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OSTTIROLER
NUMMER 3-4/2011
6
HEIMATBLÄTTER
gegenüber demVorbild sogar seinen Aggre-
gatzustand ändert: Atmosphärisch gemeinten
Gebilden kommt nun eine Festigkeit zu, die
– namentlich im Engelskonzert – die Be-
zeichnung „Wolkenbank“ im doppelten
Sinne verdient.
Zu einem weiteren Merkmal persönlicher
Handschrift gestaltet sich das dynamische
Potenzial der Gewänder. Eckig umbre-
chende Faltenwürfe konnte man ausgiebig
anhand der benutzten Skizzen studieren,
aber die streng abgegrenzte Lokalfarbigkeit
der Lavanter Deckengemälde duldet offen-
bar nicht den daraus entstehenden Wechsel
zwischen hellen und beschatteten Flächen,
welcher gerade Trogers und Mildorfers
Kompositionen ihr dekoratives Kontinuum
sichert. Wie dieses Problem in Lavant gelöst
wird, erhellt ein Blick auf die reich drapierte
Rückenfgur der Himmelfahrtsszene, die
Mildorfers Bozzetto lediglich als dunklen
Fleck am vorderen Bildrand ausbreitet. Im
Zickzack geführte Gewandfalten folgen im
Fresko nicht nur den Binnenverläufen, sie
durchmessen diese in zweierlei Richtung.
Am Tuch des Rauchfass schwingenden
Engels im Chor skandieren sie eine Art
Pendelbewegung, kaschieren zugleich je-
doch anatomische Ungereimtheiten. Ihr
skizzierender Duktus vermittelt den Ein-
druck der füchtigen Niederschrift eines erst
auszuführenden Formgedankens. Dieser
wird aber nicht weiter verfolgt, es sei denn,
dass er sich in einer dem Muster der Mo-
dellierung von Körpern vergleichbaren Art
überall dort, wo das Vorbild die nähere Aus-
kunft verweigert, zum eigenständigen Stil-
und Ausdrucksmittel verdichtet, dem man
über die Fresken von Lavant hinaus nun
auch in anderen Werken nachspüren kann.
Zuschreibungen
Das mit den Initialen I(ohann) G(eorg)
W(agingers) monogrammierte und mit einer
bedauerlicher Weise z. T. vom Rahmen ver-
deckten Jahreszahl datierte Altarblatt der
Ulrichsbichl-Kapelle ist im Gegensatz zu
den Fresken in Lavant ganz auf eine Fröm-
migkeit abgestellt, die mit verständlich dar-
gebotenem Inhalt mehr anzufangen vermag
als mit emotionalen Metaphern. Affekt und
expressive Bewegung sind daher nicht zu er-
warten und dennoch lassen sich Spuren be-
schriebener Stilelemente entdecken. Auch
wenn die Gewänder sehr wenig barocken
Ausdruck entfalten, ist offensichtlich, dass
die zackig gebrochenen Draperien ebenso
wie die am Boden ausgebreiteten Parapher-
nalien ihre Plastizität demWechsel von kräf-
tigen Schatten und lang gezogenen Höhun-
gen schulden. Trotz der Strenge und Block-
haftigkeit der knienden Heiligen Ulrich und
Johannes Nepomuk wird durch die Variation
ihrer Gesten eine Fürbitte initiiert, die über
das Gewölk zur Glorie aufsteigt und bei aller
Vereinfachung jener des entsprechenden
Bildes in Lavant recht nahe kommt.
Die Marienkrönung im Altaraufsatz der
Kapelle von Oberalkus weist sich in Zeich-
nung und Kolorit als enge Verwandte des
Altarbilds am Ulrichsbichl aus, und durch
die von den S-förmig ausladenden Thron-
wangen motivierte, in der Bewegung Gott-
vaters und Christi abgewandelte Symmetrie
erscheint sie geradezu als dessen vertikal
gespiegeltes Gegenstück (Abb. 15). Mehr
aber noch wirkt das Gemälde wie ein bie-
deres Derivat der viel komplexeren Kom-
position des linken Seitenaltarbilds der Kir-
che St. Nikolaus in Thurn (Abb. 16). Hier
Abb. 14: Paul Troger, Engelskonzert, Bozzetto für die Ignatiuskirche in Györ.
Foto: L. Andergassen (Hrsg.), Paul Troger & Brixen, AK Brixen 1998
Abb. 13: Paul Troger, Auferstehung Christi, Bozzetto, Tiroler Landes-
museum Ferdinandeum. Foto: Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum
Abb. 12: St. Ulrich als Fürsprecher bei der Muttergottes von Lavant,
Kirche St. Ulrich in Lavant, Ausschnitt. Foto: Michael Ingruber