen ihr Vater sogar
einen eigenen Kellergarten zum
Training zur Verfügung stellte.
Gemeinsam mit bekannten
Bergführern ihrer Zeit
unternahmen sie etli-
che Erstbesteigun-
gen und Wiederbe-
gehungen von Do-
lomi t enrout en.
Ohne das Wissen
ihrer Eltern stie-
gen Rolanda und
Ilona 1907 allein
auf die Große
Zinne.“
Gibt es schriftli-
che Erinnerungen
an diese denkwürdige
Klettertour?
Rungga l d i er :
„Ja. In einem Brief
an Miriam O’Brien
Underhill erzählt
Rolanda Eötvös von dieser Klet-
tertour. So heißt es in dem
Schreiben unter anderem:
‚Wenn Sie sich für unsere un-
gezogenen Klettertouren inte-
ressieren, mit denen wir unsere
armen Eltern täuschten, werde
ich Ihnen hier eine kurze Be-
schreibung davon geben. Die
lustigste war auf der Großen
Zinne. Meine Schwester Ilona
und ich brachen um zwei Uhr
morgens von Schluderbach auf,
indem wir uns zuerst von unse-
rem Balkon mit einem Seil ab-
seilten. Wir waren schon einmal
auf der Großen Zinne gewesen,
doch als wir gegen sechs Uhr
beim Einstieg waren, zog von
überall her Nebel hoch. Wir be-
gannen zu klettern, aber wir
kamen bald vom Normalweg ab
und stiegen viel zu weit links
hinauf. Der Aufstieg schien uns
viel schwieriger, als wir ihn vom
ersten Mal in Erinnerung hat-
ten, doch mit dem Nebel und
ohne
Bergführer
kam uns das ganz
natürlich vor.
Nach
einer
Weile gelang-
ten wir an
einen ziem-
lich langen
und schwieri-
gen Kamin,
an dem wir
uns schreck-
lich abquälten,
doch schließlich
brachten wir ihn
hinter uns. Als der
Nebel sich lichtete,
hörten wir von der
nahen Westlichen
Zinne Rufe. Jemand
gab den blöden Idioten, die
ohne Führer vom Weg abge-
kommen waren, Hinweise. Nach
zahlreichen Schwierigkeiten er-
reichten wir voller Stolz den
Gipfel, wo sich der Nebel mitt-
lerweile aufgelöst hatte und die
Sonne herrlich schien.
Dann geschah etwas Schreck-
liches. Giovanni Siorpaes –
unser Bergführer, Freund und
für uns so etwas wie ein Kin-
dermädchen – stand mit einem
deutschen Gast auf dem Gipfel
der Westlichen Zinne! Sein Zorn
und Entsetzen waren unvorstell-
bar, als er sah, dass wir die
Idioten waren, die auf dem fal-
schen, viel schwierigeren Weg
hinaufgeklettert waren. Er
schrie und schimpfte so laut,
dass man ihn bis Misurina ge-
hört haben muss. Dann ließ er
seinen Touristen allein auf dem
Gipfel stehen, stieg ab und über
die Große Zinne wieder hinauf,
wohl in der Absicht uns zu ver-
hauen. In der Zwischenzeit stie-
gen wir ihm ganz ruhig und
ohne die geringste Schwierigkeit
über den Normalweg entgegen.
Er machte uns eine fürchterliche
Szene, doch schließlich war
alles wieder in Ordnung und
auch der deutsche Gast regte
sich nicht allzu sehr auf, dass er
einige Stunden allein auf dem
Gipfel der Westlichen Zinne
warten musste. Andere führer-
lose Begehungen waren der
Becco di Mezzodì, die Torre
Grande, Cadin del Neve, Cadin
di San Lucano und dreimal der
Monte Cristallo.
Ich weiß nicht mehr genau,
wann wir diese Besteigungen
unternahmen, aber sicherlich
zwischen 1907 und 1914.“
Waren die Männer dieser
portraitierten Frauen ebenfalls
gerne in den Bergen unter-
wegs?
Runggaldier:
„Ja. Viele
davon wie Mina Preuß, Hanne
Franz, Rose Friedmann, May
Norman Neruda waren mit be-
rühmten Bergsteigern verheira-
tet und teilten deren Passion für
die Kletterei, wodurch sie sich
auch selbst zu überragenden
Sportlerinnen entwickelten.
Trotzdem blieben sie immer im
Schatten ihrer prominenten Be-
gleiter. Andere, wie Jeanne Im-
mink, Käte Bröske oder Bea-
trice Tomasson schafften es je-
doch, sich durch selbstständige
Touren und Tourenberichte
einen Namen als unabhängige
Bergsteigerinnen zu machen
und sich mit Erstbesteigungen
ein Denkmal zu setzen. Auch
manche Führen und sogar Berg-
gipfel erinnern an sie. So etwa
die Cameron-Führe an der Gro-
ßen Cir (an die Schottin Una
Cameron), die Via Miriam am
Torre Grande in den Cinque
Torri oder die Cima Immink in
den östlichen Dolomiten. Letz-
tere schrieb:
‚Nichts ist zuträglicher, auch
für sie [die Frau, Anm. d. Auto-
rin], sowohl körperlich wie
geistig, als das Bergsteigen. Da
bekommt man erst das Gefühl
seiner Kraft, die keineswegs so
gering ist, wie man gewöhnlich
glaubt. Nichts hebt so das
Selbstvertrauen, die Geistesge-
genwart und den Mut – Eigen-
schaften, welche die Frau im
Leben ebenso gut gebrauchen
kann, wie der Mann.‘
„Frauen im Aufstieg
– Auf Spurensuche in
der Alpingeschichte“
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