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OSTTIROLER
NUMMER 9/2006
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HEIMATBLÄTTER
Lienzer Ratsprotokoll war im Jahr 1726
zwar kein Geld mehr vorhanden, doch der
Bau schien auf jeden Fall notwendig. Der
Bürgermeister wurde aufgefordert, Geld zu
beschaffen. Diesem ist es offenbar gelun-
gen, die finanziellen Mittel sicher zu stellen,
denn zu Jahresbeginn 1727 konnte man tat-
sächlich mit den Bauarbeiten anfangen. Im
folgenden Jahr wurde bereits das Langhaus,
dessen Südwand weiter hinaus gerückt wor-
den war, mit Schindeln eingedeckt, im No-
vember 1729 war man bei der Errichtung
des Chores. Das wohl durchdachte Raum-
konzept gliedert das Langhaus in drei Joche,
getrennt durch Wanddienste mit Pilastervor-
lagen auf drei Seiten; im ganzen Raum
spielt die Ellipse eine große Rolle. Der inter-
essanten architektonischen Anlage ent-
sprach auch die qualitätvolle Ausstattung.
Josef Mussack d. J. schuf den neuen Hoch-
altar und die Kanzel. Josef Ferdinand Fro-
miller malte Fresken und die Altarbilder der
Seitenaltäre. Insgesamt galt die spätbarocke
künstlerische Ausstattung der Spitalskirche
als äußerst wertvoll und einheitlich. Die
Weihe des Gotteshauses war für 1746 vor-
gesehen, wurde aber auf 1751 verschoben
und ist vermutlich nicht erfolgt. Es muss
aber eine einfache „Benedizierung“ (Seg-
nung) gegeben haben, wodurch der Kir-
chenraum für liturgische Zwecke überhaupt
benützbar gemacht worden ist. Eine feier-
liche Einweihung kam tatsächlich erst am
7. Oktober 1770 durch Bischof Josef Graf
Spaur von Seckau zustande.
Das Lienzer Stadtspital als öffentliche
Anstalt (bis 1931)
Das Sanitätswesen nahm im allgemeinen
und selbstverständlich auch in der Stadt
Lienz im 19. Jahrhundert einen enormen
Aufschwung. Heißt es noch 1822 in einem
Schriftstück, das Lienzer Spital sei eigent-
lich nur eine Versorgungsstätte für städti-
sche Arme und Bresthafte, so bahnte sich in
den folgenden Jahren der Wandel zu einem
Krankenhaus im heutigen Sinn an.
Eine vom Gubernium für Tirol und Vor-
arlberg mit 19. Oktober 1829 herausgege-
bene und für das ganze Land verbindliche
„Instruktion für den Spitalarzt“
beleuchtet
gut die damaligen Zustände. Dem Spitalarzt
unterstanden der Wundarzt bzw. Chirurg
und das gesamte
„Wärterpersonal“,
also
die Pfleger und Pflegerinnen. Paragraph 3
besagt, dass er für die
„reinste Sittlichkeit,
Ordnung, Ruhe und die größte Reinlichkeit
in den Zimmern der Kranken, auf den Gän-
gen, Treppen u.s.w.“
verantwortlich ist.
Streng hatte er darauf zu achten, dass die
Wärter genau seine Anweisungen befolgten,
„so wie auch, daß die Kranken, zur Vermei-
dung von Klagen, sanft, geduldig, liebevoll
und schonend“
behandelt werden.
„Grob-
heiten der Wärtersleute gegen die Kranken,
oder gar Mißhandlungen derselben sind
aufs strengste zu ahnden.“
Der Spitalarzt hatte dafür zu sorgen,
„daß
nie zu viele Kranke in einem Zimmer unter-
gebracht werden, was auch hinsichtlich der
Pfründner und Siechen zu beobachten ist“
(§ 7). Zu seinen Pflichten gehörten natürlich
auch die Visiten,
„Ordinazionen“
genannt:
„Der Arzt muss täglich in der Regel zwei
Ordinazionen auf den Krankenzimmern hal-
ten, die erste in der Frühe um 7 Uhr und die
zweite Nachmittags um 5 Uhr. Diese Ordi-
nazionen dürfen nicht flüchtig abgehalten
werden, sondern der Spitalarzt hat sich bei
jedem einzelnen Kranken gehörig lang auf-
zuhalten.“
(§ 9)
Bei
„wichtiger chirurgischer Hülfe“
für
einen Patienten musste der Spitalwundarzt
herangezogen werden, für den mit selbem
Datum ebenfalls eine Instruktion erlassen
worden ist. In diesem Bereich waren die
Zustände nach heutigen Begriffen beson-
ders mangelhaft, was bereits § 17 beleuch-
tet:
„Eine größere, mit Schrecken oder
Eckel für die anderen Kranken verbundene
Operation muß in einem abgesonderten
Zimmer vorgenommen werden.“
Der Spitalarzt hatte auch
„alle Sorgfalt“
auf
„Kost und Nahrung“
anzuwenden,
auch die Getränke zu untersuchen und auf
die Reinlichkeit der Essgeschirre zu ach-
ten. – Erhalten ist die vom Stadtmagistrat
ausgearbeitete, mit 5. Oktober 1830 datierte
und von Bürgermeister Thomas Rainer
unterzeichnete
„Speise-Ordnung“
für das
Lienzer Spital, die für die zwei Klassen von
Insassen nur einen sich Woche für Woche
wiederholenden Plan kennt, besonders
festliche Tage im Jahreslauf hervorhebt und
selbst Kochrezepte anführt, wie z. B. die
Einbrennsuppe, die Speckknödel,
„Plen-
ten“
oder die
„Fastengerste“
herzustellen
seien.
Was die Pflege der Kranken und Pfründ-
ner betrifft, so änderten sich die Verhältnisse
schlagartig zum Besseren als die Barmher-
zigen Schwestern in Lienz tätig wurden.
Im Jahr 1842 begannen Verhandlungen
über die Heranziehung von Ordensschwes-
tern zur Krankenpflege und 1843 war es so
weit: 3 Barmherzige Schwestern aus dem
Innsbrucker Ordenshaus lösten die welt-
lichen Wärterinnen im Lienzer Spital ab.
Schwester Johanna Pizzinini war die erste
Vorsteherin der „Filiale Lienz“. Damit be-
gann hier die Tätigkeit der Barmherzigen
Schwestern, die sich im Lauf von rund ein-
einhalb Jahrhunderten große Verdienste er-
worben haben.
Im Lienzer Ratsprotokoll vom 27. März
1857 wird festgestellt, dass das Bürger-
spital als öffentliche Krankenanstalt zu be-
trachten sei. Damit wurde dem inneren
Wandel einer alten Institution Rechnung ge-
tragen. Noch aber waren durch Jahrzehnte
Pfründner und Kranke, die vorübergehend
stationär behandelt wurden, in derselben
Anstalt untergebracht. Auch wirkten noch
Blick in die
Spitalskirche
zum Hl. Geist,
die bis zu ihrer
Zerstörung
1945 als eine
der einheit-
lichsten
Barockkirchen
des Landes
galt (Auf-
nahme von
1907). (Tiroler
Landes-
museum Ferdi-
nandeum)
Bürgerspital
mit Torturm
der Stadtbefes-
tigung und
Spitalsbrücke,
Ausschnitt aus
einer Lienz-
Ansicht von
F. Wolf und B.
de Ben, Litho-
graphie, um
1840.
(Dr. Michael
Forcher,
Innsbruck)
Foto:
M. Pizzinini
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