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OSTTIROLER
NUMMER 9-10/2007
3
HEIMATBLÄTTER
Der Ackerbau des Paps-
tes, Holzschnitt, 1630,
nach einem Gedicht des
Hans Sachs. – Mönche
und Gelehrte laden mit
Mistgabeln Bücher
(= katholischer Unrat)
von einem Wagen auf den
Boden, den Mönche mit
einem von Rosenkränzen
und Tand beschwerten
Pflug pflügen, während
rechts Priester Ablass-
briefe säen und eggen.
(Archiv Robert Büchner)
wo er 1428 Profess ablegte. Ob nun Bene-
dikt schon Kontakte zum Kaiserhof hatte
oder ob ihm sein Bruder Hanns die Wege
ebnete, der Friedrich III. auf seinem Krö-
nungszug nach Rom begleitet hatte und
dort zum Ritter geschlagen worden war,
jedenfalls begann Benedikts Aufstieg
1452 mit der Ernennung zum Titularerz-
bischof von Tiberias. Die Bischofsweihe
folgte. Sein Aufgabenbereich lag am Kai-
serhof. Auf Betreiben Friedrichs III.
wurde Benedikt 1454 zum Abt von Ossi-
ach ernannt, wodurch sich sein Einkom-
men erfreulicherweise erhöhte. Er behielt
die Abtswürde nur drei Jahre und resig-
nierte 1457. Er fand in den Klosterchroni-
ken von Ossiach keine gute Presse, weil
man ihm Versäumnisse in der Verwaltung
des stark verschuldeten Stiftes nachsagte.
In der Folge hielt er sich in Kärnten und
Osttirol (Lienz) auf und starb schon 1458.
Die vorliegende Urkunde bietet eine gute
Gelegenheit, einmal den Ablass im Mittel-
alter näher zu betrachten. Er hat sich all-
mählich aus der Bußpraxis der abendländi-
schen Kirche des Frühmittelalters ent-
wickelt und stellt mit seiner Einschränkung
auf die zeitlichen Sündenstrafen eine Neu-
schöpfung der Zeit nach 1000 dar. Um
deren Vergebung zu erlangen, müssen erst
durch Reue und Beichte die Sünden getilgt
sein. Das ist eine unabdingbare Vorausset-
zung. Mit dem Ablass wird also nicht die
Sünde, die Schuld vergeben, sondern nur
die Buße, die zeitliche Sündenstrafe wird
nachgelassen. Das hat immer die Kirche ge-
lehrt. Verwirrung haben die kurialen Beicht-
oder Ablassbriefe gestiftet, die sich schon
um die Mitte des 14. Jahrhunderts stark ver-
breiteten. Mit ihnen wurde den Begünstig-
ten gestattet, sich frei einen Beichtvater zu
wählen, der die Befugnis hatte, einen voll-
kommenen Ablass zu erteilen. Die beson-
dere Absolutionsvollmacht eines solchen
Beichtvaters und die in den Beichtbriefen
missverständliche Formel von einer Befrei-
ung „von Strafe und Schuld“ (
a poena et a
culpa
) hat bei einigen zu der irrigen Auffas-
sung geführt, mit dem Beichtbrief-Ablass
würde auch die Schuld vergeben. Davon
konnte keine Rede sein. Reue und Beichte
waren auch hier unerlässliche Vorbedin-
gung. Bedenkenlose Ablassprediger und
andere haben sich aber, um ihre Geld-
taschen zu füllen, nicht gescheut zu behaup-
ten, Ablässe tilgten auch Sünden.
Seit dem 13. Jahrhundert verfestigte sich
die Lehre, durch die Verdienste der Heiligen
und besonders Christi sei ein unendlicher
Gnadenschatz angehäuft worden, aus wel-
chem unerschöpflich alle zeitlichen Sünden-
strafen abgegolten werden können, auch für
die Büßer im Fegefeuer. Das Volk, das sich
vor den Jenseitsstrafen ängstigte, sah im
Ablass ein Mittel, schon auf Erden einen
Teil seiner Sünden abzubüßen, akzeptierte
deswegen gern den Ablass, der auch als
Appell zur inneren Umkehr und zur Nächs-
tenliebe, indem er die Möglichkeit zu guten
Werken bot, verstanden werden konnte. Ge-
wiss, der Ablass war eine Geldquelle, aber
er bewirkte auch eine sittliche Erneuerung,
bei wie vielen, sei dahingestellt.
Besonders häufig wurden Kirchenbau-
ten mit Hilfe von Ablassgeldern errichtet,
von großen Domen bis hin zur kleinen Ka-
pelle. Durch die Verleihung von Ablässen
förderte man noch viele Vorhaben, sowohl
im kirchlichen wie weltlichen Bereich. Sie
kamen Spitälern, Passhospizen, Schiff-
brüchigen, Armen, Studenten, Wöchnerin-
nen, Dirnen, Gefangenen, armen Mädchen
für eine Heiratsausstattung, Bauten von
Brücken, Dämmen, Deichen, Häfen, Ba-
dehäusern, Befestigungen und Straßen zu-
gute, ja sogar Schützengesellschaften er-
hielten Ablässe, weil sie ja auch Kirchen
und religiöse Institutionen schützten.
Eine Flut von Ablässen ergoss sich über
das Volk, das sie bereitwillig annahm. Fast
jede Dorfkirche hatte schon im Spätmittel-
alter mindestens einen Ablass, sei es zum
Um- oder Neubau, zur Reparatur, sei es
zur Ausstattung und Verschönerung. Aller-
dings durften die Bischöfe nur 40 Tage
Nachlass der Buße gewähren, die Kardi-
näle wenigstens 100. Wollten Ratsherren
und vermögende Einwohner einer Stadt
ihren Mitbürgern einen größeren Gnaden-
schatz bieten, damit nicht die Ablassgelder
nach außerhalb abflossen, mussten sie sich
an Rom wenden, wo man Indulgenzen auf
Jahre, auf viele Jahre erwerben konnte,
allerdings nur gegen klingende Münze.
Im Nürnberger Dominikanerinnenkloster
sieht man ein Epitaph der Dorothea
Schürstab aus dem Ende des 15. Jahrhun-
derts, auf dem sich ein Bild der Gregors-
messe befindet. Eine dabei angebrachte In-
schrift verheißt jedem, der vor diesem Bild,
natürlich nach Reue und Beichte, ein Vater-
unser und ein Ave Maria spricht, den Ab-
lass, den man beim Besuch der römischen
Kirche S. Croce erhält, in der Papst Gregor
seine Vision gehabt hatte, und das waren
erkleckliche 30.000 Jahre. Vor einem Ab-
lassbild mit Christus als Schmerzensmann,
das Ende des 15. Jahrhunderts in Umbrien
entstand, sollte ein reuiger Mensch fünf
Vaterunser und fünf Ave Maria beten, um
77.000 Jahre Ablass zu gewinnen. So man-
cher Filou, der davor stand, mag wohl
schmunzelnd gedacht haben, er könne tap-
fer drauflossündigen, bis er eine so hohe
Strafe an Jahren zusammengebracht hätte.
Noch verlockender waren natürlich voll-
kommene Ablässe. Da wären zum einen
die „Ad-instar“-Ablässe, die nach dem
Vorbild (
ad instar
) von Indulgenzen erteilt
wurden, die bereits berühmte Gnadenorte
erhalten hatten, z. B. die Portiuncula-
Kapelle in Assisi. Papst Bonifaz IX. (1389-
1404), auf Erhöhung der kurialen Finanzen
bedacht, nutzte den vollkommenen Porti-
uncula-Ablass gezielt als Geldquelle aus.
Allein für das Jahr 1400/1401 konnten bis-
her 250 solcher von ihm erteilten Ablässe
nachgewiesen werden, von Schweden bis
Sizilien, von Irland bis Polen. Ähnliche In-
dulgenzen gab es für die Markuskirche in
Venedig, für Einsiedeln und Aachen.
Nachdem im Jahr 1300 Papst Bonifaz
VIII. das erste Mal für Rom einen Jubi-
läumsablass, einen vollkommenen Ablass,
wie er für Kreuzfahrer üblich war, gewährt
hatte, konnte man in der Ewigen Stadt in
jedem Jubeljahr aller Sündenstrafen ledig
werden, hundert Jahre später war nicht ein-
mal eine Romreise dazu mehr nötig. Boni-
faz IX. erlaubte nämlich, den Jubiläumsab-
lass überall anzubieten, meist um Kirchen-
bauten zu finanzieren. Dafür wurde jeweils
kräftig die Werbetrommel gerührt. Als Six-
Protestantische Forderung zur Abstellung
der Questionierer (Ablassprediger); Holz-
schnitt zu einer Flugschrift, 1522.
(Archiv Robert Büchner)