Seite 6 - H_2010_07

Das ist die SEO-Version von H_2010_07. Klicken Sie hier, um volle Version zu sehen

« Vorherige Seite Inhalt Nächste Seite »
cendo foeno
(beim Heuziehen).
37
Notabene:
Herunten im Tal musste nämlich, wo es nur
möglich war, Getreide angebaut werden –
für den eigenen Bedarf und vor allem als
Zehent an die Grundherrschaft.
Im Mittelalter bestanden in „Pregrad“
Höfe, die dem Chorherrenkloster Neustift
bei Brixen, gegründet 1142, zinspflichtig
waren. Deshalb war früher für Prägraten die
Bezeichnung „Klosterdorf“ sehr gebräuch-
lich.
38
Der jährliche Zins wurde ursprüng-
lich mit Naturalien (Käse, Korn etc.) geleis-
tet, später dann mit Geld. Diese „klöster-
lichen“ Höfe unterlagen dem Freistiftrecht.
Der Grundherr konnte den Untertanen nach
einem Jahr „abstiften“ (auf gut deutsch ver-
jagen). Das Verbleiben konnte aber jährlich
mit einem mehr oder weniger hohen
„Stiftskreuzer“ erkauft werden. Das Frei-
stift minderte allzusehr den Ertrag der eige-
nen Arbeit, es verhinderte aber auch nach-
haltiges Wirtschaften in einem auf Dauer
gesicherten Auskommen für die Bauernfa-
milien. – Günstiger war das „Erbbaurecht“
oder die „freie Erbleihe“ – in lateinischen
Urkunden des 12. Jh. in Südtirol als
locatio
perpetua
= fortdauernde Verpachtung be-
zeichnet. Meinhard II., 1239-1295, war zu
seiner Zeit der größte Grundbesitzer im
Land, er ging in der Verleihung der landes-
fürstlichen Urbargüter an Bauern zu „freier
Erbleihe“ mit gutem Beispiel voran. Kir-
chen- und Herrengüter unterlagen aber wei-
terhin dem Freistiftrecht – im östlichen Pu-
stertal war es mehr als anderswo die vor-
herrschende bäuerliche Besitzform.
39
König Maximilian (Kaiser 1508) erließ
dann 1502 das Edikt über die Umwandlung
aller landesfürstlichen Freistiftgüter in Erb-
leihe. Er hatte Graf Leonhard von Görz, den
letzten seiner Dynastie, 1500 auf Schloss
Bruck in Lienz verstorben, in seinen Besit-
zungen und Rechten im Pustertal beerbt.
Die Herrschaft Lienz verpfändete Maximi-
lian 1501 an Michael Freiherr von Wolken-
stein-Rodenegg und allen seinen Erben; zu
ihr gehörten auch die Gerichte und Ämter
Kals und Virgen mit Defereggen (St. Jakob).
Durch seine aufwendige Politik und die
kostspielige Kriegsführung in ganz Europa
steckte der Herrscher allzeit in Geldnöten. –
Das Edikt fand keine Anwendung, der
Pfandinhaber ließ sich die hergebrachten
Bezüge nicht schmälern. Die drückenden
Lasten, die von den verliehenen Bauerngü-
tern in Geld und Naturalien zu leisten
waren, bestanden in der Iselregion weiter.
Die Bauern hatten daneben noch die Lan-
dessteuer (Grundsteuer), Beiträge für Stra-
ßen- und Archenbauten, zu militärischen
Durchzügen (Quartier und Vorspann), für
die Gemeinde (Arbeitsdienste für Wege und
Brücken, Pflege von Gemeinschaftsalmen)
und schließlich für kirchliche Zwecke zu
leisten. In Osttirol war das Freistiftrecht
„eine stets offene Wunde an seinem Volks-
körper“ (so der Historiker Otto Stolz 1925).
Nach dem finanziellen Niedergang der Wol-
kensteiner übernahm das Königliche Da-
menstift zu Hall 1629 die Herrschaft Hein-
fels und 1653 die Herrschaft Lienz. Ein gro-
ßer Teil des heutigen Osttirol unterstand nun
diesem Stift (gegründet 1567 von den Töch-
tern des Kaisers Ferdinand I., den Erzherzo-
ginnen Magdalena, Margaretha und Helena;
ihr Bruder Erzherzog Ferdinand II., der Ge-
mahl von Philippine Welser, war Tiroler
Landesfürst von 1564-95).
Wiederholt baten die bedrückten Unter-
tanen in der Zeit vom 16. bis zum 18. Jh. um
Erleichterung, sie wandten sich an die Ge-
richtsherrschaft, an die Regierung in Inns-
bruck und den Kaiser in Wien. Schließlich
kam es 1704 zu Gewalttätigkeiten. Im Jahr
zuvor hatten allein bäuerliche Aufgebote
einen französisch-bayerischen Einfall in
Tirol abgewehrt (der „boarische Rummel“
von 1703). Im Land insgesamt stieg das bäu-
erliche Selbstbewusstsein, gegen „die Her-
ren“ aufzutreten. Die lange bedrückten Frei-
stiftbauern des Gerichtes Virgen besetzten
mit Waffengewalt das Pflegeamt und zwan-
gen den Pfleger Andrä Miller von Aichholz
zur Flucht aus dem Tal (anno 1703 verlegte
er seinen Amtssitz von Schloss Rabenstein
herunter ins Dorf; ein von ihm 1700 gestif-
tetes Votivbild hängt in der Wallfahrtskirche
zu Obermauern). Die Bauern erklärten, für-
derhin keine Grundzinse und auch keine
Beiträge für durchziehendes Militär leisten
zu wollen. In den Akten des Damenstiftes
wird diese Aktion als „Rebellion“ bezeich-
net. Erreicht wurde nichts. Deshalb brach
1762 der Wirbel wieder los. In den Erlässen
der Innsbrucker Regierung vom August
1762 heißt es, „unvermutet sind in den
Gerichten Lienz, Virgen und Kals zu nächt-
licher Zeit unter der Bauernschaft Rottierun-
gen entstanden, verschiedene sehr scharfe
Bedrohungen ausgestoßen und eine uner-
laubt eigenmächtige Deputation nach Wien
beschlossen ... worden“. Maria Theresia, die
Regentin in Wien, hatte damals andere Sor-
gen: Der erbitterte Zweikampf zwischen
Österreich und Preußen im Siebenjährigen
Krieg ging 1763 zu Ende; Schlesien blieb
endgültig preußisch. Diese Unruhe im
Innern der Monarchie – auch in der Gegend
von Meran z. B. war ein Aufstand im Gang
– wurde vorsichtig entschärft, die Gerichts-
herrschaft und deren Beamte waren dazu an-
gehalten. Die Abgesandten aus Lienz und
Meran kehrten erfolglos aus Wien zurück.
Die Unruhen griffen im Jahr 1762 um sich,
im gesamten Land war nämlich eine Volks-
zählung („Seelenbeschreibung“) angesagt
worden. Im Oberpustertal entstand das Ge-
rücht, „diese Beschreibung ziele auf Leib-
eigenschaft ab“. Die Kalser erklärten, „der
OSTTIROLER
NUMMER 7/2010
6
HEIMATBLÄTTER
Heuziehen auf Katin um 1956 – die gefährliche Arbeit zur Winterszeit, seit Jahrhunder-
ten in Gemeinschaftsgeist bewährt (links die Ortschaft Bichl, im Tal unten rechts der Isel
Losach, von lus „Sumpf, feuchte Wiese“, losig „morastig, schmutzig“, Anm. 1 – Schatz,
Anm. 27 - Schmeller).
Foto: Friedl Kratzer
Gottfried Islitzer,
da Angstinga
Gotfrid, * 1935,
schleppt im
Sogrant ein „Birl“
(für einen Film
übers Bergheuen,
um 1995). – Ob
dieser Hofname
von einem stammt,
der jeden Don-
nerstag abends die
ą
ngstglogge zu
läuten hatte – zur
Erinnerung an den
Angstschweiß von
Jesus Christus im
Ölgarten?
(Anm. 1 – Schatz,
Anm. 29 – Schöpf).
Foto: Friedl Kratzer