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OSTTIROLER
NUMMER 9-10/2007
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HEIMATBLÄTTER
sicht nehmen, ewiges Heil im Herrn und
alles Gute. Der Glanz väterlichen Ruhmes,
der mit seinem unsagbaren Strahlen die Welt
erleuchtet, begleitet die frommen Gebete der
Gläubigen, die auf seine Gnade und Herr-
lichkeit bauen, vor allem dann mit seiner
liebevollen Huld, wenn ihre hingebungsvolle
Demut von den Verdiensten und Fürbitten
der Heiligen unterstützt wird. In dem
Wunsch, dass die Pfarrkirche des heiligen
Andreas in Lienz, auch Patriarchesdorf ge-
nannt, Salzburger Diözese, die unter großem
Aufwand neu und prächtig erbaut worden ist
und die wir, Benedikt, Erzbischof der vorge-
nannten Kirche zu Tiberias etc., auf besonde-
ren Auftrag des ehrwürdigen Herrn und
Vaters in Christo, des Herrn Sigmunds, Erz-
bischofs von Salzburg, auf rechte Weise und
feierlich geweiht haben, mit angemessener
Ehrerbietung besucht wird und dass die
Christgläubigen umso lieber in frommer Ab-
sicht zu ihr kommen, je reichlicher sie sich
dort durch dies Geschenk himmlischer
Gnade erquickt sehen, gewähren wir, gestützt
auf das Erbarmen des allmächtigen Gottes
und auf die Autorität seiner Apostel, der
seligen Petrus und Paulus, allen, die wahr-
haft bereuen und gebeichtet haben und die zu
Weihnachten, Beschneidung, Epiphanie,
Auferstehung, Himmelfahrt, Pfingsten, Fron-
leichnam und Verklärung des Herrn, auch zu
Empfängnis, Geburt, Opferung, Verkündi-
gung, Reinigung, Heimsuchung und Him-
melfahrt der glorreichsten Jungfrau Maria,
am Weihefest der Kirche und an ihren Okta-
ven, ferner an den Festen des hl. Erzengels
Michael, des hl. Johannes des Täufers, aller
Apostel und Evangelisten, der hl. Märtyrer
Stephan und Laurentius, der seligen Beken-
ner Martin und Nikolaus, der hl. Maria
Magdalena, Katharina und Margarethe, an
allen Sonntagen, allen Tagen der Fastenzeit,
am Fest Allerheiligen und auch an den Fei-
ertagen dieser Kirche anlässlich der Weihe
der Altäre und ihrer Patrone sie in frommer
Absicht besucht haben und die zu ihrer Wie-
derherstellung oder Erhaltung, auch ihrer
Kelche, Bücher oder anderer Ausstattung,
die dort für den Gottesdienst benötigt wird,
zur Vermehrung ihrer Zinse und Erträge ihre
Hände hilfreich ausgestreckt haben und die
als Wiederholung des Englischen Grußes
[demütig drei Ave Maria gesprochen haben]
und im Gebet für verstorbene Gläubige über
den Friedhof gewandelt sind, denen allen
gewähren wir, Benedikt, vorgenannter Erz-
bischof, für jeden Festtagsbesuch und für
jedes gute Werk, so oft sie das getan haben,
im Herrn gnädig 40 Tage Ablass von den
ihnen auferlegten Sündenstrafen, was kraft
dieser Urkunde ewig gelten soll. Zum Beweis
und Zeugnis dessen ließen wir den vorlie-
genden Brief ausstellen und mit unserem an-
hängenden Siegel bekräftigen. Gegeben zu
Lienz in der erwähnten Salzburger Diözese
im Jahr des Herrn 1457, in der 5. Indiktion,
am Sonntag, den 9. Oktober, im 3. Pontifi-
katsjahr unseres Heiligen Vaters in Christo
und Herrn, des Herrn und dank göttlicher
Vorsehung Papstes Calixt III.
M[agister] Johannes, Notar,
hat unterschrieben
Rückseite:
Herr Georg Staudacher, Pfarrer
Georg, Schmied, Johannes,
Bäcker, Cristoff, Bäcker,
Zechmeister in Lienz
Initiale „J“ mit illuminierter Darstellung
des Apostels Andreas mit dem Kreuz,
darunter die Jahreszahl „1457“; Aus-
schnitt aus dem Weihe- und Ablassbrief
vom 9. Oktober 1457. Foto: M. Pizzinini
Weihe- und Ablassbrief für die Pfarr-
kirche St. Andrä, ausgestellt von Be-
nedikt Siebenhirter, Titularerzbischof
von Tiberias, am Sonntag, 9. Oktober
1457. (Lienz, Pfarrarchiv St. Andrä,
XX. 34)
Foto: M. Pizzinini
Die Urkunde ist nach einem Formular,
dessen Arenga
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mit
„Splendor paterne
glorie“
beginnt, ausgestellt und wurde
vom Notar, einem Magister Johannes,
unterschrieben. In einem Transsumpt
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vom selben Tag (9. Oktober 1457) nennt
sich Johannes mit vollem Namen und
Titel: Magister Johannes Trogsesse aus
Beyernryed (Bayersried), Kleriker der
Regensburger Diözese, kraft kaiserlicher
Autorität öffentlicher Notar und Richter. In
den Unterschriftszeilen des Transsumpts
(mit Notarszeichen = Signet) erklärt Trog-
sesse, er habe wegen Arbeitsüberlastung
die Urkunde durch einen anderen vertrau-
enswürdigen Schreiber anfertigen lassen.
Es ist wahrscheinlich, dass er aus demsel-
ben Grund auch nicht selbst die Ablass-
briefe für St. Andreas und St. Johannes
(8. Oktober 1457) geschrieben hat. Jeden-
falls zeigen alle drei Dokumente unter-
schiedliche Schriften
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.
Der Ablassbrief für St. Andreas wurde
auf Pergament in einer ansprechenden
gotischen Buchschrift geschrieben und
besiegelt. Die erste Zeile wird durch eine
verlängerte Zierschrift hervorgehoben.
Links daneben findet sich ein gleich hohes
farbiges Medaillon, das ein Brustbild des
hl. Andreas mit Schrägkreuz zeigt. Es ist
unterlegt mit dem verzierten Anfangsbuch-
staben „J“ in der Anrufung Gottes, der bis
zur letzten Zeile der Urkunde hinabreicht.
Darin steht die Jahreszahl 1457.
Auf der Rückseite liest man die Namen
jener Gemeindemitglieder, die wohl für die
Ausstellung des Ablasses gesorgt hatten:
Georg Staudacher, Pfarrer und die drei
Zechmeister
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(von St. Andreas) in Lienz,
der Schmied Georg und die beiden Bäcker
Johannes und Christof. Johannes hieß mit
Familiennamen Gainperger. Er ist zwischen
1457 und 1491 als Bäcker und Bürger zu
Lienz bezeugt. Der Schmied Georg wird
1469 und 1472 als Jörg, der alte Schmied,
Meister und Bürger zu Lienz erwähnt.
Mehr lässt sich zu den genannten Perso-
nen vorderhand nicht sagen, im Gegensatz
zum Aussteller des Ablassbriefes, zu Erz-
bischof Benedikt Siebenhirter, dem Bruder
des ersten Hochmeisters des von Friedrich
III. gegründeten St. Georgsritterordens,
Hanns Siebenhirter († 1508). Benedikt, um
1415 geboren, stammte aus einer ritterli-
chen Familie, die in Siebenhirten (bei Mis-
telbach, NÖ) begütert war. Er verlor früh
Vater (1419/20) und Mutter (um 1423) und
wurde anscheinend bei Verwandten in
Steyr erzogen. Seinem Wunsch entspre-
chend ließen ihn die Verwandten ins Bene-
diktinerkloster Kremsmünster eintreten,