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einer schweren Operation unterziehen.
Diese verlief zwar gut, dennoch verfielen
seine Körperkräfte zusehends. Er schaute
dem nahenden Ende aber gefasst entgegen.
Erschüttert vernahm man schon amAbend
des 25. Jänner 1930 die Botschaft von sei-
nem kurz vorher im Meraner Krankenhaus
eingetreten Tod. Am nächsten Tag verkün-
deten die Trauerfahne und das Sterbe-
glöcklein seiner Kirche offiziell das Ab-
leben von Msgr. Franz Josef Kleinlercher.
Seine Leiche wurde am 28. Jänner nach
Bruneck überführt. In St. Lorenzen, seiner
vorletzten Wirkungsstätte, wurde der
Leichnam unter großer Anteilnahme der
Bevölkerung vom Auto genommen und
eingesegnet. Anschließend ging es das
letzte Stück des Weges weiter nach Brun-
eck, wo die Stadtbewohner sein Eintreffen
mit Schmerz erwarteten. Sie geleiteten
ihren dahingeschiedenen Dekan durch die
Strassen zur Pfarrkirche, wo er inmitten
von Blattgrün aufgebahrt wurde und die
Bevölkerung aus nah und fern von ihm
Abschied nahm. Das Begräbnis am Don-
nerstag den 30. Jänner war ein wahrer Be-
weis für seine Beliebtheit. Zwei Rappen
des Altbürgermeisters Schifferegger zogen
den blumenverzierten Schlitten mit dem
Sarg des hochgeachteten Verblichenen.
Zahlreiche offizielle Abordnungen von
Ämtern und Behörden, an der Spitze Bür-
germeister Hilber und Alt-Bürgermeister
Schifferegger sowie als einziger Defregger
der Sohn seines Taufpaten, Oberlehrer
Vinzenz Unterkircher, Abordnungen von
Prettau und St. Lorenzen, der ganze Klerus
der Region, davon 94 Herren im Chorrock,
und geschätzte 5000 Trauergäste begleite-
ten Franz Josef Kleinlercher auf seinem
letzten Weg – eine für Bruneck noch nie da
gewesene traurige Feierlichkeit. Sogar
sämtliche Geschäfte der Stadt hatten
während der Beerdigung geschlossen.
Franz Josef Kleinlercher hatte einen Le-
benscharakter der Vielfältigkeit: Einseitig-
keit und ungesundes Übertreiben waren
nicht das seine. Kleinlichkeit und Engher-
zigkeit waren ihm vermaßt. Durch sein
kluges und maßvolles Wirken genoss er
auch in weniger religiösen Kreisen eine
hohe Wertschätzung. Er war auch ein
Mann der Ordnung, was aus seinen Auf-
zeichnungen und kommerziellen Ange-
legenheiten nachweisbar ist. In seiner her-
ben, äußeren Schale schlug ein großes,
weiches Herz. Auch wenn manche, die ihn
anfangs nicht näher erleben durften,
glaubten, er sei unnahbar, konnten sie doch
nach kurzer Zeit Freude und Verständnis
vom erfahrenen und praktischen Weltmen-
schen verspüren. Von F. J. Kleinlercher
könnten sich auch heute Kirche, Schule
und Wirtschaft in Sachen Seriosität, Ehr-
lichkeit und Pflichterfüllung etwas ab-
schauen. Mit der Erkenntnis der Vergan-
genheit wächst die Hochachtung für ihn
mit seinen großen Leistungen auf religiö-
sem wie wirtschaftlichem Gebiet.
Quellen und Literatur:
Tiroler Landesarchiv, Pfarrmatrikel von St. Jakob und
St. Veit i. D.
Schematismen der Diözese Brixen, Jahrgänge 1868-
1918.
Josef Gelmi, Die Brixner Bischöfe in der Geschichte
Tirols, Bozen 1984.
Brixner Chronik, 1., 4., 8., 13., 20. Mai, 19. Oktober
1909.
Dolomiten, 27. Jänner, 1., 3. Feber 1930.
Tiroler Anzeiger, 3. Feber 1930.
Katholisches Sonntagsblatt 2., 16. Feber 1930.
Die Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt zu Bruneck, Brun-
eck 1977.
Josef Innerhofer, Taufers – Ahrn – Prettau. Die Ge-
schichte eines Tales, Bozen 1980.
500 Jahre Kirche Prettau, Prettau 1989.
Persönliche Quellen, Zeitzeugenberichte 2002-2005:
Lothar Baron Sternbach (1905-2005), Bruneck.
Willibald Webhofer (geb. 1915), Bruneck.
Bernhard Kleinlercher (1914-2004), St. Jakob i. D.
Thresl Kleinlercher (1919-2003), St. Jakob i. D.
Hermann Huber (1934-2005), St. Lorenzen i. P.
Rosa Kofler, Tasser (geb. 1934), Prettau.
Paula Grießmair, Innerbichler (geb. 1952), Prettau.
Frau Tasser und Frau Innerbichler
danke ich für die Überlassung von Bild-
material und ihre Erzählungen über die
Klöppelei und ihre Vermarktung von
früher bis heute, ebenso danke ich
Herrn Huber für die Überlassung von
Bildern von F. J. Kleinlercher.
OSTTIROLER
NUMMER 10/2005
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HEIMATBLÄTTER
Sekundiz des Pfarrers Peter Grimm, gebürtig aus Hopfgarten i. D., am 12. August 1928
in seiner Pfarre St. Lorenzen inmitten von Landsleuten; sitzend, v. l.: Pater Huber von St.
Martin bei St. Lorenzen (1), Dekan F. J. Kleinlercher von Bruneck (3), der Geehrte Pfar-
rer Peter Grimm (4), Dompropst Adrian Egger von Brixen, gebürtig aus Prägraten (5).
(Orig.-Foto in der Sammlung Hermann Huber, Mair zu Gasteig,
Bauer in St. Lorenzen i. P.-St. Martin)
Sterbebild für Dekan F. J. Kleinlercher (1861-1930).
(Original zur Verfügung gestellt von Paula Grießmair, Innerbichler, Prettau)
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren ver-
antwortlich.
Anschrift des Autors dieser Nummer: Viktor
Ladstätter, A-9963 St. Jakob i. D., Innerrotte 25.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimat-
blätter“ sind einzusenden an die Redaktion des
„Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzinini,
A-6176 Völs, Albertistraße 2 a.