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OSTTIROLER
NUMMER 3-4/2011
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HEIMATBLÄTTER
hält Waginger 70 Gulden für die geleistete
Arbeit – nach einem Rechtsstreit, infolge
dessen er mit seiner Gattin den Haushalt der
Schwiegereltern und wohl auch die Werk-
stattgemeinschaft verlässt.
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Dass die Quel-
lenlage zwar die ökonomischen, nicht aber
die künstlerischen Anteile solcher Koope-
rationen erhellt, gehört zu den wenig er-
freulichen Einsichten der Kunstgeschichts-
schreibung, und ein erster Blick auf Valti-
ners Kreuzwegstationen wie auf das
einzige, aufgrund seiner Signatur mit Si-
cherheit Waginger zuzuweisende Bild, das
Altarblatt vom Ulrichsbichl
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(Abb. 3), hält
die nächste Enttäuschung bereit: In keinem
dieser Tafelgemälde profliert sich einer der
beiden offenkundig als Autor der szenischen
Deckenbilder von Lavant. Zunächst nämlich
scheinen weder der durchaus von expressi-
vem Wollen getragene, in der Zeichnung
aber manchmal recht unbeholfene Stil Val-
tiners, noch der möglicherweise durch Zu-
geständnisse an den beginnenden Klassi-
zismus erstarrte Vortrag Wagingers den dor-
tigen Herausforderungen gewachsen. Es ist
das Anliegen der folgenden Studie, auch
von dieser Seite her etwas mehr Licht auf
die Scheidung der Hände zu werfen.
Das Programm
Mächtige Pfeiler mit Pilastervorlagen
stützen ein verkröpftes Gebälk, über dem
Gurt- und Scheidbögen den Raum in drei
zentralisierende Joche teilen, die nach oben
durch Scheinkuppeln mit fgurativen Szenen
geöffnet sind. Die mittlere zeigt die Auf-
nahme Mariae in den Himmel (Abb. 4), in
den vier Zwickeln begleitet von Emblemen
mit den entsprechenden, auf die Gottes-
mutter und ihren Sohn bezogenen Zitaten
aus der Apokalypse und dem Canticum
Canticorum. Sie lassen sich auch als verbale
Metaphern für die Farbakkorde des Raumes
verstehen: „Wer ist, die da erscheint wie das
Morgenrot, wie der Mond so schön, strah-
lend rein wie die Sonne …?“ Im Chor kniet
vor der Erscheinung des Gnadenbildes der
Kirchenpatron St. Ulrich als Fürsprecher
der Menschheit in allerlei Nöten (Abb. 5).
Kommentiert wird die Szene von vier Dar-
stellungen der damals in Hochkonjunktur
stehenden Kreuzgänge nach Lavant. Das
Engelskonzert über der Orgelempore
(Abb. 6) schließlich wird erst mit Blick
gegen Westen, vor dem Verlassen der Kir-
che adäquat rezipiert, und der Reigen der
göttlichen Tugenden in monochromer,
Skulpturen imitierender Malerei liest sich
wie eine Aufforderung an die Besucher:
„Seid klug wie die Schlangen, erwägt euer
Urteil, seid tapfer und mischt Wein und
Wasser im rechten Verhältnis!“
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Die Voluten- und Rocaillekartuschen in
den Zwickeln sowie die fngierten Stuck-
ornamente der Bögen sind, obwohl diszip-
linierter gemalt, in ihrer Plastizität und der
immer durch geringfügige Abweichungen
gestörten Symmetrie der Dekoration in der
Ulrichsbichl-Kapelle vergleichbar, so dass
man geneigt ist, sie auf das Konto Valtiners
zu buchen. Jedoch wird der Vorschlag, ihm
sämtliche Ornamente, die Figuren aber sei-
nem Schwiegersohn zuzuschreiben
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, durch
die Einführung einer dritten Größe relati-
viert.
Die Autorschaft
Schon 1963 lenkte eine Publikation Wil-
helm Reuschels die Aufmerksamkeit auf
den Zusammenhang der Lavanter Himmel-
fahrt mit einer in der Sammlung des Autors
befndlichen, damals dem Umkreis Paul
Trogers zugeschriebenen Skizze (Abb. 7).
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Zwei Jahre später war diese als Vorarbeit
des aus Innsbruck stammenden Malers und
Troger-Schülers Josef Ignaz Mildorfer
(1719 bis 1775) zu dessen Deckengemälde
in der Schlosskapelle von Milotice in Mäh-
ren identifziert (Abb. 8).
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Die äußere Ähn-
lichkeit beider Werke erscheint methodisch
bestens geeignet, aus demVergleich stilis-
Abb. 4: Mariae Himmelfahrt, Kirche St. Ulrich in Lavant, 1771. Foto: Michael Ingruber
Abb. 6: Engelskonzert, Pfarrkirche St. Ulrich in Lavant, 1771. Foto: Michael Ingruber