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OSTTIROLER
NUMMER 10/2005
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HEIMATBLÄTTER
Ahrner Spitzen haben eine internationale
Käuferschicht. Die heutige Klöppelschule
wird vom Land Südtirol unterhalten und
jährlich nach Schulschluss besuchen 25
Schüler den 100 Stunden dauernden Kurs.
Obendrein stellt das Klöppeln ein kulturel-
les Erbe dar, das auch gesellschaftspoliti-
schen und historischen Wert erfüllt und
daher weiter gepflegt werden sollte.
Für seine Verdienste zum Wohle des
Volkes wurde Pfarrer Kleinlercher im Jahr
1896 zum Ehrenbürger von Prettau er-
nannt. Weiters erhielt er für sein Wirken
für die Spitzenklöppelei eine staatliche An-
erkennung in Form des goldenen Ver-
dienstkreuzes mit der Krone. Zudem
wurde im Jahr 1901 durch seine Be-
mühungen die dortige Raiffeisenkasse ge-
gründet. 1902 organisierte er die Kirchen-
restaurierung und im selben Sommer ver-
kehrte der erste Omnibus zwischen Sand
und Kasern und der Wandertourismus über
die Birnlücke nahm zu; somit war er auch
noch Fremdenverkehrspionier imAhrntal.
Nebenbei schrieb er auch diverse Berichte
in der Brixner Chronik über das wirt-
schaftliche Bauernleben in Tirol.
So verbrachte Pfarrer Franz Josef Klein-
lercher elf Jahre in Prettau zum wirtschaft-
lichen und seelischen Heil seiner ihm an-
vertrauten Bevölkerung und man war voll
des Lobes über diesen klugen und weit-
sichtigen Defregger. Das sollte was gelten,
denn die Bewohner waren im allgemeinen
sowie auch im religiösen Verständnis eine
schwierige Herde. Ob er in dieser Zeit sein
Heimatdorf in einem in der schneefreien
Zeit in ca. sieben Stunden zu bewältigen-
den Fußmarsch über die kürzeste Verbin-
dung von Prettau über das Merbjoch,
Affental und Jagdhaus nach St. Jakob be-
sucht hat, ist nicht bekannt aber leicht
möglich.
Im Herbst 1903 wurde Pfarrer Kleinler-
cher von Prettau abberufen und er erhielt
als neue Wirkungsstätte die Pfarre St. Lo-
renzen im Pustertal, wo er seinen Dienst
am 7. Dezember 1903 antrat. Sechs Jahre
diente er nun ebenfalls mit großem Erfolg
als Pfarrherr in St. Lorenzen. Er war von
allen hoch geachtet. Seine offene Geistes-
haltung und sein Gespür für Lebensrealität
in veränderlichen Zeiten waren das Maß
seines Wirkens in jeder Beziehung. In die-
ser Zeit wurde auch aufgrund seiner Initia-
tive der Plan gefasst, die niedrige Kirche in
St. Lorenzen aufzustocken. Dies konnte
aber nicht verwirklicht werden, da Franz
Josef Kleinlercher 1909 als Dekan nach
Bruneck berufen wurde und das bereits
vorhandene Geld für dieses Vorhaben spä-
ter für das Zeichnen von Kriegsanleihen
verwendet wurde und somit verloren war.
So kam F. J. Kleinlercher also 1909 nach
Bruneck. Am 2. Mai 1909 war Andreas
Wibmer, Pfarrer und Dekan von Bruneck,
im Alter von 89 Jahren ganz unerwartet
gestorben. Er war am 8. November 1820
in Virgen-Mitteldorf zur Welt gekommen
und hatte 31 Jahre lang als Dekan von
Bruneck gewirkt. Er war also ein näherer
Landsmann von Pfarrer Kleinlercher ge-
wesen. Am 8. Juli 1909 wurde F. J. Klein-
lercher sein Nachfolger als Pfarrer und
Dekan von Bruneck, was sicher wieder
keine einfache Aufgabe darstellte, da sein
Vorgänger eine allseits und von jedermann
anerkannte Persönlichkeit gewesen war.
Am 22. Oktober 1909 fand der große Fest-
einzug des neuen Dekans durch die Stadt
zur Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt statt.
Eine neue Ära in einer sich abzeichnend
schwierigeren Zeit begann, aber für diesen
drahtigen, markanten Mann war alles mit
Geschick und Zähigkeit lösbar. Die schon
länger in Bruneck ansässigen Defregger
Diese Aufnahme vom Jahr 1909 zeigt Pfarrer F. J. Kleinlercher mit dem Modell der Er-
höhung der Pfarrkirche von St. Lorenzen i. P. um ein Stockwerk. Im Foto werden die Mit-
glieder des Kirchenkomitees der Fraktionen von St. Lorenzen vorgestellt, von links (sit-
zend): Steidl vulgo Mitterweger von Stefansdorf, Johann Huber vulgo Mair zu Gasteig
von St. Martin, Pfarrer Kleinlercher, Steger vulgo Eichholzer Gastwirt zur Post, Mair
vom Ansitz Hebenstreit in Sonnenburg, Pueland vulgo Oberhammer in Lothen; dahin-
ter stehend, von links: Hofer vulgo Meisterle vom Herrenhaus in St. Martin, Graber
vulgo Wachsler in Pflaurenz, Hauser in Sonnenburg, Hansl Volkart von St. Lorenzen, Kla-
ren Tondl von Stegen, Rainer Wast vulgo Oberparleiter von Runggen, Flögar Jörgl von
Moos, Messner von Stegen.
(Original-Foto und Angabe der Namen von Hermann
Huber, Mair zu Gasteig, Bauer in St. Martin)
Bürgersleute wie die Gasthof- und Braue-
reibesitzer Stemberger aus St. Veit oder
der Uhrenhändler Gasser aus St. Jakob
werden ihren Landsmann sicher über die
Verhältnisse in der Stadt aufgeklärt und in
ihre Kreise zum beiderseitigen Vorteil ein-
geführt haben. Da schon viele von seinen
Fähigkeiten wussten, wurden auch hier
seine Vorhaben mit Freude und Erfolg er-
lebt und gelobt.
Da er in seiner Vielfältigkeit auch noch
hoch musikalisch war und die altersschwa-
che Brunecker Kirchenorgel unreparierbar
schien, war die Anschaffung eines neuen
Instruments für ihn eine Ehrensache. Nach
viel Schriftverkehr über technische und
musikalische Raffinessen sowie Gutachten
von Fachleuten wurde im Jahr 1913 eine
damals am neuesten Stand der Technik be-
findliche Behmann-Orgel in Auftrag gege-
ben. Am 21. Juli 1914 ertönte sie zur
Freude des Dekans und der Brunecker
zum ersten Mal in der Liebfrauenkirche.
Bis heute unvergessen sind seine prakti-
schen 5-Minuten-Predigten, mit denen er in
klassischer Ruhe und Sachlichkeit 20 Jahre
lang an Sonn- und Feiertagen sein Publi-
kum faszinierte. Alle Kirchbesucher lausch-
ten für diese kurze Zeit aufmerksam seinen
gezielten Worten. Er erkannte die Zeichen
der Zeit für das Stadtvolk, welche die Kir-
chenführung nicht nachvollziehen konnte.
Nicht vergessen wurde auch seine impo-
sante äußere Erscheinung, in der ein edler
Charakter wohnte. Sein ausgeprägtes Auto-
ritätsgefühl machte ihn gegenüber Staat
und Kirche sowie den Untergebenen vor-
bildhaft. Er war ein ausgezeichneter Gesell-
schafter, ein vorzüglicher Zitherspieler und
ein Freund von Jagd und Natur sowie des
gesunden Humors und des heiteren Spieles.
Der Erste Weltkrieg brachte über die
Stadt Bruneck viel Leid. Die überfüllten
Militärspitäler verlangten vom Dekan und
seinen Gehilfen viel Zeit und Einsatz. Ein
Verdienst von ihm war auch, dass die vielen
gefallenen Krieger von den nahen Kampf-
gebieten eine würdige letzte Ruhestätte am
Waldfriedhof erhielten. Zu dieser Zeit
musste auch Bruneck seine Glocken für den
Krieg opfern. Auch hier war F. J. Kleinler-
cher als Glockenkenner und Sachverständi-
ger in vielen Gemeinden willkommen und
stand beratend zur Seite. Sein wirtschaft-
licher Hausverstand war landauf-landab
bekannt und begehrt. Für den Dekan war
jede vernünftige Idee gut, für unseriöse
nicht lös- und finanzierbare Machtprotzerei
war er jedoch nicht zu haben. So wartete er
nach dem Krieg mit der Bestellung der
Brunecker Glocken so lange zu, bis es zu
einem ausgeklügelten Geläute auch in Ab-
stimmung mit der Rainkirche kam. Im
Herbst 1929 hat er dann aber wie mit einer
Vorahnung seines Todes die Beschaffung
der Glocken rasch in die Wege geleitet. Mit
gesicherter Finanzierung und großzügigem
Wohlwollen des Volkes wurde der Auftrag
des Gusses an die Firma Cavadini in Verona
vergeben. Zu Ostern sollten die neuen
Glocken kommen – nur konnte Franz Josef
Kleinlercher diese Freude nicht mehr er-
leben: Zu seiner Beerdigung läutete nur die
einzige vom Krieg verschonte Glocke.
Im Jänner 1930 musste sich Dekan
Kleinlercher im Meraner Krankenhaus