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OSTTIROLER
NUMMER 9/2006
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HEIMATBLÄTTER
lange Zeit der an einer Universität ausgebil-
dete Spitalarzt und der traditionelle Wund-
arzt als „Spital-Wundarzt“ nebeneinander.
Ein besonderer Bedarf medizinischer Ver-
sorgung war durch den Bau der Pustertal-
bahn 1870/71 gegeben, als Hunderte von
Arbeitern in der Lienzer Gegend konzentriert
waren. Die Finanzierung der Adaptierung
entsprechender Räumlichkeiten im Spital
übernahm die k. k. Südbahngesellschaft.
1870 wurde auch der Spitalsfriedhof – im
Bereich des heutigen Hofes – aufgelassen.
In den 1880er-Jahren fürchtete sich ganz
Europa vor der 1883 in Alexandria in Ägyp-
ten ausgebrochenen und im Folgejahr nach
Europa eingeschleppten Seuche der Cho-
lera. Im Stadtspital hätten daran erkrankte
Personen niemals aufgenommen werden
dürfen. Auf Anordnung der k. k. Statthalte-
rei in Innsbruck musste daher auch in Lienz
durch die Stadt ein Notspital errichtet wer-
den. Nach gewissen Widerständen war es
im August 1887 bezugsfertig. Das „Cho-
lera-Spital“ (Oberer Siedlerweg Nr. 8)
wurde jedoch nie belegt, da die Seuche den
Bezirk Lienz zum Glück nie erreicht hat!
Die letzten Jahrzehnte des Stadtspitals
Tüchtige Mediziner jener Zeit, die das
Sanitätswesen der Stadt Lienz wesentlich
geprägt haben, sind Dr. med. Anton Hölzl
(† 1883) und Dr. med. Anton Wurnig
(† 1921).
Durch notwendige Baumaßnahmen be-
dingt, entstand am Bürgerspital bis zum
Jahresende 1890 ein Abgang von 7.169
Gulden 44 Kreuzer, der durch den Stadt-
kammerfonds „einstweilen“ gedeckt
wurde. Der jährliche Aufwand im Spital
betrug ca. 9.500 Gulden. Das Vermögen,
immer noch bestehend aus den alten Stif-
tungen, Schenkungen und den Einpfrün-
dungskapitalien, reichte trotz der hinzu-
kommenden Gebühren der Kranken nicht
mehr aus, so dass der entsprechende Tiro-
ler Landesfonds jährlich 1.084 Gulden an
Verpflegungskosten übernahm. Zu diesem
Zeitpunkt (1890) übertrafen die Kranken-
verpflegstage (17.340) bei weitem die Ver-
pflegstage der Pfründner (1.530).
Im Jahr 1896 musste ein zweites Stock-
werk aufgebaut werden, 1912 vergrößerte
man durch Errichtung eines Anbaus, und
nach dem Ersten Weltkrieg folgte ein Trakt
für Infektionskrankheiten. Bereits die
Situation im Krieg – ein Teil des Spitals
war von Militärpersonen belegt – und der
rasche Bevölkerungszuwachs der Stadt
Lienz nach 1918 erzwangen konkrete Ini-
tiativen in der Krankenhausfrage. Das alte
Spital entsprach weder der Größe noch der
Ausstattung nach den Erfordernissen der
Zeit, wenn es auch hinsichtlich des Perso-
nalstandes Verbesserungen gegeben hatte.
Auch stand nun schon seit vielen Jahren
eine gut ausgebildete Ärzteschaft zur Ver-
fügung. Neben der chirurgischen und der
internen Abteilung war auch ein Kreißzim-
mer eingerichtet worden, wo eine eigene
Anstaltshebamme den Dienst versah.
Die Statistik zeigt die extreme Entwick-
lung nach dem Ersten Weltkrieg auf: 1921
wurden 850 Personen aufgenommen, die
Zahl der Verpflegstage betrug 18.319,
Operationen wurden 312 durchgeführt. –
Die Situation im Jahr 1930: 1.957 Patien-
ten, 33.783 Verpflegstage und 579 Opera-
tionen. Zu diesem Zeitpunkt – ein Neubau
war bereits im Entstehen begriffen – stan-
den in 20 Zimmern 92 Betten zur Ver-
fügung. Die Zahl der Pfründner war nun
mit 20 limitiert worden.
Der Betrieb im alten, traditionsreichen
Stadtspital wurde mit 15. Dezember 1931
eingestellt.
Planzeichnungen für
das Choleraspital, das
die Stadt Lienz im Jahr
1887 errichten musste.
(Stadtarchiv Lienz)
Foto: M. Pizzinini
Das Lienzer Spital, be-
reits seit Jahrzehnten in
der Funktion eines
Krankenhauses. Die
neue Spitalsbrücke war
als Eisenkonstruktion
im Jahre 1897 fertigge-
stellt worden. Postkarte
um 1900.
(Ute Pizzinini, Völs).
t
Einen
großen
Fortschritt
in der
Pflege
bedeutete
eine neue
„Kranken-
bettstatt“,
wie sie im
ganzen
Land ab
1845 viel-
fach Ver-
wendung
fand; Aus-
schnitt aus
der Beilage
zur ausführ-
lichen Be-
schreibung,
erschienen
in Inns-
bruck 1845.
(Stadtarchiv
Lienz)
Foto:
M. Pizzinini
s