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mit ihnen beschäftigte und von allen geist-
lichen Ständen verlangte, ihre Zahl dras-
tisch zu verringern.
Ein typischer unehrlicher Vertreter die-
ses Berufes war jener Hochstapler, der
1428 in Lübeck festgenommen wurde. Er
nannte sich Bruder Marcus, wollte ein Ma-
gister der Theologie sein und gab sich für
einen kurialen Kollektor aus, der kraft
einer päpstlichen Urkunde, die natürlich
gefälscht war, ermächtigt sei, für christ-
liche Gefangene, die in den Kerkern der
Sarazenen schmachteten, Lösegeld zu
sammeln und als Gegenleistung alle Sün-
den zu vergeben. Er hatte sich weit herum-
getrieben, war von Venedig bis Köln und
an die Ostsee gekommen.
Genauso sehr wie man solche üblen
Praktiken verwarf, missbilligte man unlau-
tere Machenschaften der am Ablass Mit-
wirkenden. Sie nutzten ihn als eigene
Geldquelle schamlos aus, unterschlugen
den Erlös oder einen Teil davon, verwand-
ten die Gelder zu fremden Zwecken. Es
gab Ablasskommissäre, die ihre Mahlzei-
ten auch schon einmal Dirnen mit Ablass-
briefen bezahlten. Peraudi schenkte sie
1502 in Straßburg Dienern statt Trinkgeld.
Bei einer Kirchenlotterie 1518 zu Bergen
op Zoom (Brabant) wurden neben anderen
Dingen auch Ablassbriefe verlost. Aller-
dings erwarb der glückliche Gewinner
damit nur das Recht, sich wie mit Beicht-
briefen einen Priester auszusuchen, der ihm
nach Reue und Beichte einen Ablass spen-
den durfte. Sünde und Strafe waren nicht
automatisch mit dem Erwerb vergeben.
Herrschten solche Missstände im Ab-
lasswesen, wundert es nicht, wenn man da-
mals sagte: Ablass ist ein göttlich Betrügen
– Wer Ablass verkauft, hat immer guten
Markt – Zum Ablass und Jahrmarkt muss
man mit Geld kommen. Wenn jedoch Se-
bastian Brant in seinem „Narrenschiff“
von 1494 klagte:
„Der Ablass ist so ganz unwert,
Dass niemand seiner mehr begehrt;
Niemand will mehr den Ablass suchen,
Ja, mancher möchte ihn sich
nicht fluchen,
Und mancher gäb keinen Pfennig aus,
Wenn ihm der Ablass käm ins Haus“,
so hatte er das zu pessimistisch gesehen.
Noch im frühen 16. Jahrhundert war der
Ablass allgegenwärtig, der Zuspruch des
Volkes, das geradezu ein unstillbares Ver-
langen danach trug, ungebrochen. Luthers
Kritik an der Ablasspraxis seiner Zeit war
berechtigt, wenngleich er und andere Refor-
matoren die finanziellen Auswüchse dabei
überbetont haben. Für sie hatten die guten
Werke keine erlösende Kraft, während das
Konzil von Trient 1563 darauf beharrte, den
Ablass als heilsamen Brauch zu werten.
Gleichzeitig verboten aber die Konzilsväter
alle berufsmäßigen Ablassprediger, um Ent-
artungen vorzubeugen. Wie schon erwähnt,
spricht man heute demAblass einen Beitrag
zur Versittlichung der Gläubigen zu und an-
erkennt, dass er den Menschen als Ansporn
zu Hilfeleistungen für Kirche, karitative
Zwecke und das Gemeinwohl gedient hat.
Georg Christoph Lichtenberg (1742-
1799) hielt jenen, die über die Ablasskrä-
merei der katholischen Kirche lachten, vor,
sie machten doch täglich dasselbe. So
mancher Mann schlechten Herzens glaube
sich mit dem Himmel ausgesöhnt, wenn er
Almosen gebe. Lichtenberg war zwar der
Sohn eines protestantischen Geistlichen,
doch ist anzunehmen, dass evangelische
Theologen seine freimütige Feststellung
nicht teilten und gesagt hätten, kein
schlechter Kerl rücke durch Almosen-
geben dem Himmel näher. Herr Lichten-
berg hatte es auch sonst nicht so mit der
Rechtgläubigkeit. Er schreibt, wenn Men-
schen mit Weinen auf die Welt kommen,
sei es doch nur sinnvoll, wenn sie mit
Lachen aus ihr scheiden, weswegen er
geneigt sei, den Leuten zu glauben, welche
die Seelen gerade Verstorbener wollen
lachen gehört haben. Mag auch der Apho-
ristiker ein großer Spötter vor dem Herrn
gewesen sein, so ist doch die Vorstellung,
nach dem Tod etwas zu lachen zu haben,
OSTTIROLER
NUMMER 9-10/2007
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HEIMATBLÄTTER
Während oben eine Seelenesse gefeiert wird, erlöst unten ein
Engel schon zwei Arme Seelen aus dem Fegefeuer; französisches
Stundenbuch, um 1460.
Ablassbild mit Christus als Schmerzensmann. Wer nach Reue
und Beichte fünf Vaterunser und fünf Ave Maria vor diesem Bild
betet, gewinnt 77.000 Jahre und 36 Tage Ablass; Umbrien, Ende
15. Jh., Öl auf Pappelholz.
(Beide Archiv Robert Büchner)