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OSTTIROLER
NUMMER 12/2007
3
HEIMATBLÄTTER
Über die Lebensführung von Karl Fürhap-
ter wissen wir nicht viel. Wir wissen nicht ob
er groß oder klein, dick oder dünn war, ob er
einen Bart trug und wir wissen auch nicht ob
er Beziehungen zum weiblichen Geschlecht
hatte. Er war aber nie verheiratet, eine
Schwester hat ihm den Haushalt geführt. Er
betrieb eine Tischlerei, die Werkstatt hatte er
in dem alten Haus zu Außerkohler. Dieses
Objekt befand sich nördlich der Pfarrkirche
und existiert nicht mehr. Es wurde aufge-
kauft, abgetragen und durch einen Neubau,
heute mit der Hausnummer Innervillgraten
Nr. 65, ersetzt. Nach dem Artikel in den
„Osttiroler Heimatblättern“ sah es in der
Tischlerei ziemlich kunterbunt aus. Das Bett
befand sich in der Werkstatt, einfach in einer
„Tat“ (Schublade) der Hobelbank und wurde
untertags in diese hinein geschoben.
Über seine Tätigkeit als Tischler in der
Gemeinde erfahren wir durch die Bezah-
lung von 2 fl 12 kr für die Anfertigung
eines „Castrums“ (Totenbahre für Gedenk-
feiern an einen Verstorbenen) und seiner
schwarzen Bemalung im Jahre 1854. Mit
dem Verkauf von Honig und Wachs aus
Bienenstöcken neben dem Haus besserte
er seine finanziellen Verhältnisse auf.
Reich ist er nicht geworden, der Karl, auch
nicht durch seine Schnitzwerke. Neben den
Kruzifixen und dem schon erwähnten „Eng-
lischen Gruß“ sind es zwei bildhauerische
Werke, die näher zu betrachten sind, nämlich
der „Fliegende Schutzengel“ in der Pfarr-
kirche von Innervillgraten und die Wetter-
heiligen aus der Filialkirche in Ried bei Anras.
Prozessionsstatue des heiligen Schutz-
engels in der Pfarrkirche St. Martin in
Innervillgraten (um 1850)
Die Prozessionsstatue ist im Treppenauf-
gang zur Orgelempore der Pfarrkirche ab-
gestellt und wird anlässlich der Prozessio-
nen, z. B. zu Fronleichnam oder Ostern,
von den jungen Burschen aus dem Ort mit-
getragen. In dieser vollplastischen Skulp-
tur führt ein schwebender Engel einen
Knaben an der Hand über die Erdkugel.
Sie wird als „Paterer Typus“ bezeichnet,
da Johann Paterer, wie eingangs erwähnt,
diesen Typus des Schutzengels 80 Jahre
vorher geschaffen hat. Einer von mehreren
ist in der Pfarrkirche in St. Jakob im Defer-
eggental auf einer Konsole zu bewundern.
Nach eingehenden, detailgenauen Über-
prüfungen muss man den Schutzengel in
Innervillgraten als eine nachgeschnitzte Kopie
bezeichnen. Sowohl Gestus, Haltung, Aus-
führung und die meisten Details sind prak-
tisch gleich, das Gesicht ist etwas gröber.
Die gute künstlerische Qualität und
Details, die man auch bei anderen Schnitz-
werken von Karl Fürhapter kennt, sind
Indizien dafür, dass es sich bei der Schutz-
engelgruppe um seine Arbeit handelt.
Die Schutzengelgruppe in Rokokoma-
nier dürfte um 1850, vor den Wetterherren
entstanden sein, da diese einem anderen,
späteren Stil verpflichtet sind.
Wetterherren Johannes und Paulus
in der Filialkirche zum Hl. Geist in
Ried, Pfarre Anras (nach 1850)
Die Wetterherren sind vollplastische
Figuren und stehen links und rechts vom
Hauptaltar, 194 cm über dem Kirchenfuß-
boden, auf von Pilastern getragenen Kon-
solen. Bei den Heiligen handelt es sich um
adelige, römische Brüder, die zur Zeit
Konstantins des Großen ermordet wurden,
da sie ihrem christlichen Glauben nicht
abschwören wollten.
Sie sind Schutzheilige gegen Gewitter,
Hagel, Pest etc. und im alpenländischen
Raum oft anzutreffen. Die meisten wurden
in der Barockzeit gefertigt. Die von Für-
hapter geschnitzten sind in ihrem vergol-
deten Polimentweiß, in ruhiger Pose, kühl
und streng, dem Klassizismus zuzuordnen.
Die beiden Statuen hat Karl Fürhapter
auf Bestellung der Pfarre Anras geschnitzt.
Er muss aber schon bekannt gewesen sein,
um so einen Auftrag zu bekommen. Mit
der Schutzengelgruppe in der Pfarrkirche
von Innervillgraten könnte er diesen Be-
kanntheitsgrad erreicht haben.
Wie sie in den „Osttiroler Heimatblät-
tern“ zu lesen ist, soll hier nochmals die Le-
gende über die Ablieferung der Figuren er-
zählt werden: Die Rieder zeigten sich im
Allgemeinen befriedigt, meinten aber, dass
die Heiligen einen zu traurigen Gesichtsaus-
druck hätten. Der Villgrater Schnitzer, in
seinem Künstlerstolz gekränkt, soll schlag-
fertig (in Mundart) erwidert haben: „Vorerst
sahen sie noch ganz lustig drein; als sie aber
hörten, sie kämen nach Ried, fingen sie zu
Lendentuchgestaltung beim Wegkreuz
Untergaller.
Schwebender Schutzengel von Karl Fürhapter in der Pfarrkirche von Innervillgraten, um
1850. Die Prozessionsfigur wurde nach dem vom Barockbildhauer Johann Paterer ge-
schaffenen Typus geschnitzt.