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OSTTIROLER
NUMMER 7/2010
4
HEIMATBLÄTTER
Schmetterlinge, Heuschrecken). Botaniker
zählten auf einer Fläche von 100 m
2
über
50 verschiedene Pflanzen. Diese Wiesen
zählen zu den naturkundlich wertvollsten
und schönsten im gesamten Nationalpark
Hohe Tauern.
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Sie sind vor allem von
Mitte bis Ende Juli in ihrer Blütenpracht
ein irdisches Paradies! Der steile Aufstieg
zur Sajathütte von Bichl über Katin führt in
einer großen Schleife durch diesen bunten
Rasen. – Der Goldschwingel,
Festuca pa-
niculata
, ein horstbildendes Gras, ist eine
sehr ergiebige Futterpflanze, wenn er
immer wieder gemäht wird. Wird er nicht
„geschnitten“, kann er bis zu einem Meter
hoch werden – wenn er also wild wächst,
wird er „bockig“ (die Stengel werden hart,
die Blätter schneidend). Solche Bergmäh-
der mit Goldschwingel gibt es etwa auch
am Golzentipp (Obertilliach), am Kals-
Matreier Törl und in den Pockhorner
Wiesen oberhalb von Heiligenblut.
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Das auf Sajat gewonnene Bergheu wurde
früher in rund 300 Kilo schweren „Fuada“
im Winter ins Tal „gelengglt“ (in altem
Deutsch
lengen
oder
lenken
„biegen, wen-
den, richten“, also „in eine bestimmte Rich-
tung bringen“;
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fuodar
„Fuder, Wagen-
ladung“, eigentlich „das Gefahrene“
24
). Ein
etwa 55 Meter langes Hanfseil wurde um
„Stekkn“ (Holzpflöcke), die in Abständen
von weniger als 50 Meter im Boden vergra-
ben und verkeilt waren, geschlungen. Der
„hoache Stekkn“ war der oberste, quasi der
„Einstieg“ 10 m oberhalb der Felspartien.
Nebenbei bemerkt: Zu diesem „Stekkn“
wurde das Heu in etwa 50 kg schweren
„Birlen“ (Heuballen) getragen, das in der
„Somingle“, einem von Felsen eingerahm-
ten steilen Grasfleck, jedes zweite Jahr ge-
erntet wurde. Diese Parzelle gehörte zum
„Petala“-Hof auf Bichl (der Name stammt
von der Verkleinerungsform
pêdal
von
Peter
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); die Bezeichnung der Bergwiese
stammt wohl vom alten deutschen Wort
soum
„Rand, Grenze“, mundartlich
sâm
am (östlichen) Rand der Sajat Mähder gele-
gen? – „s’Randliche“?
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– Die einzelnen
Parzellen sind nach den alten Hofnamen be-
nannt, wie z. B. in der Nähe der Sajathütte:
Olcha Sajat
(
Unterwurzacha
),
Petala Sajat
(
Mitterkratza
),
Unterpeatera Sajat
– west-
lich vom Zopsenbach in einem „Maurach“
(Felssturz) liegen noch
Unterkratza Sogrant
(
Kratza Feldna
) und
Oberbichla Sogrant
.
Der alte deutsche Begriff
sage
bedeutet
„Senkung“, das mundartliche
seige
„Vertie-
fung im Gelände; Einschnitt, Kerbe“.
„Wassersag“ ist ein altes Wort für „Wasser-
runst, -abfluss“.
Rant
drückt „Wendung,
Krümmung, Kehre“ aus. Auf dem Orthofoto
der Neuen Sajathütte zeigt der Einschnitt
des Zopsenbaches eine ausgeprägte Krüm-
mung.
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Übrigens: Der Hofname
Olcha
stammt wohl von „Ölacker“; im geistlichen
Neustift kommt im 15. Jh. eine
curia ölak-
cher
vor (curia = mittelalterliche Bezeich-
nung für „Hof“) - gemeint ist ein Acker mit
der Ölgülte (Abgabe) für kirchliche Zwecke
(um das „ewige Licht“ zu unterhalten -
wahrscheinlich war es Leinöl; der Lein ist
eine der ältesten Kulturpflanzen, er wurde
schon zur Steinzeit in Europa angebaut),
siehe unten Kloster Neustift.
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– Die Parzel-
lengrenzen bildete das sogenannte „Griel“
(dieser Begriff wird imVirgental gebraucht,
imVillgraten etwa „Grasmarch“ genannt, in
Antholz
ą
ltraih
ε
, „alte Reihe“ = Linie,
Strich von altem, nicht gemähten Gras).
„Griel“ hängt mit
rigel
zusammen, in altem
Deutsch „Querholz; kleine Anhöhe“, mund-
artlich „etwas Aufragendes“ oder überhaupt
„Strich, Strecke“, in alten Grenzbeschrei-
bungen „Bergkamm“, entlehnt von latei-
nisch
r
ē
gula
„Latte, Richtschnur“,
regere
Die alte Sajathütte, durch eine Staublawine am 20. April 2001 völlig zerstört (Bildarchiv
ÖAV, Innsbruck) – Der „Tanzboden“, der verlandete See, aus der Vogelschau: Der helle
geschwungene Streifen rechts oberhalb der Hütte zeigt die bergseitige Uferlinie des
einstigen Sees. Die Linie vor der Hütte nach rechts lässt die talseitige Kante des Morä-
nenriegels erkennen, von der die Sajat Mähder steil abfallen; auf diesem Geländeknick
führt der Steig zur Hütte von Bichl herauf bzw. vom „Fenster“ herüber (siehe Orthofoto).
Foto: Bildarchiv Österreichischer Alpenverein
Orthofoto: Neue Sajathütte mit Parzellengrenzen (Bundesamt für Eich- und Vermessungs-
wesen, Wien).
Unterkratza
Sogrant
Krümmung des
Zopsenbaches
Unterpeatera
Sajat
Petala
Sajat
Olcha
Sajat
Österreichischer
Alpenverein
Neue Sajathütte