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OSTTIROLER
NUMMER 10/2005
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HEIMATBLÄTTER
Grafendorf), langjährige Organistin, hatte
endlich nach 15 Jahren Ehe ein einziges
Wunschkind namens Franz Josef Unter-
kircher (1904-1989, Wien), das auch dem
Priesterstand verlobt wurde. Dieser Fami-
lienstamm wird deshalb näher beleuchtet,
weil er im Defreggen kulturell über Gene-
rationen bedeutend war. Mit dem Tod des
später laisierten Hofrats DDr. Franz Josef
Unterkircher als Direktor der Handschrif-
tensammlung der Österreichischen Natio-
nalbibliothek in Wien im Jahre 1989 verlor
St. Jakob mit Sicherheit die größte und be-
rühmteste je aus dieser Gemeinde hervor-
gegangene Persönlichkeit. Lehrers Franzl,
wie er hier von der älteren Generation ge-
nannt wurde, war ein Genie von Geist und
Wissen gleichermaßen.
Aber nun weiter zum Leben von Franz
Josef Kleinlercher. Zunächst besuchte er
die Volksschule seiner Heimatgemeinde,
bevor er als zehnjähriger von 1872 bis
1880 das Gymnasium zuerst in Brixen und
dann in Bozen absolvierte. Er wird dabei
des öfteren den Fußmarsch über das
Gsiesertörl nach Welsberg oder über den
Staller Sattel nach Olang gegangen sein,
um seinen Schulort zu erreichen. Sein da-
maliger Schulfreund war Johannes Raffl
(geb. 1858 in Roppen), der später als Fürst-
bischof von Brixen von 1921 bis zu seinem
Tod am 15. Juli 1927 sein Vorgesetzter war.
Am 31. Mai 1875 starb Franz Josefs Vater
in St. Jakob im Haus Unterrotte Nr. 9, man
wohnte zu dieser Zeit nicht mehr in Grand-
eggen. Seine Bestimmung führte Franz
Josef im Herbst 1880 wieder nach Brixen
ins Priesterseminar, wo der äußerst talen-
tierte junge Defregger eine solide Ausbil-
dung erhielt, die prägend für sein künftiges
Wirken sein sollte. Franz Josef Kleinler-
cher hatte dort zwei aus dem Defreggen
abstammende und in Brixen lehrende Vor-
bilder, nämlich Dr. Eduard Stemberger
(geb. 18. März 1853 in Bruneck, gest. 25.
Mai 1927 in Taufers) und Prof. Josef Degi-
scher (geb. 28. Juli 1826 in St. Veit im
Defreggen, gest. 23. Mai 1888 in Brixen).
Am 20. Juli 1884 wurde der kaum 23-
Jährige in Brixen zum Priester geweiht.
Gleich darauf trat er als junger Seelsorger
in sein Berufsleben ein. Seine ersten Sta-
tionen waren Hilfspriester in Windisch-
Matrei, dann provisorischer Kooperator in
Virgen, darauf Kooperator in St. Jakob in
Ahrn, in Rodeneck, dann 1889 bis 1890 in
Brixen und dann wiederum in Rodeneck.
Am 22. August 1890 verstarb die Mutter
Maria ebenfalls in St. Jakob Unterrotte Nr.
14a und wieder in einer anderen Unter-
kunft. Im Jahre 1892 erhielt Kleinlercher
die Pfarre Prettau im hintersten Ahrntal.
Eine große und schwierige Aufgabe für
den nun 31-jährigen Priester, da gerade zu
jener Zeit das Kupferbergwerk in Prettau
unrentabel wurde. Im Herbst 1893 wurde
das Bergwerk schließlich stillgelegt, wo-
durch an die 60 Knappen arbeitslos wur-
den. Die finanzielle Situation war dadurch
angespannt und eine verständliche Not in
vielen Familien die Folge. In dieser argen
Bedrängnis fühlte sich F. J. Kleinlercher
nicht nur für das Seelenleben, sondern
auch für das wirtschaftliche Überleben
seiner Schäfchen verantwortlich. Er hatte
auch den sozialwirtschaflichen Instinkt
St. Jakob i. D.,
Weiler Grand-
eggen; ganz
rechts F. J. Klein-
lerchers
Geburtshaus,
vulgo Jörgen,
später auch
Zochis genannt;
Aufnahme
September 1994.
Foto: Viktor
Ladstätter
Klöppeln in
der Stube des
Hauses vulgo
Tekla im Jahr
1954; V. l: Anna
Stolzlechner,
Anna Brugger,
Zita Benedikter,
Maria Brugger,
Clara Benedikter,
Rosa Kofler.
(Sammlung Rosa
Kofler, Tasser,
Prettau)
wie ihn viele Defregger zur damaligen Zeit
besaßen. Immerhin waren seine Lands-
leute im Gebiet der ganzen Monarchie und
darüber hinaus als geschätzte Hut- und
Uhrenhändler bzw. Fabrikanten mit gro-
ßem Erfolg tätig. So war es nicht verwun-
derlich, dass er sich Gedanken über die
Zukunft von Prettau machte. Da imAhrn-
tal die Klöppelei von früher her schon be-
kannt war und einige sie noch ausführten,
kam ihm die Idee einer Klöppelhausindus-
trie. Der Pfarrer war nun die treibende
Kraft zur Einführung dieser neuen Er-
werbsquelle in Prettau. Ohne die Notwen-
digkeit, teure Maschinen anzuschaffen,
konnte diese reine Handarbeit mit Fleiß
und Geschick von Weibs- und Mannsper-
sonen nach gediegener Ausbildung auch
im hintersten Talschluss erbracht werden.
Das Rohmaterial brauchte nicht eingeführt
zu werden – der Flachs gedieh auch in
Prettau. Man fand also eine Arbeits- und
Verdienstquelle im Spitzenklöppeln. Franz
Josef Kleinlercher gelang es mit zähem
Fleiß, zuerst viermonatige Kurse einzufüh-
ren, die unter seiner Oberaufsicht von der
in Wien ausgebildeten Anna Bacher gelei-
tet wurden und später dann die Klöppel-
schule in Prettau in Zusammenarbeit mit
den verschiedenen Behörden zu errichten.
Unter finanzieller Mithilfe des Barons
von Sternbach und des Grafen Enzenberg
konnten im Jahr 1898 drei Frauen aus
Prettau nach Wien in den Zentralspitzen-
kurs geschickt werden. Eine von ihnen,
Anna Kofler verehelichte Mittermaier, war
dann als Klöppellehrerin tätig. Zunächst
kamen die Kinder der Knappen und von
diesen lernten auch die Frauen daheim das
Handwerk. Aufträge erhielten sie vom
Zentralspitzenkurs in Wien und von diver-
sen Manufakturen Europas. Auch waren
einige Frauen als Spitzenhändlerinnen
tätig. So wurde allmählich ein finanzieller
Ausgleich für die Verluste, die durch die
Schließung des Bergwerks hervorgerufen
wurden, gefunden. Jedenfalls war dieser
Wirtschaftszweig für Prettau ein Segen
und hat sich bis heute erhalten. Es wird
nach wie vor fleißig geklöppelt und die