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OSTTIROLER
NUMMER 3-4/2011
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HEIMATBLÄTTER
Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts stellten
sich der Malerei auch in Osttirol zwei Ge-
staltungsaufgaben, deren durch die Fülle an
Aufträgen innerhalb weniger Jahrzehnte be-
schleunigter Reifungsprozess sie als typi-
sche Repräsentanten ihrer Zeit ausweist: die
illusionistische Deckenmalerei und der 14,
manchmal auch 15 Einzelbilder umfassende
Kreuzweg. Der Ehrgeiz großer wie kleinster
Gemeinden, ihre kirchlichen Räume mit
einem solchen zu schmücken, wurde erst
durch die päpstliche Kanonisierung der
Andacht 1731 entfacht.
1
Der Anschein des
nahezu unvermittelten Auftritts der Decken-
malerei
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aber, die im überregionalen Zu-
sammenhang ihren Zenit bereits über-
schritten hatte, lässt sich mehr auf die allzu
scharfe Fokussierung unseres ursprünglich
einem viel weiteren Kunstraum zugehöri-
gen Gebietes reduzieren als auf die für Ost-
tirol oft reklamierte Verspätung. Dass das
Metier innerhalb der künstlerischen Er-
zeugnisse weit über den Kreuzwegbildern
rangiert, hat mit seiner Stellung im bauli-
chen Kontext zu tun, den es ergänzt, erwei-
tert und abschließt. Selbst Immobilie, lässt
die illusionierte Decke ihren Betrachter
die Ästhetik des Kirchenraums aus einem
ihm unverrückbar zugewiesenen Standort
erleben. Kreuzwege hingegen sind, Station
für Station, nur in der Bewegung erfahrbar,
der Architektur erst nachträglich angehängt
und grundsätzlich auch andernorts denkbar.
Eine Wertung ist freilich nicht nur aus
dieser dem bürgerlichen Kunstverständnis
eher fremd gewordenen rezeptionsästheti-
schen Perspektive abzuleiten, sondern auch
aus demVerhältnis des Künstlers zu seinem
Produkt: Während kaum ein Freskant die
Gelegenheit ausließ, sein Deckengemälde
stolz an gut sichtbarer Stelle zu signieren,
bleiben Kreuzwege oft anonym.
Die Maler
Eine Ausnahme bildet der Lienzer Maler
Thomas Valtiner. Sein Name wird, wenn-
gleich erst seit einigen Jahren, sowohl mit
Deckenmalerei als auch mit Kreuzweg-
zyklen verbunden. Als Sohn des Bartlmä
Valtiner, Rotgerber und Bürger zu Lienz,
um 1720 geboren, sucht er 1742 erstmals bei
der Stadtgemeinde um Aufnahme an – und
wird abgewiesen: Er sei bisher in Wien tätig
und verheiratet gewesen und solle dort sein
Glück weiter versuchen.
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Erst der dritte An-
lauf bringt den gewünschten Erfolg. Am 5.
August 1744 erhält er die Bürgeraufnahme
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,
begünstigt wahrscheinlich durch das Ab-
leben Matthias Hofers
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, eines der beiden
damals in Lienz ansässigen Maler und mut-
maßlichen Schöpfers des 1741 verlobten
Kreuzwegs der Ottilienkirche in Amlach.
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Valtiners erste datierbare Zeugnisse einer
Betätigung auf demselben Gebiet sind der
Kreuzweg für die St. Wolfgang Kapelle in
Glanz 1752
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(Abb. 1) und der 1754 in Auf-
trag gegebene, 15 Tafeln umfassende
Kreuzweg der Kapelle zur Unbefeckten
Empfängnis in Penzendorf.
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Die Chronolo-
gie der weiteren bisher bekannt gewordenen
Zyklen in Asch, Gwabl und Schlaiten
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ist
unklar, sie vermitteln jedoch einen Eindruck
vom reichen Betätigungsfeld, das die
Formgelegenheit der sicher nicht überra-
genden Begabung Valtiners erschloss.
Deckengemälde setzten neue Architektur
oder wenigstens tief greifende Veränderun-
gen älterer Bauten voraus. Die vom Lienzer
Baumeister Thomas Mair 1761 eingewölbte
Ulrichsbichl-Kapelle in Amlach bot Valtiner
wahrscheinlich erstmals die Möglichkeit,
sein Können auch in diesem Fach zu erpro-
ben.
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Fingierter Stuck mit Rocailleorna-
menten akzentuiert in fantasievollen Varia-
tionen die Konstruktion der Stichkappen-
tonne, während das Figurative sich auf eine
Immaculata im Chorgewölbe (Abb. 2) und
die Heimsuchungsszene im Wappen des
Haller Damenstiftes am Triumphbogen be-
schränkt. Die spezifschen Forderungen der
Gattung, die Berechnung auf Untersicht, die
illusionistische Überhöhung und dekorative
Bekrönung des Raumes, sind davon aber
wenig tangiert.
Am 6. Feber 1769 ehelicht Johann Georg
Waginger die Tochter Valtiners.
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Wenn eine
Heirat aus Liebe keineswegs in Abrede ge-
stellt werden soll, für Valtiner und den frisch
gebackenen Schwiegersohn erfüllte sie
auch einen Zweck. Zu dieser Zeit war Tho-
mas Mair mit der Barockisierung der spät-
gotischen Kirche St. Ulrich in Lavant be-
traut. Die bewährte Zusammenarbeit in Am-
lach dürfte nicht der letzte Grund dafür
gewesen sein, dass Valtiner sich einen Auf-
trag zu sichern vermochte, den auszuführen
er allein vielleicht gar nicht imstande war:
die Ausstattung des Neubaus mit Decken-
gemälden.
Johann Georg Waginger entstammte
einer Kufsteiner Malerdynastie, war der
Sohn des hauptsächlich als Fassmaler täti-
gen Ratsbürgers Johann Michael und der
jüngere Bruder des 1729 geborenen Sebas-
tian Waginger, des „ohne Zweifel tüch-
tigste(n) und schwungvollste(n) Maler(s)
der Familie“
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. Dieser hatte in Graz und in
Passau sein Handwerk erlernt und zwischen
1750 und 1755 an der Wiener Akademie bei
Paul Troger studiert.
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1771 setzen Valtiner und Waginger in
zweifacher Ausfertigung ihre Namen unter
das gemeinsame Werk.
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Ein Jahr später er-
Abb. 1: Thomas Valtiner, 8. Station des
Kreuzwegs der Kapelle zum hl. Wolfgang in
Glanz, 1752. Foto: Franz Lobenwein
Abb. 3: Johann Georg Waginger, Altarblatt
der Kapelle auf dem Ulrichsbichl.
Foto: Rudolf Ingruber
Abb. 2: Thomas Valtiner, Kapelle auf dem Ulrichsbichl, Chorfresko, 1761.
Foto: Rudolf Ingruber